Zur Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 UStG

Die Tätigkeit eines Präventions- und Persönlichkeitstrainers ist kein Schul- oder Hochschulunterricht i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL.

Hintergrund: Präventions- und Persönlichkeitstrainer

Streitig war, ob X in 2020 steuerfreie Umsätze ausgeführt hat.

X ist Präventions- und Persönlichkeitstrainer. Er trat als "Teamleiter" auf. In seinem Team waren weitere Kursleiter für verschiedene Kursarten tätig (z.B. Kinderbewegungsprogramm, Persönlichkeitstraining für Frauen, Erziehungsseminare für Eltern).

Das FA und ihm folgend das FG lehnten den Antrag des X, seine Umsätze für Konfliktpräventionskurse an Schulen nach § 4 Nr. 21 UStG steuerfrei zu belassen, ab.

Die Leistungen des X seien nicht nach § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG steuerfrei. Denn es sei nicht ersichtlich, dass er selbst i.S. des § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. aa UStG als Ersatzschule genehmigt oder erlaubt oder ihm eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde i.S. von § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG erteilt worden wäre. § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG sei nicht erfüllt, da die Befreiung nur für erbrachte Unterrichtsleistungen von selbständigen Lehrern und nicht durch von diesen beauftragten selbständigen Dozenten gelte. Ebenso könne sich X nicht auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL berufen. Es fehle bereits an der Qualifizierung als Schul- und Hochschulunterricht.

Entscheidung: Weitere in Betracht kommende Befreiungstatbestände

Der BFH hob das GG-Urteil auf und verwies den Fall an das FG zurück, da dieses nicht sämtliche einschlägigen Befreiungstatbestände geprüft hat.

Keine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG

Die Steuerfreiheit fehlt, da X selbst weder als Ersatzschule genehmigt oder nach Landesrecht erlaubt wurde noch eine gemäß § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG entsprechende Bescheinigung vorgelegt hat.

Auch keine Befreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. aa UStG

Danach sind die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Unterrichtsleistungen selbständiger Lehrer u.a. an öffentlichen allgemeinbildenden Schulen steuerfrei. Die Leistungen müssen unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienen, d.h. ihn nicht nur ermöglichen, sondern ihn selbst bewirken (BFH v. 21.3.2007, V R 28/04, BStBl II 2010, S. 999). Daher werden nur die von selbständigen Lehrern persönlich (und nicht durch von diesen beauftragte selbständige Dozenten) erbrachten Unterrichtsleistungen erfasst (BFH v. 23.8.2007, V R 10/05, BFH/NV 2007, S. 2217). Daran fehlt es hier, da X für die noch streitigen Unterrichtsleistungen Subunternehmer beauftragt hat.

Kein Schul- und Hochschulunterricht i.S.v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL

Darunter fällt die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen sowie auf die Vertiefung und Entwicklung dieser Kenntnisse und Fähigkeiten durch die Schüler und Studenten. Ein spezialisierter, punktuell erteilter Unterricht – wie im Streitfall - wird von der Steuerbefreiung nicht erfasst (EuGH "Dubrovin & Tröger – Aquatics" v. 21.10.2021, EU:C:2021:873, BFH/NV 2021, S. 1629).  

In Betracht kommende weitere Steuerbefreiungen

Der BFH beanstandet das FG-Urteil insoweit, als dieses nicht geprüft hat, ob sich aus anderen Gründen eine Steuerbefreiung der Leistungen des X ergeben könnte.

Erziehung von Kindern und Jugendlichen i.S.v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL 

Zwar enthält Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL keine Definition, was unter dem autonomen unionsrechtlichen Begriff "Erziehung von Kindern und Jugendlichen" zu verstehen ist. Immerhin könnte einzubeziehen sein, dass nach der Begründung des Gesetzentwurfs zu § 4 Nr. 23 UStG i.d.F. des JStG 2020 der Begriff der Erziehung von Kindern und Jugendlichen die gesamte geistige, sittliche und körperliche Erziehung umfasst (BT-Drs. 19/13436, S. 148; s. zur Auffassung der Finanzverwaltung auch Abschn. 4.23.1 Abs. 4 UStAE). Sollte das FG den Tatbestand als erfüllt ansehen, wäre weiter festzustellen, ob X die personellen Voraussetzungen des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL erfüllt.

Von Privatlehrern erteilter Schul- und Hochschulunterricht i.S.v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL

Nach der deutschen Fassung ist (nur) von Privatlehrern erteilter Schul- und Hochschulunterricht steuerfrei. Nach den anderen Sprachfassungen stellt die Steuerbefreiung jedoch nicht auf den Schul- und Hochschulunterricht ab, sondern auf einen damit zusammenhängenden Begriff (Unterrichtseinheiten, die sich auf ... beziehen). Die Regelung ist daher unionsrechtskonform dahin auszulegen, dass steuerfrei die Unterrichtseinheiten sind, die sich auf Schul- und Hochschulunterricht beziehen (EuGH "Eulitz", EU:C:2010:47, Rz. 21 ff.). Es dürfte deshalb ausreichen, dass sich eine Unterrichtseinheit auf einen Schul- oder Hochschulunterricht "bezieht". Das könnte im Streitfall vorliegen, da die Leistungen des X sich auf den Unterricht in Grundschulen und an weiterführenden Schulen beziehen.

Privatlehrer i.S.v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL  

X könnte als Privatlehrer steuerbefreit sein. Der Unternehmer muss auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung handeln. Schädlich wäre die Zwischenschaltung eines Dritten auf der Seite des Leistenden (vgl. BFH v. 29.3.2017. XI R 6/16, BFH/NV 2017, S. 1145).

Hinweis: Uneinheitliche Rechtsprechung im Bereich des Unterrichts

Die Entscheidung verdeutlicht, dass im Bereich der Steuerbefreiung von Lehrkräften mangels Anpassung des nationalen Rechs an die unionsrechtlichen Regelungen Unsicherheiten bestehen können. In der Praxis sind die konkreten Einzelumstände herauszuarbeiten. Der BFH hebt stets – so auch hier – hervor, dass die Begriffe in Art. 132 MwStSystRL als Ausnahmen vom allgemeinen Grundsatz, dass jede Leistung gegen Entgelt der Mehrwertsteuer unterliegt, eng auszulegen sind (BFH v. 19.8.2021, V R 21/20, BFH/NV 2022, S. 144).

BFH Urteil vom 15.12.2021 - XI R 3/20 (veröffentlicht am 14.07.2022)

Alle am 14.07.2022 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen

Schlagworte zum Thema:  Umsatzsteuer, Steuerbefreiung