Vorsteuerabzug einer Führungsholding

Einer geschäftsleitenden Holding steht für Vorsteuerbeträge im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an einer Tochtergesellschaft der volle Vorsteuerabzug zu. Der Begriff der juristischen Person umfasst auch eine GmbH u. Co. KG.

Hintergrund

Streitig war die Höhe des Vorsteuerabzugs einer Holding aus Eingangsrechnungen im Zusammenhang mit der Kapitalbeschaffung sowie das Vorliegen einer Organschaft. Die A-GmbH u. Co.KG (Beteiligungsgesellschaft) war im Streitjahr 2005 als sog. "Dachfonds" an zwei Tochtergesellschaften (ebenfalls GmbH u. Co.KG) als Kommanditistin beteiligt. Die Tochtergesellschaften waren jeweils Eigentümerinnen eines von ihnen betriebenen Containerschiffs. Nach einem "Dienstleistungsvertrag" vom März 2005 erbrachte A gegenüber den Tochtergesellschaften "administrative Leistungen" (Durchführung von Gesellschafterversammlungen, betriebliche Beratung usw.). Für diese Leistungen erhielt A eine Vergütung.

Für die Aufwendungen der A im Zusammenhang mit der Einwerbung des Kapitals für die Beteiligung an den zwei Einschiffsgesellschaften fiel USt an, die A für 2005 als Vorsteuer geltend machte. Das FA war der Ansicht, das eingeworbene Kapital diene zu 77,69 % dem nichtwirtschaftlichen Bereich des Haltens von Anteilen an den Tochtergesellschaften, für den ein Vorsteuerabzug ausscheide. Es teilte die Vorsteuern nach dem Verhältnis des beschafften Kapitals zu dem für die Beteiligungen verwandten Kapital auf und ließ nur anteilige Vorsteuern (22,31 %) zum Abzug zu. Dem folgte das FG und wies die Klage ab. Denn die Leistungsbezüge für die Kapitalbeschaffung beträfen nur anteilig den unternehmerischen Bereich (Dienstleistungen).

Mit der Revision machte die A geltend, ihr stehe der volle Vorsteuerabzug zu. Sie sei im Ganzen wirtschaftlich tätig, so dass bei einem Beteiligungserwerb anfallende Kosten vollumfänglich den allgemeinen Kosten des Unternehmens zuzuordnen seien. Jedenfalls stehe ihr der Vorsteuerabzug unter dem Gesichtspunkt einer mit ihren Tochtergesellschaften bestehenden Organschaft zu.

Der BFH setzte das Revisionsverfahren aus und legte dem EuGH die Frage nach der Berechnungsmethode des anteiligen Vorsteuerabzugs vor. Außerdem problematisierte er, ob eine Personengesellschaft (GmbH u. Co.KG) Organgesellschaft sein kann bzw. ob die Beschränkung auf juristische Personen als Organgesellschaften mit dem Unionsrecht vereinbar ist (Vorlagebeschluss v. 11.12.2013, XI R 17/11, BStBl 2014 II S. 417).

Nach der Vorabentscheidung des EuGH sind der bloße Erwerb und das reine Halten von Beteiligungen mit der Absicht, Beteiligungserträge zu erzielen, keine wirtschaftliche Tätigkeit. Dagegen wird durch das entgeltliche Eingreifen in die Verwaltung der Beteiligungsgesellschaften eine wirtschaftliche Tätigkeit begründet (EuGH, Urteil v. 16.7.2015, C-108/14, C-109/14, DStR 2015 S. 1673). Eine geschäftsleitende Holding ist damit grundsätzlich in voller Höhe vorsteuerabzugsberechtigt. Eine Aufteilung kommt nur in Betracht, wenn auch Beteiligungen gehalten werden, an die keine Dienstleistungen erbracht werden. Ferner entschied der EuGH, eine Organschaft sei nicht auf juristische Personen beschränkt. Eine Begrenzung könne lediglich zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken gerechtfertigt sein. Mit dem Ergehen dieses EuGH-Urteils "Larentia + Minerva" war die Aussetzung des Revisionsverfahrens beendet und der BFH konnte über die Revision entscheiden.

Entscheidung

Nach den vom EuGH in seiner Vorabentscheidung aufgestellten Grundsätzen steht A als geschäftsführender Holding der Vorsteuerabzug in vollem Umfang zu. Sie ist Unternehmerin mit der Tätigkeit an alle ihre Tochtergesellschaften gegen Entgelt administrative und kaufmännische Leistungen zu erbringen. Soweit das FA, das FG und der BFH in seinem Vorlagebeschluss gleichwohl einen nur teilweisen Vorsteuerabzug für möglich gehalten haben, widerspricht dies der Rechtsauffassung des EuGH. Denn eine geschäftsleitende Holding hat keinen nichtwirtschaftlichen Bereich. Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Praxis sind im Streitfall nicht erkennbar.

Im Anschluss an die EuGH-Entscheidung ist auch der BFH der Auffassung, dass eine GmbH u. Co.KG Organgesellschaft sein kann. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG ist richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass der Begriff "juristische Person" jedenfalls auch eine GmbH u. Co.KG umfasst. Dafür sprechen mit Blick auf das Unionsrecht der Grundsatz der Rechtsformneutralität und der Gedanke, dass eine Personengesellschaft in der Rechtsform einer GmbH u. Co.KG eine "kapitalistische Struktur" aufweist. Ob das weitere Erfordernis des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG, dass die Organgesellschaft nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sein muss, im Streitfall erfüllt ist bzw. mit dem Unionsrecht vereinbar ist, konnte der BFH offen lassen, da das FG keine Feststellungen zur Höhe der gegenüber den Tochtergesellschaften festgesetzten USt getroffen hat. In dem Urteil v. 2.12.2013, V R 15/14 (DStR 2016 S. 226), hat der BFH dazu die Auffassung vertreten, für das sich aus dem nationalen Recht ergebende Erfordernis einer Eingliederung mit Durchgriffsrechten bestehe eine hinreichende Grundlage im Unionsrecht.

Der BFH hob das FG-Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück. Dieses muss die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen  nachholen (finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung der Tochtergesellschaften in das Unternehmen der A).

Hinweis

Der BFH hatte - ebenso wie in dem Parallelurteil v. 19.1.2016, XI R 38/12 (DStR 2016 S. 587) - in der hier vorliegenden Revisionsentscheidung die Vorgaben des EuGH-Urteils "Larentia + Minerva" umzusetzen. Die Urteilsgründe sind daher weitgehend identisch. Danach steht einer "Führungsholding" (Managementholding, Funktionsholding) im Gegensatz zu einer "Finanzholding" grundsätzlich der volle Vorsteuerabzug zu. In besonderen Fällen könnte allerdings bei Vereinbarung nur geringer Entgelte die Missbrauchsgrenze überschritten sein. Dafür bestanden indes nach den Feststellungen des FG, an die der BFH gebunden war, keine Anhaltspunkte.

Die Frage, ob eine richtlinienkonforme Auslegung des Tatbestandsmerkmals "juristische Person" möglich ist, war bisher umstritten. Das dem Verfahren beigetretene BMF lehnte dies ab. Der BFH stützt sich für die Gegenmeinung insbesondere auf den Grundsatz der Rechtsformneutralität. Er weicht damit zwar in der Begründung, nicht aber im Ergebnis von dem BFH-Urteil v. 2.12.2015, V R 25/13 (BStBl 2016 II S., 219), ab. Denn der V. Senat geht dort ebenfalls davon aus, dass eine GmbH u. Co.KG, um die es auch in dem dortigen verfahren ging, Organgesellschaft sein kann. Im Übrigen vertritt der V. Senat in dem o.a. Parallelurteil v. 19.1.2016, XI R 38/12 ebenfalls die richtlinienkonforme Auslegung, dass der Begriff "juristische Person" auch eine GmbH u. Co.KG umfasst.

BFH, Urteil v. 1.6.2016, XI R 17/11, veröffentlicht am 20.7.2016

Alle am 20.2.2016 veröffentlichten Entscheidungen des BFH

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