Unentgeltliche Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen

Das BMF wird aufgefordert, einem Verfahren beizutreten, indem geklärt werden soll, ob wiederkehrende Leistungen im Zusammenhang mit einer Übertragung von nicht begünstigtem Vermögen grundsätzlich als Entgelt (bzw. im Ausnahmefall als Unterhaltsleistung) anzusehen sind oder ob solche Leistungen gleichwohl als nicht begünstigte (d.h. nicht zum Sonderausgabenabzug berechtigende), aber dem Grunde nach unentgeltliche "Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen" gelten können.

Hintergrund: Übergabe eines Miethauses gegen monatliche Zahlungen

Der Vater (V) übertrug in 2011 ein vermietetes Mehrfamilienhaus auf seine Tochter (T) gegen die lebenslange, wiederkehrende, nicht wertgesicherte Leistung von monatlich 2.500 EUR.  

T erklärte für das Streitjahr 2013 die an V geleisteten Zahlungen von 30.000 EUR (2.500 EUR x 12 Monate) als WK bei ihren Einkünften aus VuV.

Das FA bewertete die Zahlungen als Leibrente und berücksichtigte lediglich den Ertragsanteil von 3.900 EUR (13 % von 30.000 EUR) als WK.

Das FG wies die Klage ab. Die Leibrentenzahlungen der T ständen nicht in wirtschaftlichem Zusammenhang mit ihren Einkünften aus VuV. Sie seien deshalb nicht (auch nicht mit dem vom FA anerkannten Ertragsanteil) als WK abziehbar. Es handele sich um eine unentgeltliche Übertragung unter Vorbehalt eines Teils der Erträge. In diesen Fällen stellten die wiederkehrenden Versorgungsleistungen weder ein Veräußerungsentgelt des Übergebers noch AK des Übernehmers dar, sondern seien grundsätzlich den Sonderausgaben und wiederkehrenden Bezügen (§ 22 Nr. 1 Satz 1 EStG) zugeordnet. An dieser Zuordnung ändere sich nichts dadurch, dass Versorgungsleistungen im Zusammenhang mit der Übertragung eines Mietwohngrundstücks seit der Änderung des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG a.F. durch das JStG 2008 nicht (mehr) zum Sonderausgabenabzug zugelassen seien. Wegen des Verböserungsverbots verblieb es letztlich bei dem vom FA anerkannten WK-Abzug.  

Mit der Revision trägt T vor, die Übertragung von Vermögen gegen wiederkehrende Leistungen in Fällen, in denen die Voraussetzungen des Sonderausgabenabzuges nach § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG n.F. nicht vorlägen, sei als (teil-)entgeltliches Rechtsgeschäft zu behandeln. Daher könnten die Rentenzahlungen der T nicht dem privaten Bereich bzw. der Einkommensverwendung zugeordnet werden.

Entscheidung: Beitrittsaufforderung an das BMF zur grundsätzlichen Klärung der Problematik

Der BFH nimmt das Revisionsverfahren zum Anlass, sich grundlegend mit der Rechtsfrage zu befassen,

  • ob wiederkehrende Leistungen im Zusammenhang mit einer Übertragung von nicht nach § 10 Abs. 1a Nr. 2 Satz 2 Buchst. a bis c EStG begünstigtem Vermögen grundsätzlich als Entgelt (bzw. im Ausnahmefall als Unterhaltsleistung) anzusehen sind (so BMF v. 11.03.2010, BStBl I 2010, 227 Tz 57 und 65)
  • oder ob solche Leistungen gleichwohl als nicht begünstigte (d.h. nicht zum Sonderausgabenabzug berechtigende), aber dem Grunde nach unentgeltliche "Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen" gelten können.

Dazu weist der BFH auf Folgendes hin:

  • Bei der Neufassung des § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG durch das JStG 2008 (jetzt: § 10 Abs. 1a Nr. 2 Satz 1 EStG n.F.) hat der Gesetzgeber den Begriff der Versorgungsleistungen und die hierzu von der Rechtsprechung entwickelten Rechtsgrundsätze übernommen (Beschlüsse des Großen Senats des BFH v. 5.7.1990, GrS 4-6/89, BStBl II 1990, 847, und v. 15.7.1991, GrS 1/90, BStBl II 1992, 78).
  • Der Gesetzgeber des JStG 2008 wollte erkennbar die Unentgeltlichkeit der Vermögensübergabe beibehalten.
  • Zur Förderung von Vermögensübergängen im Zuge vorweggenommener Erbfolge und zum Erhalt von Arbeitsplätzen hat der Gesetzgeber die von der Rechtsprechung geprägte Struktur des Rechtsinstituts der unentgeltlichen Vermögensübergabe in die Neufassung des § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG (JStG 2008) aufgenommen und den Anwendungsbereich eingegrenzt.
  • § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG n.F. ist wortgetreu auszulegen; eine teleologische Extension des Wortlauts kommt vor dem Hintergrund der Gesetzeshistorie nicht in Betracht (BFH, Urteilv. 20.3.2017, X R 35/16, BStBl II 2017, 985, zu § 10 Abs. 1a Nr. 2 Satz 2 Buchst. c EStG).
  • Der Gesetzgeber wollte das Rechtsinstitut der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen mit den durch das JStG 2008 eingeführten Änderungen auf seinen Kernbereich zurückführen und Mitnahmeeffekte und missbräuchliche Gestaltungen verhindern.
  • In der Revision wird zu prüfen sein, ob der Auffassung des BMF im IV. Rentenerlass (BMF-Schreiben v. 11.03.2010, BStBl I 2010, 227, Tz 57 und 65) zu folgen ist, wonach regelmäßig von einer (teil-)entgeltlichen Vermögensübertragung gegen wiederkehrende Leistungen auszugehen ist, wenn kein begünstigtes Vermögen i.S. des § 10 Abs. 1a Nr. 2 Satz 2 EStG n.F. übertragen wird (und mithin der Sonderausgabenabzug für die wiederkehrenden Leistungen nicht eröffnet ist).

Hinweis: Der Beitritt des BMF fördert die vertiefte Diskussion der Problematik

Zur Vermeidung missbräuchlicher Gestaltungen wurde durch das JStG 2008 die bisherige Regelung in § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG a.F. durch § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG n.F. ersetzt. Der Anwendungsbereich wurde eingeschränkt. Die Neuregelung begrenzt den Sonderausgaben-Abzug auf die in § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG n.F. aufgeführten Fälle von Vermögensübertragungen. Dadurch entfällt der Sonderausgaben-Abzug u.a. bei einer unentgeltlichen Immobilienübergabe. Bei einem entgeltlichen Vorgang liegen AK vor. Da die Rechtsfrage in verschiedener Richtung klärungsbedürftig erscheint, sollten entsprechende Fälle offen gehalten werden.  

Die Aufforderung an das BMF, dem Verfahren beizutreten, beruht auf § 122 Abs. 2 FGO. Das BMF ist berechtigt – aber nicht verpflichtet – dem Revisionsverfahren beizutreten. Der Beitritt des BMF führt regelmäßig zu einer an den Bedürfnissen der Praxis orientierten vertieften Erörterung der Problematik.

BFH Beschluss vom 28.04.2020 - IX R 11/19 (veröffentlicht am 02.07.2020)

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