Schätzungsbescheid ohne Vorbehalt der Nachprüfung

Ergeht ein Schätzungsbescheid ohne Vorbehalt der Nachprüfung (VdN), besteht keine Verpflichtung, in der Rechtsbehelfsbelehrung auf das Fehlen eines VdN und die Rechtsfolgen hinzuweisen.

Schätzungsbescheid ohne Vorbehalt der Nachprüfung 

Der Kläger – ein Jurist – hat für die Streitjahre 2014 bis 2016 keine ESt-Erklärungen abgegeben. Das Finanzamt ermittelte die Besteuerungsgrundlagen im Wege der Schätzung (§ 162 AO) und erließ am 19.03.2016 die Steuerbescheide. Die mit einer üblichen Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheide ergingen ohne VdN nach § 164 Abs. 1 Satz 1 AO. Ende Mai 2016 reichte der Kläger die Steuererklärungen ein. Dies deutete das Finanzamt als Antrag auf Änderung der Bescheide. Am 05.07.2018 lehnte es die Änderung mit der Begründung ab, dass der Antrag und die Steuerklärungen verspätet eingegangen seien.

Im Einspruchsverfahren gegen diese Ablehnung machte der Kläger geltend, dass Schätzungsbescheide regelmäßig unter VdN ergingen. Da das Finanzamt in seinem Fall abweichend verfahren sei, hätte es im Bescheid gesondert darauf hinweisen müssen. Die übliche Rechtsbehelfsbelehrung genüge dann nicht. Das Finanzamt hat die Einsprüche als unbegründet zurückgewiesen. Es habe keine Verpflichtung bestanden, die Schätzungsbescheide unter dem VdN zu erlassen. Die Rechtsbehelfsfrist sei auch nicht wegen einer unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung verlängert gewesen (§ 356 Abs. 2 Satz 1 AO).

Ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung 

Das FG hat die Rechtsauffassung des Finanzamtes bestätigt. Es hat entschieden, dass eine Änderung der Steuerbescheide nach den Korrekturvorschriften der Abgabenordnung ausscheidet und die Rechtsbehelfsbelehrung in den Bescheiden zutreffend erfolgt ist. Eine Änderung nach § 164 Abs. 2 AO scheide aus, weil den Steuerfestsetzungen kein VdN beigefügt gewesen sei. Das gelte auch dann, wenn eine solche Beifügung sachgerecht sein sollte. Eine sogenannte "schlichte Änderung" nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO komme ebenfalls nicht in Betracht, da der Änderungsantrag nicht innerhalb der einmonatigen Rechtsbehelfsfrist gestellt worden sei.

Die Rechtsbehelfsbelehrung sei ordnungsgemäß erfolgt. Es reiche nach der ständigen finanzgerichtlichen Rechtsprechung aus, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung die in § 356 Abs. 1 AO geforderten Angaben enthalte. Da dies hier der Fall sei, komme die Jahresfrist des § 356 Abs. 2 AO nicht zur Anwendung.

Keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand 

War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm nach § 110 Abs. 1 AO auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das FG hat eine Wiedereinsetzung vorliegend zutreffend mit der Begründung verneint, dass der Kläger, dem als Jurist ein besonderes rechtliches Verständnis unterstellt werden könne, bei sorgfältiger Lektüre der Schätzungsbescheide unproblematisch hätte erkennen können, dass er zur Vermeidung der formellen Bestandskraft der Steuerbescheide entweder innerhalb der Monatsfrist Einspruch einlegen oder einen Änderungsantrag hätte stellen müssen.

FG Bremen Urteil vom 19.09.2019 - 1 K 20/19 (3)

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