Erbauseinandersetzung  bei Nachlassspaltung

Setzen sich die Miterben im Fall der zivilrechtlichen Nachlassspaltung unter Einbeziehung aller personengleichen Erbengemeinschaften in einem einheitlichen Vorgang in der Weise auseinander, dass sie sämtliche Nachlassgegenstände gleichzeitig vollständig unter sich verteilen, ist auch für die ertragsteuerliche Beurteilung, ob insgesamt eine neutrale Realteilung oder ob teilweise Anschaffungs- und Veräußerungsvorgänge anzunehmen sind, auf diesen einheitlichen Vorgang und auf den gesamten Nachlass abzustellen.

Hintergrund:  Teilweise entgeltlicher Erwerb oder steuerneutrale Realteilung

Die Entscheidung befasst sich mit der Frage, ob ein teilweise entgeltlicher Erwerb im Rahmen einer späteren Erbauseinandersetzung von 2 personengleichen Erbengemeinschaften vorliegt, wenn ein bisheriger Miterbe das Alleineigentum an einem Gebäude erhält und die nach dem Erbfall für eine Modernisierung aufgenommenen Darlehensschulden übernimmt, und welche Bedeutung in diesem Fall der sog. Nachlassspaltung zukommt, wenn sich das Grundstück  im Gebiet der ehemaligen DDR befindet und der Erbfall vor der Wiedervereinigung Deutschlands eingetreten ist.

Zwei personengleiche Erbengemeinschaften

Kläger sind K und seine Ehefrau. K ist zusammen mit seiner Mutter und seinen 3 Schwestern (A, B und C) Erbe nach seinem im Mai 1990 verstorbenen Vater, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hatte. Zum Nachlass gehörten

  • 3 in den "alten" Bundesländern gelegene Grundstücke (X, Y und Z) und
  • ein, im Zeitpunkt des Erbfalls auf dem Gebiet der ehemaligen DDR gelegenes, mit einem Mehrfamilienhaus bebautes, Grundstück (W).

Erbengemeinschaft 1 (alte Bundesländer): Nach dem Inhalt des gemeinschaftlichen Erbscheins wurde der Erblasser von der Mutter des K zu 1/2 sowie von K und seinen 3 Schwestern zu 1/8 jeweils beerbt.

Erbengemeinschaft 2 (neue Bundesländer): Hinsichtlich des in der ehemaligen DDR gelegenen Grundstücks W wurde der Erblasser von der Mutter des K zu 1/4 und von K und seinen 3 Schwestern zu 3/16 jeweils beerbt.

Nießbraucherin nahm Darlehen auf

Der Mutter des K war an den 4 Grundstücken ein Nießbrauch eingeräumt. Im Zusammenhang mit der Modernisierung des Gebäudes auf dem Grundstück W nahm sie als Darlehensnehmerin in den Jahren 1998 bis 2002 4 Darlehen in Höhe von insgesamt 256.000 EUR auf.

K erhielt im Rahmen der Erbauseinandersetzung das Grundstück W und das Grundstück X

Mit notariellem Vertrag vom 6.10.2008 setzte sich die Erbengemeinschaft auseinander. Die für das Grundstück W aufgenommenen Darlehensverbindlichkeiten valutierten zu dieser Zeit noch in Höhe von insgesamt 231.077,14 EUR. K erhielt das Grundstück W zu Alleineigentum. Im Gegenzug übernahm er 2 der 4 Darlehensverträge seiner Mutter sofort und verpflichtete sich, seine Mutter von den Darlehenszahlungen der beiden anderen Darlehensverträge freizustellen und diese Verträge zu einem späteren Zeitpunkt ebenfalls zu übernehmen.

K erhielt außerdem das lastenfreie Grundstück X zu Alleineigentum übertragen und verpflichtete sich im Gegenzug, seiner Schwester C eine Abfindung in Höhe von 20.000 EUR zu zahlen. Das Grundstück Y wurde seiner Mutter und seiner Schwester A übertragen; die im Grundbuch für das Grundstück verzeichneten Darlehensverbindlichkeiten in Höhe von 52.305 EUR übernahmen diese gemeinsam. A verpflichtete sich zu einer Ausgleichszahlung an ihre Schwester B in Höhe von 50.000 EUR. Die Mutter erhielt weiterhin das Grundstück Z zu Alleineigentum. Die Kosten der Auseinandersetzungsvereinbarung und ihrer Durchführung trug K.

Finanzamt lehnt AfA für das Grundstück W ab – das FG berücksichtigt dagegen eine AfA

Für das Streitjahr 2012 machten die Kläger bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung als Werbungskosten für das bebaute Grundstück W AfA in Höhe von 4.883 EUR geltend. Das Finanzamt berücksichtigte die AfA nicht. Das FG akzeptierte dagegen eine AfA von 3.967,63 EUR als Werbungskosten.

Entscheidung: Revision des Finanzamts ist begründet

Die Revision ist begründet. Der BFH hat das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Zwar hat das FG im Ausgangspunkt eine zivilrechtliche Nachlassspaltung zu Recht angenommen. Für die ertragsteuerliche Beurteilung der Auseinandersetzung zwischen den Miterben kommt es darauf jedoch nicht an. Zu Unrecht hat das FG deshalb nicht geprüft, in welcher Weise die Miterben die Erbengemeinschaften insgesamt auseinandergesetzt haben.

Zivilrechtlich richtet sich die Erbfolge grundsätzlich nach den Vorschriften des BGB. Für die erbrechtlichen Verhältnisse des in der ehemaligen DDR gelegenen Grundstücks W ist hingegen noch das Zivilgesetzbuch der DDR (ZGB-DDR) maßgebend. Neben der Erbengemeinschaft, zu welcher der in den alten Bundesländern belegene Nachlass gehörte, bestand damit eine personengleiche weitere Erbengemeinschaft, die gemäß § 400 Abs. 1 ZGB-DDR das Gesamteigentum an dem Grundstück W in der ehemaligen DDR innehatte.

Getrennte Auseinandersetzung jeder Erbengemeinschaft oder einheitliche Auseinandersetzung möglich

Zu Unrecht hat das FG angenommen, die Nachlassspaltung sei ohne Weiteres auch der ertragsteuerlichen Beurteilung der Erbauseinandersetzung zugrunde zu legen. Eine so weitgehende Bindung an das Zivilrecht besteht indes nicht. Den Miterben steht es vielmehr frei, ob sie die Nachlassspaltung bei der Auseinandersetzung ihrer Gemeinschaften beachten. Sie können der zivilrechtlichen Nachlassspaltung folgen und jede Erbengemeinschaft getrennt auseinandersetzen. Dann kommt es für die ertragsteuerliche Beurteilung auf die jeweilige Auseinandersetzung an.

Die Miterben können sich aber auch unter Einbeziehung beider bzw. aller Erbengemeinschaften in einem einheitlichen Vorgang in der Weise auseinandersetzen, dass sie sämtliche Nachlassgegenstände gleichzeitig vollständig unter sich verteilen. Ist dies - wie vorliegend - der Fall, so ist aber auch für die ertragsteuerliche Beurteilung, ob insgesamt eine neutrale Realteilung oder ob teilweise Anschaffungs- und Veräußerungsvorgänge anzunehmen sind, auf diesen einheitlichen Vorgang und auf den gesamten Nachlass abzustellen.

Hinweis: FG muss im zweiten Rechtsgang Feststellungen nachholen

Von seinem Standpunkt aus zu Recht hat das FG bisher nicht vollständig festgestellt, wie sich die Miterben im Zuge der Auflösung der beiden Erbengemeinschaften auseinandergesetzt haben. Dies wird es im zweiten Rechtsgang nachholen müssen, um abschließend beurteilen zu können, inwieweit und ggf. bezüglich welcher Objekte dabei Anschaffungs- und Veräußerungsvorgänge verwirklicht worden sind.

BFH Urteil vom 10.10.2018 - IX R 1/17 (veröffentlicht am 30.01.2019)

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