Aktuelle Rechtsprechung zum Arbeitszimmer

Auch nach Ergehen des BMF-Schreibens vom 6.10.2017 (Haufe Index 11277811) bleibt das Thema "Arbeitszimmer" ein Dauerbrenner. Im Folgenden wird die wichtigste aktuelle Rechtsprechung hierzu erläutert.

1. Keine "Erforderlichkeit" des häuslichen Arbeitszimmers

Nach einer überraschenden Entscheidung des BFH (Urteil v. 8.3.2017, IX R 52/14, Haufe Index 10865433) setzt der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers zwar weiter voraus, dass der jeweilige Raum ausschließlich oder nahezu ausschließlich für betriebliche/berufliche Zwecke genutzt wird. Unerheblich ist nach Auffassung des BFH jedoch, ob ein häusliches Arbeitszimmer für die Tätigkeit erforderlich ist. Für die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen genügt die Veranlassung durch die Einkünfteerzielung.

Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist die Absetzbarkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer auf 2 Fallgruppen begrenzt, nämlich "kein anderer Arbeitsplatz" und "Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung". Ein zusätzliches ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der "Erforderlichkeit" ergibt sich nach der neueren Auffassung des BFH weder aus dem Gesetzestext noch aus der Gesetzesbegründung. 

Der IV. Senat des BFH hatte mit Urteil vom 27.9.1996 (VI R 47/96, Haufe Index 66027) noch entschieden, dass die Aufwendungen nur dann steuerlich absetzbar sind, wenn das häusliche Arbeitszimmer für die Erwerbstätigkeit erforderlich ist. 

Warum die neue und für die Steuerzahler positive Sichtweise des BFH nicht in das BMF-Schreiben vom 6.10.2017 (Haufe Index 11277811, zur Kommentierung) aufgenommen wurde, ist nicht zu verstehen.

2. Außerhäusliches Arbeitszimmer bei hälftigem Miteigentum beider Ehegatten

Nutzt ein Miteigentümer allein eine im gemeinsamen Eigentum von Eheleuten stehende Wohnung zu beruflichen Zwecken, kann er AfA und Schuldzinsen nur entsprechend seinem Miteigentumsanteil als Werbungskosten geltend machen, wenn die Darlehen zum Erwerb der Wohnung gemeinsam aufgenommen wurden und Zinsen und Tilgung von einem gemeinsamen Konto beglichen werden.

Vom BFH entschiedener Fall:

In den Streitjahren (2007 und 2008) waren die Kläger (Eheleute) nichtselbstständig tätig. 2007 bezogen sie eine im gemeinsamen Eigentum stehende Wohnung in einem Mehrfamilienhaus. Im selben Haus, jedoch auf einer anderen Etage und räumlich nicht mit der selbstgenutzten Wohnung verbunden, erwarben sie eine weitere – kleinere – ebenfalls im hälftigen Miteigentum der Ehegatten stehende Wohnung, die von der Klägerin ausschließlich beruflich genutzt wurde. Die Darlehen zum Erwerb dieser Wohnung nahmen die Kläger gemeinsam auf; die Zinsen und die Tilgung sowie die laufenden Kosten beglichen sie von einem gemeinsamen Konto. In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre begehrte die Klägerin die Berücksichtigung der gesamten Kosten für die Arbeitswohnung als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit. Das FA berücksichtigte die sog. nutzungsorientierten Aufwendungen (Energiekosten, Wasser) in voller Höhe. Die sog. grundstücksorientierten Aufwendungen (insbesondere AfA und Schuldzinsen) erkannte das FA lediglich i. H. v. 50 % entsprechend dem Miteigentumsanteil der Klägerin an.

Das FG hatte die von der Klägerin beruflich genutzte Wohnung in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise dem Typus des "Arbeitszimmers" zugeordnet. Die Klägerin hatte die Wohnung ausschließlich für ihre berufliche Tätigkeit genutzt. Auch die Einordnung als außerhäusliches Arbeitszimmer war revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Damit unterfallen die Aufwendungen der Klägerin nicht der Abzugsbeschränkung nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG.

BFH bestätigt Finanzamt

Die vom FA vorgenommenen Kürzungen der geltend gemachten Aufwendungen (insbesondere AfA und Schuldzinsen) begegnen nach Auffassung des BFH (Urteil v. 6.12.2017, VI R 41/15) keinen rechtlichen Bedenken. Sie sind nicht der Abzugsbeschränkung, sondern dem Umstand geschuldet, dass die Klägerin die grundstücksorientierten Aufwendungen für die streitbefangene Wohnung lediglich in Höhe ihres Miteigentumsanteils von 50 % getragen hat. Die gemeinsam getragenen laufenden Aufwendungen für eine solche Wohnung, soweit sie grundstücksorientiert sind (z. B. Schuldzinsen auf den Anschaffungskredit, Grundsteuern, allgemeine Reparaturkosten, Versicherungsprämien und ähnliche Kosten sind nur entsprechend den Miteigentumsanteilen als Werbungskosten abziehbar. Denn die anteilig auf einen Ehegatten entfallenden und von diesem getragenen Aufwendungen mindern nicht die Leistungsfähigkeit des anderen. Sie werden vielmehr im eigenen Interesse auf den eigenen Miteigentumsanteil geleistet.

Praxis-Tipp: 2 Gestaltungsmöglichkeiten

Um sich den vollen Werbungskostenabzug zu sichern, bieten sich 2 Gestaltungsmöglichkeiten an:

  • Die als außerhäusliches Arbeitszimmer genutzte Wohnung wird nur von dem Ehegatten erworben der die Wohnung nutzt.
  • Das außerhäusliche Arbeitszimmer wird von beiden Ehegatten gemeinsam für berufliche Zwecke genutzt.

3. Häusliches Arbeitszimmer einer Stewardess

Das FG Düsseldorf (Urteil v. 4.5.2017, 8 K 329/15 E, Haufe Index 11449153) entschieden, dass eine Stewardess die Kosten eines häuslichen Arbeitszimmers auch dann nicht als Werbungskosten geltend machen kann, wenn sie sich in dem Arbeitszimmer auf ihre berufliche Tätigkeit vorbereitet (s. auch Praxis-Tipp v. 14.2.2018).

Im Streitfall hatten die Ermittlungen des FA ergeben, dass die Klägerin nur insgesamt 51 Stunden im Jahr in ihrem häuslichen Arbeitszimmer gearbeitet hat. Im Verhältnis zu ihrer Gesamtarbeitszeit waren dies weniger als 3,1 %. 96,9 % ihrer Arbeit verrichtete sie an ihrer regelmäßigen Arbeitsstätte im Flugzeug und der ebenfalls vergüteten Zeit vor und nach dem Flug im Flughafen. Nach Auffassung des FG musste die Klägerin für Arbeiten in diesem geringen Umfang kein Arbeitszimmer vorhalten. Die vom FG zugelassene Revision wurde eingelegt und wird beim BFH unter dem Az. VI R 46/17 geführt.

In einem weiteren Urteil hat das FG Düsseldorf (Urteil v. 24.4.2017, 8 K 1262/15 E, Haufe Index 10869128) den Abzug der Kosten für ein Arbeitszimmer einer Flugbegleiterin wegen des geringen Umfangs der Bürotätigkeiten abgelehnt.

Hinweis: BFH-Entscheidung zur "Erforderlichkeit" noch nicht berücksichtigt

Es ist davon auszugehen, dass dem FG Düsseldorf die positive Entscheidung des BFH zur "Erforderlichkeit" v. 8.3.2017 (s. o.) noch nicht bekannt war, da diese erst am 7.6.2017 veröffentlicht wurde. Da die Revision gegen das Urteil vom 4.5.2017 bei dem VI. Senat des BFH anhängig ist (VI R 46/17 ) bleibt abzuwarten, ob dieser die Auffassung des IX. Senates bestätigt.

4. Kosten einer Ärztin für einen häuslichen Behandlungsraum

Das FG Münster hat entschieden (Urteil v. 14.7.2017, 6 K 2606/15 F, Haufe Index 11364993), dass die Kosten für einen für Notfälle eingerichteten Behandlungsraum im privaten Wohnhaus einer Ärztin dem Abzugsverbot für ein häusliches Arbeitszimmer unterliegen.

Die Klägerin war als Augenärztin an einer Gemeinschaftspraxis beteiligt. Zur Behandlung von Notfällen hatte sie im Keller ihres privaten Wohnhauses einen Raum mit Klappliege, Sehtafel, Medizinschrank, mehreren Stühlen und medizinischen Hilfsmitteln eingerichtet. Einen gesonderten Zugang hat dieser Raum nicht; er ist nur vom Flur des Wohnhauses aus erreichbar. Die Klägerin machte die Aufwendungen für den Behandlungsraum als Sonderbetriebsausgaben im Rahmen der Feststellungserklärung der Gemeinschaftspraxis geltend. Das Finanzamt erkannte diese Aufwendungen nicht an, weil der Raum ein häusliches Arbeitszimmer darstelle.

Kein betriebsstättenähnlicher Raum 

Das Gericht wies die Klage ab. Die anteiligen Aufwendungen für den Behandlungsraum seien zwar betrieblich veranlasst, unterlägen jedoch dem Abzugsverbot für häusliche Arbeitszimmer. Eine ärztliche Notfallpraxis, die als betriebsstättenähnlicher Raum einzuordnen wäre, läge nicht vor, weil die Räumlichkeiten nicht über einen separaten Eingang verfügen. Vielmehr müssten die Patienten die privaten Räumlichkeiten der Klägerin durchqueren. Auf das Merkmal der leichten Zugänglichkeit sei auch nicht deshalb zu verzichten, weil der Raum nicht wie ein typisches Arbeitszimmer büromäßig eingerichtet sei. Durch die Einbindung in die Sphäre der Lebensführung könne eine private Mitbenutzung nicht ausgeschlossen werden. Da der Klägerin in den Räumlichkeiten der Gemeinschaftspraxis unstreitig Behandlungsräume zur Verfügung standen, seien die Aufwendungen auch nicht begrenzt abzugsfähig (Rev. eingelegt, Az beim BFH VIII R 11/17).

5. Geringfügige betriebliche Nutzung eines Arbeitszimmers

Das FG Rheinland-Pfalz (Urteil v. 25.1.2018, 6 K 2234/17, Haufe Index 11538373) hat entschieden, dass Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer bei nur geringfügiger beruflicher Nutzung steuerlich nicht abzugsfähig sind.

In dem Urteilsfall erzielte die Klägerin gewerbliche Einkünfte durch den Betrieb einer Photovoltaikanlage. Sie begehrte den steuerlichen Abzug eines häuslichen Arbeitszimmers. Das FG Rheinland-Pfalz stellte fest, dass das Arbeitszimmer allenfalls wenige Stunden pro Jahr für betriebliche Zwecke und im Übrigen entweder privat oder gar nicht genutzt worden sei. Ein Betriebsausgabenabzug kam nach Auffassung des FG wegen der nicht nachgewiesenen ausschließlichen betrieblichen Nutzung des Arbeitszimmers nicht infrage.

6. Buchwert eines Arbeitszimmers bei Betriebsaufgabe

Der BFH muss die Frage klären, ob bei Ermittlung des Gewinns aus der Aufgabe einer freiberuflichen Tätigkeit der Buchwert eines im Betriebsvermögen befindlichen häuslichen Arbeitszimmers auch insoweit um die bis zur Betriebsaufgabe angefallenen AfA-Beträge zu erhöhen ist, als diese wegen der Abzugsbeschränkungen des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG zu keiner Minderung des laufenden Gewinns geführt hatten (VIII R 15/17).

In der Vorinstanz hatte das Hessische FG (Urteil v. 1.2.2017, 12 K 1282/15) auch die bis zum Zeitpunkt der Betriebsaufgabe angefallenen AfA-Beträge dem Buchwert des häuslichen Arbeitszimmers zugerechnet die wegen der Abzugsbeschränkungen des § Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG zu keiner Minderung der laufenden Gewinne geführt hatten. Obwohl das FG die Revision nicht zugelassen hatte, hat der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH eingelegt und damit Erfolg gehabt.