Die nach den Feststellungen des BGH in dem vorliegenden Urt. recht eingeschränkten Rechtsschutzmöglichkeiten des Betroffenen gegen negative Bonitätsbeurteilungen in Wirtschaftsauskünften werfen die zunehmend diskutierte Frage auf, ob damit auch eine Weichenstellung für die Tätigkeit von Ratingagenturen vorliegt.

1. Mit der Einordnung der Bonitätsbeurteilung als Meinungsäußerung, die Ansprüche aus § 824 BGB ausschließt und der Verneinung von Schadensersatzansprüchen wegen eines rechtswidrigen und schuldhaften Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb bei zutreffender, der Bonitätsbeurteilung zu Grunde liegender Tatsachengrundlage scheint bei vergleichbarer Methodik der Ratingagentur zur Umschreibung des Kreditrisikos eine Rechtsschutzmöglichkeit nicht gegeben zu sein. Das Credit Rating als Methode der Feststellung der Bonität eines Schuldners (vgl. Peters, Die Haftung und Regulierung von Rating-Agenturen, S. 21) ist von zunehmend großer wirtschaftlicher Bedeutung geworden. Banken und Versicherungen müssen Ratings von anerkannten Ratingagenturen für die Auswahl und Bewertung der Kreditrisiken zu Grunde legen (vgl. von Schweinitz, WM 2008, 953; vgl. auch Grüntker/Kühn, Kreditwesen 2007, 716). Erweitert wurde der Bedarf an der Entwicklung externer Ratings durch die Marktregulierung nach Basel II. Das aufsichtsrechtlich erforderliche Eigenkapital einer Bank, das anhand der Kreditrisiken ihrer Aktiva zu bemessen ist, konnte entweder unter Zugrundlegung von externen Ratings bewertet werden oder durch die Bemessung an einem internen Ratingsystem (vgl. Grüntker/Kühn, a.a.O.). Da jedoch 80 % aller Kapitalströme von Ratings beeinflusst werden (vgl. die Schätzung von Hrubesch/Witte, ZIP 2004, 1346) ist der Einfluss von Ratingagenturen überragend.

2. Große Marktbedeutung haben allein die amerikanischen Ratingagenturen Standard & Poor's (SP), Moody's Investor Services (Moody's) und Fitch, die inzwischen auch in Deutschland Agenturen gegründet haben. Verbindlichkeiten i.H.v. zwei Billionen US$ unterliegen ihrer Einschätzung. Moody's analysiert inzwischen Geld- und Kapitalmarktprodukte in 100 Staaten, 12.000 Unternehmen, 29.000 Körperschaften und bearbeitet 96.000 strukturierte Finanzierungsinstrumente (vgl. Mühl, Haftung für fehlerhafte Ratings, S. 21); S & P veröffentlichte im Jahr 2008 1.150.000 Ratings (vgl. Mühl, a.a.O.). Ratings können sich auf Unternehmen, Branchen und Länder beziehen, wobei die Beurteilungskriterien an sog. hard facts wie Eigenkapitalausstattung, Verschuldensgrad und Überschuss an liquiden Mitteln (cash flow) sowie soft facts wie die Leistungsfähigkeit des Managements, die Qualität der Produktpalette und die Branchensituation anknüpfen (vgl. Mühl, a.a.O. S. 31 Rn 40; Däubler, BB 2003, 429).

3. Den Ratingagenturen sind schon vor der Finanzmarktkrise 2008 Fehlbeurteilungen vorgeworfen worden. Geminderte Bonitätseinschätzungen führten dazu, dass sowohl die Refinanzierung wie das Standing am Markt schwieriger und teurer wurden (vgl. Strunz-Happe, WM 2004, 115; Däubler, NJW 2003, 1096). Verschlechterte Ratings führten zu der Aufnahme neuen Kapitals, Versuchen, die Herabstufung rückgängig zu machen und auch zu dem Verlust von Geschäften (vgl. Strunz-Happe, a.a.O.). Mit der Finanzmarktkrise hat die Kritik an Ratingagenturen eine neue Begründung erfahren. Die Ratingagenturen hatten im Jahre 2008 weder die Insolvenz der Investmentbank Lehman Brothers prognostiziert noch bei der Bewertung den Verfall der amerikanischen Immobilienpreise und der nicht ausreichend gesicherten subprime Hypothekenkredite und der sie verbriefenden Wertpapiere vorhergesehen (vgl. Deipenbrock, WM 2009, 1165). Heftige Kritik an Niveau, Methodik und Kompetenz der Ratingagenturen ist von den Nobelpreisträgern der Wirtschaftswissenschaften Krugmann und Stiglitz geäußert worden, die das System der Agenturen als zutiefst ,korrupt‘ und ,inkompetent‘ bezeichnet haben (zitiert nach Wieczorek, ,Euroland – wo unser Geld verbrennt‘, S. 57 u. 60). Vor allem das gebräuchliche System der Einstufung von Staatsanleihen nach Moody's wird heftig kritisiert (vgl. Straubhaar, in: Spiegel Online v. 5.5.2010 URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/0,1518,692607,00.html; Wieczorek, a.a.O., S. 56–60, 153 f.).

Die Bedeutung der Ratingeinstufung ergibt sich aus der folgenden Übersicht:

 
Aa

höchste Qualität

minimales Kreditrisiko
Aa

hohe Qualität

sehr geringes Kreditrisiko
A

obere Mittelklasse

geringes Kreditrisiko
Baa

mittlere Qualität

moderates Kreditrisiko
Ba

spekulative Elemente

erhebliches Kreditrisiko
B

spekulativ

hohes Kreditrisiko
Caa

geringe Qualität

sehr hohes Kreditrisiko
Ca

hochgradig spekulativ

möglicher Zahlungsausfall
C

niedrigste Qualität

Zahlungsausfall wahrscheinlich

4. Ratings können Unternehmen wie Länder wie ein ,Gottesurteil‘ treffen (vgl. Strunz-Happe, a.a.O.), was bei zutreffender Kritik an der Qualität der Arbeit der Ratingagenturen die Frage nach dem Rechtsschutz aufwirft. Zur Haftungsfrage von Ratingagenturen in Deutsc...

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