Die Parteien streiten um die Erstattung von Beerdigungskosten. Sie sind Geschwister. Ihr Vater verstarb am 11.3.2020 und wurde auf dem Friedhof in S. am 20.3.2020 bestattet. Der Kläger/Berufungskläger bezahlte die Beerdigung und verlangt nun von seiner Schwester die hälftige Bezahlung (vgl. Schreiben des Klägers vom 2.5.2020 unter Fristsetzung bis 22.5.2020, Bl. 10 der erstinstanzlichen Akte). Auch ein Anwaltsschreiben vom 2.7.2020 unter Fristsetzung bis 16.7.2020 bezahlte die Beklagte nicht.

Beide Geschwister haben die Erbschaft ausgeschlagen.

Das AG Schwäbisch Hall hat mit Urt. v. 3.12.2021 der Klage teilweise stattgegeben. Es hält den Anspruch dem Grunde nach aus Geschäftsführung ohne Auftrag für berechtigt, aber nicht im geltend gemachten Umfang. Den von den Sozialhilfebehörden übernahmefähigen Höchstbetrag hat es durch eigene Recherche mit 1.481,00 EUR ermittelt. In Höhe der Hälfte dieses Betrags, nämlich 740,50 EUR hatte die Klage Erfolg.

Mit der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung verlangt der Kläger weiterhin die Kosten für eine einfache Bestattung und nicht nur für ein Sozialbegräbnis. Während er in erster Instanz noch 2.010, 25 EUR verlangte (Aufstellung der Kosten vgl. Bl. 11–16 der erstinstanzlichen Akte), reduzierte er den Antrag im Berufungsverfahren auf 1.763,45 EUR, indem er die Kosten für die Schmuckurne und die Traueranzeige nicht mehr geltend macht.

Der Kläger beantragt deshalb:

Das Urteil des AG Schwäbisch Hall, Az. 5 C 182/21, wird abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.763,45 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem gesetzlich festgesetzten Basiszins seit dem 23.5.2020 zu bezahlen. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die außergerichtlich entstandenen, nicht festsetzbaren Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 280,60 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem gesetzlich festgesetzten Basiszinssatz seit dem 17.7.2020 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und weist im Übrigen auf ihre mangelnde Leistungsfähigkeit hin.

Der Kläger hat die Klage ursprünglich beim AG Esslingen erhoben. Von dort ist sie an das zuständige AG Schwäbisch Hall verwiesen worden. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils sowie auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig und auch begründet. Der Kläger kann von der Beklagten Erstattung von Aufwendungen für die Beerdigung des gemeinsamen Vaters in Höhe des in zweiter Instanz geltend gemachten Betrags verlangen.

1.

Die Anspruchsgrundlage hat das AG Schwäbisch Hall zutreffend mit §§ 677, 683, 679, 670 BGB benannt. Zudem besteht auch ein Anspruch aus Innenausgleich von Gesamtschuldnern.

Das Bestattungsrecht und damit auch die Bestattungspflicht treffen im Grundsatz die nächsten Angehörigen. Die Reihenfolge der Bestattungspflichtigen richtet sich nach §§ 31 Abs. 1, 21 Abs. 1, Abs. 3 Bestattungsgesetz Baden-Württemberg (BestattG BW). Danach sind die Parteien als erwachsene Kinder des geschiedenen Erblassers gleichermaßen bestattungspflichtig. Ein Kostenerstattungsanspruch gegen den Erben nach § 1968 BGB scheidet für den Kläger aus, denn beide Parteien haben das Erbe ausgeschlagen. Der Nachlass ist zudem vermögenslos. Der Kläger hat damit ein eigenes und zugleich ein Geschäft seiner Schwester (auch fremdes Geschäft) geführt, als er die Beerdigung ausgerichtet hat. Dass die Beklagte möglicherweise nicht einverstanden war, ist unerheblich, da die Bestattungspflicht eine öffentlich-rechtliche Pflicht ist. An der unverzüglich (§ 37 BestattG BW) erfolgenden Bestattung des Verstorbenen bestand ein dringendes öffentliches Interesse. Hätte der Kläger nicht unternommen, hätte die Bestattungsbehörde die Beerdigung durchgeführt und die Bestattungspflichtigen als Gesamtschuldner zur Kostenerstattung nach § 31 Abs. 2 BestattG BW herangezogen (vgl. dazu VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 15.11.2007 – 1 S 1471/07, juris Rn 24–26; LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 9.7.2020 – L 7 SO 915/19, juris Rn 30; vgl. auch VG Augsburg, Gerichtsbescheid v. 14.4.2020 – Au 7 K 19.1854, juris Rn 47 ff.). Schon daraus wird deutlich, dass ein besonderes öffentliches Interesse an der Bestattung des Vaters des Kläger bestand und deshalb ein eventuell entgegenstehender Wille der Beklagten unbeachtlich ist.

Damit kann der Kläger als berechtigter Geschäftsführer ohne Auftrag Ersatz der Aufwendungen verlangen, die er zur Beisetzung des Verstorbenen für erforderlich halten durfte. Da sowohl der Verstorbene als auch die bestattungspflichtigen Kinder in einfachen Verhältnissen lebten bzw. leben, beschränken sich die erforderlichen Kosten auf die Ausgaben, die üblicherweise für eine würdige, den örtlichen Gepflogenheiten entsprechende, einfach Beerdigung ("Sozialbestattung") erforderlich sind. Nicht erstattungsfähig wären dagegen etwaige weitergehende Aufwendungen für eine stan...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge