Das Nachlassgericht hätte in ein Beweisverfahren eintreten und das Ergebnis der Ermittlung abwarten und im Rahmen der Auslegung werten müssen. Inhaltlich gibt das handschriftliche Testament, gerade unter Berücksichtigung der Andeutungstheorie,[6] jedes der drei genannten Ergebnisse her.

Der hier zunächst erteilte gemeinschaftliche Erbschein mit der schwer nachvollziehbaren Erläuterung, dass die Ehefrau den gesamten Nachlass mit Ausnahme von Haus und Bankguthaben erbt, welches der Sohn erhält, ist in mehrfacher Hinsicht falsch.[7] Zunächst ist ein solcher Erbschein nicht beantragt. Ein Erbschein kann nur erstellt werden, wenn er beantragt ist. Für das Nachlassgericht gibt es ausschließlich die Möglichkeiten der positiven Bescheidung des beantragten Erbscheins oder seiner Zurückweisung. Ist das Nachlassgericht der Ansicht, dass ein Erbscheinsantrag nicht positiv beschieden werden kann (§ 352e FamFG), indes korrekturfähig ist, sollte es dem Antragsteller Gelegenheit zur Korrektur bzw. andernfalls zur Rücknahme des Antrags geben.

Es ist dem vom OLG geschilderten Sachverhalt nicht zuverlässig zu entnehmen, ob der Erbscheinsantrag des Sohns wirksam war. Ein Erbscheinsantrag hat den Anforderungen des § 352 FamFG zu genügen. Sollte der Sohn beantragt haben, ihn als "Erben hinsichtlich des Hauses und der Guthaben auf den Sparkonten" zu bescheinigen, wäre dies unter Berücksichtigung der Universalsukzession nach § 1922 BGB bereits inhaltlich unzulässig.

Das verfahrensrechtliche Problem der Bescheidung eines nicht beantragten Erbscheins wiederholt sich, nachdem das Nachlassgericht den unrichtigen ersten Erbschein eingezogen hat und einen zweiten Erbschein mit Erbquoten je zur Hälfte erließ.

Aus Sicht des Nachlassgerichts wäre es angebracht gewesen, nach einer Beweisaufnahme, die wegen der beschriebenen Unschärfe des privatschriftlichen Testaments verschiedene Ergebnisse begründen könnte, das Schreiben vom 17.11 zu würdigen. Demnach teilten Ehefrau und Sohn dem Nachlassgericht mit, dass der Erbscheinsantrag der Ehefrau nicht mehr verfolgt werden solle und stattdessen der Antrag des Sohns maßgeblich sei. Hier wäre ein pragmatischer Ausweg aus der Mehrdeutigkeit des Testaments denkbar gewesen.[8]

[7] Vgl. zur "Erbeinsetzung auf Einzelgegenstände" auch: Zimmermann, ZErb 2024, 41.
[8] Vgl. auch OLG Celle, Rn 29.

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