Leitsatz

Ein einzelner Eigentümer kann die Abberufung des Verwalters nicht schon deshalb verlangen, weil ein wichtiger Grund im Sinne von § 26 Abs. 1 Satz 3 und 4 WEG hierfür besteht. Den Eigentümern steht insoweit ein Beurteilungsspielraum zu, der erst dann überschritten ist, wenn die Ablehnung der Abberufung aus objektiver Sicht nicht vertretbar erscheint. Bei der Festsetzung des Streitwerts einer auf Abberufung des Verwalters gerichteten Verpflichtungsklage ist im Regelfall das Gesamtinteresse nach dem in der restlichen Vertragslaufzeit anfallenden Verwalterhonorar und das Interesse des klagenden Eigentümers nach seinem Anteil hieran zu bemessen.

 

Fakten:

Einer der Wohnungseigentümer forderte die übrigen Eigentümer erfolglos auf, der Einberufung einer außerordentlichen Eigentümerversammlung zuzustimmen. Auf der Versammlung sollte die vorzeitige Abberufung des Verwalters beschlossen werden. Der Eigentümer erhob entsprechende Klage. Der Antrag auf Abberufung des Verwalters wurde mit dem mangelhaften Führen der Beschlusssammlung begründet. Im Einzelnen hatte der Verwalter Eintragungen mit einer Verzögerung von sechs Wochen vorgenommen. Darüber hinaus fehlten Eintragungsvermerke, weshalb weder der Zeitpunkt noch die Urheberschaft von Eintragungen dokumentiert wurden. Auch fehlte die fortlaufende Nummerierung. So war die Vollständigkeit nicht überprüfbar. Zudem war ein Negativbeschluss nicht aufgenommen, Urteilsformeln wurden nicht übertragen. Die Klage blieb dennoch erfolglos.

Zwar stellt das fehlerhafte Führen der Beschlusssammlung gemäß § 26 Abs. 1 Satz 4 WEG regelmäßig einen wichtigen Grund zur Abberufung des Verwalters dar. Dennoch konnte der Eigentümer die Abberufung des Verwalters nicht verlangen. Denn das fehlerhafte Führen der Beschlusssammlung führt nicht zwingend dazu, dass ein einzelner Eigentümer gegen den Willen der Mehrheit die Abberufung des Verwalters durch das Gericht erreichen kann. Das Gericht muss jedenfalls einerseits die Entscheidung der Mehrheit in vertretbarem Rahmen respektieren, andererseits aber auch der Minderheit Schutz bieten. Gerade wenn der Abberufungsgrund auf Mängeln in der Führung der Beschluss-Sammlung liegt, können die übrigen Eigentümer nachvollziehbare Motive dafür haben, von der Abberufung Abstand zu nehmen. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn sie einen solchen Schritt im Hinblick auf die bisherigen Leistungen des Verwalters nicht für notwendig halten und nach einer Erörterung der Mängel mit der Verwaltung auf eine Besserung in der Zukunft vertrauen. Ist dieser Beurteilungsspielraum allerdings überschritten, weil die Ablehnung der Abberufung aus objektiver Sicht nicht vertretbar erscheint, muss das Gericht im Interesse der Minderheit die Abberufung vornehmen. Das kann erforderlich sein, wenn die Mehrheit aus der Sicht eines vernünftigen Dritten gegen ihre eigenen Interessen handelt, weil sie massive Pflichtverletzungen toleriert. Auch eine Majorisierung durch einen Mehrheitseigentümer kann Anlass für eine kritische Würdigung der Beweggründe sein.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 10.02.2012, V ZR 105/11BGH, Urteil vom 10.2.2012 – , V ZR 105/11

Fazit:

Diese BGH-Entscheidung kommt leider für einige Verwalter zu spät, die unter ähnlichen Voraussetzungen bereits von Instanzgerichten abberufen wurden, die die Revision nicht zugelassen hatten. In der Tat kann es nicht angehen, einen gegebenenfalls über Jahrzehnte tadellos agierenden Verwalter wegen Mängeln bei der Führung der Beschlusssammlung auf Initiative eines oder einiger Querulanten abzuberufen. Die Klarstellung zur Bemessung des Streitwerts kann angesichts der unterschiedlichen Ansätze in der bisherigen Instanzrechtsprechung nur als willkommen bezeichnet werden.

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