Leitsatz

  1. Überwachungskamera auf privatem Grundstück muss nicht das Persönlichkeitsrecht des Grundstücksnachbarn beeinträchtigen
  2. Objektiv ernsthafter Überwachungsverdacht des Nachbarn ist je nach Einzelfall abzuklären
 

Normenkette

§§ 14 Nr. 1, 22 Abs. 1 WEG; § 1004 BGB

 

Kommentar

  1. In einer Reihenhausanlage hatte ein Haus-Wohnungseigentümer gartenseitig in 7 und 9 Metern Höhe 2 Überwachungskameras angebracht. Mit dem Nachbar-Wohnungseigentümer befand er sich seit Langem im Streit, der deshalb auch Ausrichtung einer Kamera auf sein Grundstück und damit Verletzung seines Persönlichkeitsrechts befürchtete. Das Landgericht stellte diesen Persönlichkeitsschutz in den Vordergrund, zumal Eigentumsschutzmaßnahmen etwa durch Bewegungsmelder oder Kameraattrappen erfolgen könnten.
  2. In Bindung an die vom Berufungsgericht zugelassene Revision hob der BGH die landgerichtliche Entscheidung auf, allerdings einleitend mit dem Hinweis, dass Revision mangels Vorliegen eines Zulassungsgrunds nicht geboten gewesen wäre, da das Thema bereits zuvor höchstrichterlich vom BGH geklärt worden sei (vgl. Urteil v. 16.3.2010, VI ZR 176/09, NJW 2010 S. 1533). Insoweit hätten nur die Leitlinien des BGH auf den hier vorliegenden Einzelfall angewendet werden müssen.
  3. Bei der Wertung eines möglichen, ggf. auch hinzunehmenden Nachteils ist vorliegend auch die Vereinbarung in der Teilungserklärung mitzuberücksichtigen, wonach Eigentümer in allen Zweifelsfragen bei der Anwendung des WEG so zu behandeln sind, als seien sie "unbeschränkte Alleineigentümer eines selbstständigen parzellierten Grundstücks mit darauf errichteten Gebäuden".

    Grds. ist ein Eigentümer berechtigt, sein Privatgrundstück durch Videokamera überwachen zu können, sofern dies nicht den angrenzenden öffentlichen Bereich oder benachbarte Privatgrundstücke betrifft. Vorliegend ist zu fragen, ob der Nachbar eigene Überwachung objektiv ernsthaft befürchten muss. Allein die hypothetische Möglichkeit einer Überwachung durch eine Videokamera beeinträchtigt allerdings nicht das allgemeine Persönlichkeitsrecht; maßgeblich sind jeweils die Umstände des Einzelfalls.

    Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts ist noch nicht von einer objektiv ernsthaften Verdachtslage immer dann auszugehen, wenn sich die Nachbarn in Rechtsstreitigkeiten befinden und ihr persönliches Verhältnis schwer belastet ist. Für sich genommen rechtfertigt dies noch nicht die Befürchtung einer Partei, künftig in den Überwachungsbereich einer als Einbruchschutz dienenden Videoanlage des Nachbarn einbezogen zu werden. Aus dem belasteten Nachbarschaftsverhältnis kann noch nicht ohne Weiteres der Schluss gezogen werden, dass sich hier der Eigentümer mit der Kamera künftig rechtswidrig verhalten und seine Kamera zur Überwachung des Nachbarn einsetzen werde.

  4. Die Sache war deshalb zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen, da vom Landgericht noch Feststellungen zur Frage zu treffen sind, ob ein objektiv ernsthafter Überwachungsverdacht besteht. Ist ein solcher zu bejahen, muss die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Nachbarn nicht im Hinblick auf das Interesse des Eigentümers am Schutz seines Eigentums zurücktreten. Einem Eigentümer wäre es dann zumutbar, andere Maßnahmen als eine Videoüberwachung zum vorbeugenden Eigentumsschutz einzusetzen, zumal es hierfür hinreichend andere gleich geeignete Möglichkeiten gibt (etwa Bewegungsmelder oder Kameraattrappen).
Anmerkung

Vgl. zum Thema Videoüberwachung (dort einer Tiefgarage nach mehrfach erfolgten Diebstählen und Sachbeschädigungen) die Beschlussentscheidung des LG München I v. 11.11.2011.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil v. 21.10.2011, V ZR 265/10

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