Leitsatz

  1. In gesetzlicher Vertretungsvollmacht kann der Verwalter auch in Beschlussanfechtungsverfahren die restlichen Eigentümer als Beklagte vertreten und einen Rechtsanwalt beauftragen
  2. Teilt der Eigentümer dem Verwalter seine ladungsfähige Anschrift nicht oder falsch mit, muss er sich einen unterbliebenen Ladungszugang als Obliegenheitsverletzung grundsätzlich zurechnen lassen
 

Normenkette

§§ 24, 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG

 

Kommentar

  1. Nach Erhebung einer Beschlussanfechtungsklage (gemäß § 43 Nr. 4 WEG) kann der Verwalter die beklagten Wohnungseigentümer aufgrund der gesetzlichen Vertretungsmacht gemäß § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG im Außenverhältnis umfassend vertreten, den Prozess für die Beklagten führen und auch einen Rechtsanwalt beauftragen. Die Vertretungsmacht bezieht sich sowohl auf das Erkenntnis- als auch das Vollstreckungsverfahren. Insoweit verstößt der Verwalter auch nicht gegen seinen Neutralitätsgrundsatz (h.M.). § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG begründet eine generelle gesetzliche Vertretungsbefugnis des Verwalters (auch hinsichtlich seiner Vertretung in Anfechtungsverfahren gemäß § 43 Nr. 4 WEG).

    Seine Prozessführungsberechtigung gestattet ihm auch, einen Rechtsanwalt zu beauftragen; die systematische Auslegung des § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG bestätigt dies, weil der Verwalter in Rechtsstreitigkeiten gemäß § 43 Nr. 1, 4 und 5 WEG auch befugt ist, eine Streitwertvereinbarung mit einem Rechtsanwalt zu treffen (§ 27 Abs. 2 Nr. 4 WEG). Es wäre unverständlich, wenn er zwar eine Streitwertvereinbarung treffen, nicht aber das dazugehörige Mandat erteilen dürfte. Mit der Neufassung der Norm wollte der Gesetzgeber gerade im Hinblick auf Binnenstreitigkeiten klarstellen, dass ein Verwalter in einem Passivprozess zur Vertretung der (übrigen) Wohnungseigentümer ermächtigt ist (BT-Drucks. 16/887 S. 70).

    Der Senat hat – mit Blick auf die Regelungen in §§ 45 Abs. 1 und 50 WEG – bereits darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber das Beschlussanfechtungsverfahren auf diese Weise einem Verbandsprozess angenähert hat (vgl. Beschlüsse BGH v. 14.5.2009, V ZB 172/08 und BGH v. 15.9.2011, V ZB 39/11). Dieses Ergebnis entspricht auch bei größeren Wohnungseigentümergemeinschaften einem praktischen Bedürfnis. Mit Neutralitätspflicht des Verwalters steht dies schon deshalb nicht in Widerspruch, weil es zu den Pflichten des Verwalters gehört, mehrheitlich gefasste Beschlüsse auch gegen den erklärten Willen der Minderheit umzusetzen. Wohnungseigentümer sind allerdings nicht gehindert, die Einberufung einer Versammlung zu verlangen und dem Verwalter entsprechende Weisungen zu erteilen. Zudem können einzelne Eigentümer (für sich) selbst auftreten oder einen eigenen Prozessbevollmächtigten bestellen (zu den Kostenfolgen vgl. allerdings § 50 WEG, BGH, Beschluss v. 16.7.2009, V ZB 11/09).

    Ob die Vertretungsmacht des Verwalters auch dann besteht, wenn er als Zustellungsvertreter ausgeschlossen ist (§ 45 Abs. 1 WEG; hierzu näher BGH im Urteil v. 9.3.2012, V ZR 170/11, ZWE 2012 S. 257), bedarf vorliegend keiner Entscheidung.

  2. Teilt ein Wohnungseigentümer dem Verwalter seine ladungsfähige Anschrift nicht oder falsch mit und misslingt deshalb seine Ladung zur Eigentümerversammlung aus diesem Grund ohne sein Verschulden, muss er sich die unterbliebene Ladung als Folge seiner Obliegenheitsverletzung zurechnen lassen; in der Versammlung gefasste Beschlüsse können dann nicht wegen der unterbliebenen Ladung mit Erfolg angefochten werden (h.M.), und zwar auch nicht durch andere Wohnungseigentümer.
 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil v. 5.7.2013, V ZR 241/12

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