Leitsatz (amtlich)

1. Nach dem Gesetz besteht ein Entschädigungsanspruch des Sachverständigen grundsätzlich ohne Rücksicht auf die Verwertbarkeit der erbrachten Leistungen.

2. Ausnahmsweise verwirkt ein Sachverständiger aber seinen Entschädigungsanspruch, wenn die von ihm erbrachte Leistung unverwertbar ist und er die Unverwertbarkeit bewusst oder (mindestens) grob fahrlässig verschuldet hat.

3. Geht der Sachverständige in seinem Gutachten über die gestellten Beweisfragen hinaus (hier, indem er sich nicht nur zum Behandlungsgeschehen, sondern auch zur Aufklärung äußert), ist die Frage, ob der Sachverständige dies grob fahrlässig getan hat, in Arzthaftungsfällen besonders sorgfältig zu prüfen. Denn gerade diese Bereiche - Behandlungsfehler und Aufklärungspflichtverletzung - sind nicht immer scharf abgrenzbar; insbesondere dann, wenn dem Sachverständigen zur Beantwortung der Beweisfragen auch die Auswertung der gesamten Krankenunterlagen - einschließlich der schriftlichen Dokumentation der Aufklärung - überlassen wurde.

 

Verfahrensgang

LG Gera (Beschluss vom 14.12.2007; Aktenzeichen 2 O 2320/03)

 

Tenor

Der Beschluss des LG Gera vom 14.12.2007 sowie der Nichtabhilfebeschluss vom 7.4.2008 werden aufgehoben. Dem Sachverständigen Prof. Dr. Sch. steht für die Erarbeitung des Gutachtens vom 15.5.2005 die mit Rechnung vom 14.6.2005 geltend gemachte und bereits ausgezahlte Vergütung (954,15 EUR) zu.

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche wegen behaupteter fehlerhafter ärztlicher Behandlung.

Mit Beweisbeschluss vom 8.6.2004 hat das LG die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens zu der Frage, ob bzw. inwieweit die beim Kläger vorgenommene Darmoperation fehlerbehaftet war, angeordnet (Bd. I, Bl. 97 ff. d.A.). Mit weiterem Beschluss vom 8.7.2004 (Bd. I, Bl. 107 d.A.) wurde der Beschwerdeführer - Herr Prof. Dr. med. Sch. - mit der Erarbeitung des Gutachtens beauftragt.

Nachdem mit Datum vom 15.5.2005 das Gutachten erstattet worden war, beantragte der Kläger den Sachverständigen wegen Besorgnis des Befangenheit abzulehnen. Zur Begründung führte der Kläger u.a. aus, dass der Sachverständige umfangreiche Ausführungen zu der Frage, ob vor dem streitgegenständlichen Eingriff eine ordnungsgemäße Aufklärung über die hiermit verbundenen Risiken erfolgt sei, gemacht habe, ohne dass der Sachverständige überhaupt mit der Beantwortung dieser Frage beauftragt gewesen sei. Das LG hat dem Befangenheitsgesuch mit Beschluss vom 2.11.2005 entsprochen, da der Sachverständige den erteilten Gutachtenauftrag eigenmächtig überschritten und dadurch den Eindruck erweckt habe, den Sachverhalt zu Lasten des Klägers für bewiesen zu erachten (vgl. Beschluss Bd. II, Bl. 253 ff. d.A.).

Mit weiterem Beschluss vom 14.12.2007 hat das LG dem Sachverständigen den Vergütungsanspruch für die Erstellung des Gutachtens im Nachhinein versagt, da das Gutachten im Hinblick auf die erfolgreiche Ablehnung des Sachverständigen unverwertbar sei und der Sachverständige die Unverwertbarkeit selbst verschuldet habe. Die anzunehmende grobe Fahrlässigkeit folge dabei ohne weiteres aus dem vorangegangenen Beschluss vom 2.11.2005.

Hiergegen wendet sich der Sachverständige mit seinem Schreiben vom 12.3.2008 (Bd. III, Bl. 458 d.A.). Zur Begründung seiner Beschwerde nimmt der Sachverständige insbesondere Bezug auf seine Stellungnahme vom 28.7.2005 (Bd. II, Bl. 240 ff. d.A.).

II. Die - nicht fristgebundene Beschwerde des Sachverständigen ist statthaft und auch in zulässiger Weise, d.h. nicht verspätet erhoben (vgl. § 4 Abs. 3 JVEG und zur Frage der verspäteten Einlegung OLG Düsseldorf MDR 1997, 104 - 105).

Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Denn der angefochtene Beschluss trägt in seiner Begründung die Aberkennung des Vergütungsanspruchs nicht. Insbesondere folgt nicht ohne weiteres aus dem bloßen Überschreiten des Gutachten-auftrags, dass der Sachverständige grob fahrlässig gehandelt hat.

Nach dem Gesetz besteht ein Entschädigungsanspruch des Sachverständigen grundsätzlich ohne Rücksicht auf die Verwertbarkeit der erbrachten Leistung. Ausnahmsweise jedoch verwirkt der Sachverständige seinen Entschädigungsanspruch, wenn die von ihm erbrachte Leistung unverwertbar ist und er die Unverwertbarkeit bewusst oder durch grobe Fahrlässigkeit verschuldet hat. In allen Fällen dagegen, in denen ein Sachverständiger die Unverwertbarkeit seines Gutachtens nur durch einfache Fahrlässigkeit verursacht hat, sieht die Rechtsprechung es im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege zur Erhaltung der inneren Unabhängigkeit des Sachverständigen für notwendig an, diesem seinen Entschädigungsanspruch zu erhalten (BGH NJW 1976, 1154 - 1155; OLG Koblenz, Beschl. v. 10.5.2000 - 5 W 183/00, zitiert nach juris; OLG Frankfurt, Beschl. v. 6.5.2004 - 25 W 27/04, mit zahlreichen weiteren Nachweisen, zitiert nach juris; OLG Zweibrücken OLGReport Zw...

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