Leitsatz (amtlich)

Unternehmer, die Waren und Dienstleistungen über das Internet vertreiben und dabei die gesetzlich angebotene Muster-Widerrufsbelehrung verwenden, müssen in dieser Belehrung eine bereits vorhandene Servicetelefonnummer angeben.

 

Normenkette

BGB § 312d Abs. 1, § 312g Abs. 1, § 355; BGBEG Art. 246a § 1 Abs. 2 Nr. 1; UWG § 3

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kiel vom 15.08.2017, Az. 16 HKO 7/17, wird zurückgewiesen. Lediglich sprachlich wird der Tenor zu Ziffer 1. wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen jeweils an den Mitgliedern der Geschäftsführung, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in der Widerrufsbelehrung keine Telefonnummer anzugeben, sofern dies geschieht wie sich aus Anlage K3 ergibt und sofern eine Telefonnummer vorhanden ist, über welche Kunden Serviceleistungen angeboten werden.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das genannte Urteil des Landgerichts Kiel ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 10.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in der Widerrufsbelehrung keine Telefonnummer anzugeben. Auf die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Das Landgericht hat einen spürbaren Verstoß der Beklagten gegen die als Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG anzusehenden Vorschriften der § 312d Abs. 1 BGB, Art. 246a § 1 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB angenommen. Nach den vorgenannten Regelungen müsse ein Unternehmen, das - wie die Beklagte - Waren und Dienstleistungen über das Internet vertreibe, den Verbraucher über sein gesetzliches Widerrufsrecht gemäß §§ 312g Abs. 1, 355 BGB belehren. Werde das hierzu als Anlage 1 zu Art. 246 a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB vorgesehene Muster für die Widerrufsbelehrung genutzt, müsse dies zutreffend ausgefüllt und in Textform dem Verbraucher übermittelt werden. Die Beklagte habe es versäumt, ihre Telefonnummer anzugeben. Nach den Gestaltungshinweisen zur Muster-Widerrufsbelehrung sei der Name und die Anschrift des Unternehmens und, "soweit verfügbar", die Telefonnummer, die Telefaxnummer und die E-Mail-Adresse des Unternehmens anzugeben. Dies habe die Beklagte nicht getan, obwohl sie unstreitig über geschäftliche Telefonanschlüsse verfüge. Die Formulierung "soweit verfügbar" sei nicht so zu verstehen, dass es im Belieben des Unternehmens stehe, seine Telefonnummer anzugeben oder nicht. Eine solche Auslegung sei mit den Zielen der zum 13. Juni 2014 wirksam gewordenen Änderung des Widerrufsrechts nicht in Einklang zu bringen.

Gegen diese rechtliche Würdigung wendet sich die Berufung. Nach Auffassung der Beklagten sei gemäß Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 EGBGB einerseits auf das Muster-Widerrufsformular in der Anlage 2 hinzuweisen. Anderseits seien die Bedingungen, Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts nach § 355 Abs. 1 BGB zu benennen. Der Inhalt dieser Norm müsse von dem Unternehmen gegenüber dem Verbraucher dargelegt und erklärt werden. Eine Erklärung zu seiner Telefonnummer müsse hiernach nicht abgegeben werden.

Das Landgericht halte auch die Formulierung der gesetzlichen Widerrufsbelehrung für irreführend, wenn es die Auffassung vertrete, die von der Beklagten verwendete, der gesetzlichen Vorgabe entsprechende Widerrufsbelehrung erwecke den Eindruck, der Widerruf könne ihr gegenüber nur in Textform erklärt werden. Dies sei nicht nachvollziehbar. An dem Inhalt der Widerrufsbelehrung ändere sich durch die Hinzufügung einer Telefonnummer nichts. Die vom Landgericht angenommene Verstärkung der Irreführungsgefahr, da am Ende der Widerrufsbelehrung von der "Absendung" des Widerrufs die Rede sei, belege allenfalls, dass das Landgericht von einem missglückten und irreführenden Wortlaut sowohl der Muster-Widerrufsbelehrung als auch der Regelung des § 355 Abs. 1 S. 5 BGB ausgehe, da die Beklagte die dortige Formulierung lediglich übernommen habe.

Die Prüfung der Widerrufsbelehrung auf eine mögliche Irreführung scheide aber ohnehin aus, da die Beklagte die gesetzliche Widerrufsbelehrung verwende. Die Voraussetzungen einer gesetzlichen Widerrufsbelehrung ergäben sich, wenn ein Unternehmen die Muster-Widerrufsbelehrung verwende, aus der Anlage 1 zu Art. 246 a EGBGB. Zwischen den Parteien sei nur streitig, was der Gesetzgeber mit der Formulierung "sow...

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