Entscheidungsstichwort (Thema)

Versäumung der Klagefrist. Zurechnung von Anwaltsverschulden. Sorgfaltspflicht des Prozessbevollmächtigten beim Versand einer Klageschrift durch Telefax

 

Leitsatz (amtlich)

Die Pflicht des Rechtsanwaltes zur Ausgangskontrolle bei Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax endet erst dann, wenn feststeht, dass der Schriftsatz wirklich übermittelt worden ist. Mit Rücksicht auf die Risiken beim Einsatz eines Telefaxgerätes kommt der Rechtsanwwalt seiner Verpflichtung zu einer wirksamen Ausgangskontrolle nur dann nach, wenn er seinen dafür zuständigen Mitarbeitern die Weisung erteilt, sich einen Einzelnachweis ausdrucken zu lassen, auf dieser Grundlage die Vollständigkeit der Übermittlung zu prüfen und die Notfrist im elektronischen Fristenkalender erst nach Kontrolle des Sendeberichts zu löschen.

 

Normenkette

KSchG §§ 5, 5 Abs. 2, § 5 III 1

 

Verfahrensgang

ArbG Bautzen (Beschluss vom 14.12.2006; Aktenzeichen 8 Ca 8366/06)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bautzen/Außenkammern Görlitz vom 14.12.2006 – 8 Ca 8366/06 – über die nachträgliche Klagezulassung und der Nichtabhilfebeschluss des Arbeitsgerichts Bautzen, Außenkammern Görlitz, vom 03.01.2007

a u f g e h o b e n.

Die Kündigungsschutzklage vom 17.10.2006 wird nachträglich zugelassen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.

3. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 9.150,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger begehrt die nachträgliche Zulassung seiner Kündigungsschutzklage vom 17.10.2006.

Der Kläger ist bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin, die ca. 25 Mitarbeiter beschäftigt, seit 01.02.1985 als Maschinenbauingenieur bzw. Konstrukteur zu einem Bruttomonatsgehalt in Höhe von 3.050,00 EUR beschäftigt. Er hat seit 01.11.2004 die kommissarische Leitung des Bereiches Werkzeugbau und Konstruktion im Unternehmen der Beklagten inne. Mit Schreiben vom 27.09.2006, dem Kläger ausgehändigt am selben Tag, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers aus betriebsbedingten Gründen (vgl. Bl. 5/6 d. A.).

Daraufhin hat der Kläger mit Schriftsatz vom 17.10.2006, beim Arbeitsgericht Bautzen, Außenkammern Görlitz eingegangen am 19.10.2006, Kündigungsschutzklage erhoben und beantragt, festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 27.09.2006 weder zum 30.04.2007, noch zu einem anderen Zeitpunkt beendet worden ist, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

Nachdem in der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht Bautzen am 02.11.2006 ein für den Kläger widerruflicher Vergleich geschlossen worden war, widerrief diesen der Kläger mit Schriftsatz vom 06.11.2006 und beantragte gleichzeitig im Hinblick auf die Versäumung der Klagefrist des § 4 KSchG „die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand”.

Diesem Antrag war der eidesstattlichen Versicherung der Rechtsanwaltsfachangestellten … beigefügt.

Auf den Wortlaut und den Inhalt der eidesstattlichen Versicherung der Rechtsanwaltsfachangestellten wird Bezug genommen (Bl. 16 d. A.).

Der Antrag auf nachträgliche Klagezulassung ist im Wesentlichen damit begründet, dass, nachdem der Kläger am 13.10.2006 in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten war, ihm einen unbedingten Klageauftrag erteilt hatte und die Klage am 15.10.2006 diktiert und am 16.10.2006 der Rechtsanwaltsfachangestellten, …, zum Schreiben übergeben worden war – wobei dies zwischen den Parteien unstreitig ist – die Rechtsanwaltsfachangestellte von dem Klägervertreter angewiesen worden sei, den Klageschriftsatz unverzüglich anzufertigen und spätestens am 17.10.2006 dem Arbeitsgericht postalisch zuzusenden, wobei ihr aufgetragen worden sei, den Schriftsatz wegen des drohenden Fristablaufes vorab zu faxen und sich den Eingang telefonisch bestätigen zu lassen.

Tatsächlich sei die Klage geschrieben, unterschrieben und zur Post gegeben worden, aber nicht gefaxt und ebenfalls der Eingang beim Arbeitsgericht nicht telefonisch abgefragt worden; dies habe die Rechtsanwaltsfachangestellte …, so ihre eidesstattliche Versicherung vergessen.

Als Fristablauf sei der 18.10.2006 im Fristenkalender, in der Akte und in der computergestützten Aktenverwaltung vermerkt gewesen. Zur Ausgangsfristkontrolle habe der Prozessbevollmächtigte des Klägers geregelt, in jedem Fall bei der Versendung von Faxen Einzelnachweise auszudrucken und die Vollständigkeit der Übermittlung zu prüfen.

Der Kläger ist der Auffassung, ihn treffe weder ein Verschulden daran, die Frist zur Einreichung der Kündigungsschutzklage nicht eingehalten zu haben, noch sei ihm ein Vertreterverschulden zuzurechnen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, der Prozessbevollmächtigte des Klägers habe die Fristversäumung durch Mängel in der Büroorganisation – insbesondere zur Ausgangskontrolle bei Faxen – verschuldet. Der Kläger müsse sich daher dieses Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen.

Das Arbeitsgericht ...

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