Rn 4

Ziel des I ist der Ausgleich der Interessen von Verbraucher und Unternehmer. Dabei geht es insb um die Wertminderung der (ja, vielleicht mangelfreien) Sache dadurch, dass sie womöglich nicht mehr ›fabrikneu‹ an den Unternehmer zurückgelangt. Etwa bei Kfz, Möbeln und Kleidungsstücken kann das einen erheblichen Verlust bedeuten.

 

Rn 5

Nach I Nr 1 besteht keine Ersatzpflicht bei solchen Verschlechterungen, die ausschl auf die Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise der Ware zurückgehen. Der Verbraucher haftet daher iE nur dann, wenn die Sache zwar bestimmungsgemäß in Gebrauch genommen wird, dies aber über dasjenige hinausgeht, was zur Prüfung der Sache notwendig wäre; weiter haftet er für sämtliche Verschlechterungen, die aus einer nicht bestimmungsgemäßen Ingebrauchnahme resultieren. Maßstab ist grds dasjenige, was dem Verbraucher beim Ausprobieren und Testen der Waren im Geschäft ermöglicht wird (ErwGr 47 VRRL, dort wird als Bsp genannt, dass der Verbraucher ein Kleidungsstück zwar anprobieren, nicht aber tragen dürfen soll). Vielfach wird die dem Verbraucher zugestandene Prüfung aber gar nicht möglich sein, ohne dass wenigstens die Originalverpackung geöffnet und dabei teilweise zerstört wird, ja, sogar die Sache selbst verändert wird, vgl BGHZ 187, 268 zum (zulässigen) Befüllen eines Wasserbetts; anders bei Einbau eines Katalysators und anschließendem Gebrauch iR einer kurzen Probefahrt (BGHZ 212, 248 Rz 24 ff). Bei bestimmten Artikeln, wie Medikamenten und Hygieneprodukten, kann eine Prüfung üblicherweise ohne Öffnen der Verpackung erfolgen.

 

Rn 6

Verlangt wird dafür in I Nr 2 weiter, dass der Verbraucher über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts nach § 355 I sowie das Muster-Widerrufsformular in der Anl 2 zu Art 246a § 1 II 1 Nr 1 EGBGB belehrt wurde. Verwendet der Unternehmer das in Anl 1 zur dieser Vorschrift enthaltene Muster für die Widerrufsbelehrung (s § 356 Rn 13), genügt dies den Anforderungen aus Nr 2. Rein redaktionelle Änderungen im Muster, die nicht geeignet sind, die Belehrung für den Kunden in irgendeiner Form unübersichtlich oder missverständlich zu machen, sollen unschädlich sein (Hambg WM 15, 1987, noch zur Rechtslage vor dem VRRL-UG). Das Muster muss dem Verbraucher in Textform (§ 126b) zugehen; eine auf der Webseite des Unternehmers lediglich abrufbare Belehrung genügt nicht (BGH NJW 10, 3566, 3567 [BGH 29.04.2010 - I ZR 66/08] ›Holzhocker‹; NJW 14, 2857 [BGH 15.05.2014 - III ZR 368/13] zu § 355 aF; ebenso für die FernabsatzRL EuGH 5.7.12 – C-49/11 – Content Services, NJW 12, 2637 Rz 31 ff). Der darin enthaltene Hinweis auf eine mögliche Wertersatzpflicht (Gestaltungshinweis 5 zur Muster-Widerrufsbelehrung) ist wohl kaum geeignet, über die Reichweite der gesetzlichen Regelung zu informieren, zumal darin keine Erklärung enthalten ist, wie die Ersatzpflicht vermieden werden kann (dazu Nordholtz/Bleckwenn NJW 17, 2497; Magnus JZ 17, 983, 984). Auch passt sie nicht für Sachen, die nicht in einem Ladengeschäft gekauft zu werden pflegen (zB Gebrauchtwagen oder Pferde). Schließlich ist die Bereitschaft der Geschäftsinhaber sehr verschieden, eine Prüfung durch Zerstörung der Verpackung oder dann zuzulassen, wenn sie Gebrauchsspuren hinterlässt.

 

Rn 7

Verwendet der Unternehmer das Muster-Widerrufsformular hingegen nicht, so muss die Belehrung nach I Nr 2 keinen besonderen Hinweis gerade auf die mögliche Wertersatzpflicht enthalten. Aus der Norm selbst ergibt sich dies nicht; auch die VRRL macht keine entsprechenden Vorgaben (MüKo/Fritsche Rz 13; BeckOK/Müller-Christmann Rz 11; Schwab JZ 15, 644, 650). Die Gegenansicht, die auf den Warnzweck der Informationspflicht und Gestaltungshinweis Nr 5c zur Muster-Widerrufsbelehrung verweist (Erman/Koch § 357 Rz 16; BeckOGK/Mörsdorf Rz 30), überdehnt den Gedanken des effet utile. Ein Rückschluss von der Muster-Widerrufsbelehrung auf die gesetzliche Grundlage erscheint überdies nicht zwingend.

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