Verfahrensgang

AG Aurich (Aktenzeichen 30 F 27/19 SO)

 

Tenor

Dem Beteiligten zu 3. wird das Recht der elterlichen Sorge für das Kind AA, geb. am TT.MM.2014, entzogen und vorläufig bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens auf die Beteiligte zu 2. zur alleinigen Ausübung übertragen.

Der Beteiligte zu 3. hat das Kind an die Beteiligte zu 2. herauszugeben.

Die Beteiligte zu 2. darf sich dabei der Hilfe der Vollstreckungsorgane und/oder der Polizei bedienen.

Der Beteiligte zu 3 erhält ein Umgangsrecht mit AA. Das Umgangsrecht soll zweimal monatlich, für mindestens zwei Stunden begleitet von einem mitwirkungsbereiten Dritten nach Maßgabe des Jugendamtes Aurich stattfinden.

 

Gründe

I. Die Beteiligten zu 2 und 3 sind die rechtskräftig geschiedenen Eltern der Beteiligten zu 1. Sie streiten um Teile des gemeinsamen Sorgerechts, insbesondere das Aufenthaltsbestimmungsrecht.

Ursprünglich übten die Eltern das Sorgerecht gemeinsam aus. Noch während des laufenden Sorgerechtsverfahrens einigten sie sich auf die Ausübung eines Wechselmodells. Nachdem die erstinstanzlich beauftragte Sachverständige bei der Betreuung des Kindes durch die Kindesmutter eine Gefährdung des Kindeswohls feststellte, wurde das Aufenthaltsbestimmungsrecht im Wege der einstweiligen Anordnung vom Amtsgericht auf den Vater übertragen und ein begleitetes Umgangsrecht der Mutter eingerichtet. In der einstweiligen Anordnung wurde bestimmt, dass der Vater für die Dauer des Verfahrens nicht umziehen dürfe. Er hatte zuvor mitgeteilt, wegen drohendem ALG-II-Bezug und in Ermangelung einer Beschäftigungschance in der näheren Umgebung Ort1 verlassen zu wollen.

Der elterliche Konflikt ist im Laufe des Verfahrens eskaliert. Parallel zum Sorgerechtsverfahren streiten die Eltern auch über den Umgang.

Mit seinem im Übrigen in Bezug genommenen Beschluss hat das Amtsgericht nach Anhörung der Beteiligten, des Jugendamtes und der Sachverständigen Teile der elterlichen Sorge, insbesondere das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf den Vater übertragen. Unmittelbar nach Zustellung des Beschlusses zog der Vater mit dem Kind nach Ort2 zu seinem Bruder, ohne zunächst das Jugendamt, den Kindergarten oder die Mutter davon zu unterrichten. Diese erfuhren erst einige Tage nachdem das Verschwinden aufgefallen war von dem Umzug.

Die Mutter wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts. Sie wünscht die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrecht auf sich und vertritt insbesondere die Auffassung, dass der Vater sämtlichen Kontakt zwischen ihr und ihrer Tochter blockiert.

Der Senat hat die Beteiligten zu 2 bis 4, das Jugendamt und die Sachverständige in der mündlichen Verhandlung angehört. Das Verfahren ist noch nicht entscheidungsreif, da zunächst die gesundheitliche Situation der Eltern durch psychiatrische Gutachten geklärt werden muss, bevor die kinderpsychologische Begutachtung abgeschlossen werden kann.

II. Die elterliche Sorge für AA ist im Wege der einstweiligen Anordnung auf die Mutter zu übertragen, §§ 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB, 64 Abs. 3 FamFG.

Die Eltern des Kindes leben nicht nur vorübergehend getrennt. Ihre Ehe ist im September 2019 rechtskräftig geschieden worden. Ein Zusammenleben hat auch danach nicht mehr stattgefunden.

Die Eltern sind nicht in der Lage, das Sorgerecht, insbesondere zum Aufenthaltsbestimmungsrecht gemeinsam auszuüben. Der dauerhafte Aufenthalt des Kindes ist zwischen den Eltern streitig. Eine Einigung dazu war auch vor dem Senat nicht möglich. Es bedarf einer einseitigen Zuweisung. Darüber hinaus ist die Kommunikationsfähigkeit der Eltern untereinander massiv gestört. Der Vater lehnt jede Kontaktaufnahme mit der Mutter ab. Selbst an das Kind adressierte Briefe sollen ihn nur über das Jugendamt erreichen. Daraus wird deutlich, dass es in keinem Bereich der elterlichen Sorge zu gemeinsamen Entscheidungen kommen kann.

Die Übertragung des Sorgerechts auf die Mutter entspricht dem Kindeswohl am besten, wobei hier klarstellend festgestellt werden muss, dass die Übertragung des Sorgerechts auf die Mutter das Kindeswohl am wenigsten beeinträchtigt.

Nach der Anhörung der Sachverständigen steht für den Senat vorläufig Folgendes fest:

AAs Wohl wird von beiden Elternteilen gefährdet, wobei eine tatsächliche Beeinträchtigung noch nicht festgestellt werden kann. AA zeigt sich ausgesprochen resilient, sie verkraftet die bisherigen negativen Einflüsse erstaunlich gut und entwickelt sich altersentsprechend trotz der negativen Einflüsse der Eltern. Einzuschränken ist dies unter dem Gesichtspunkt der neueren Entwicklungen, denn wie das Kind den plötzlichen Umzug nach Ort2 und den damit verbundenen vollständigen Abbruch der Kontakte zur Mutter verkraftet hat, konnte die Sachverständige nicht feststellen.

Das Wohl AAs wird durch den Vater wegen seiner vollständigen Bindungsintoleranz zur Mutter gefährdet. Der Umzug des Vaters ist getrieben durch den Wunsch, den Kontakt zwischen Tochter und Mutter zu unterbinden. Die von ihm geäußerte Motivation, der drohende ALG-II-Be...

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