Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzulässiges Teilurteil bei materiell-rechtlicher Verzahnung zwischen prozessual selbständigen Ansprüchen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auch bei grundsätzlicher Teilbarkeit des Streitgegenstandes darf ein Teilurteil nur dann ergehen, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen - auch infolge abweichender Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht - ausgeschlossen ist (so auch BGH BeckRS 2016, 09349).

2. Eine solche Gefahr besteht bei einer Mehrheit selbständiger prozessualer Ansprüche, wenn zwischen den prozessual selbständigen Ansprüchen eine materiell-rechtliche Verzahnung besteht (so auch BGH BeckRS 2011, 14711).

 

Normenkette

ZPO §§ 301, 318, 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 7

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 24.04.2017; Aktenzeichen 10 HK O 13993/16)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten wird verworfen, soweit sie sich gegen Ziff. II des Teilurteils des Landgerichts München I vom 24.04.2017, Az. 10 HK O 13993/16, richtet.

Im Übrigen wird auf die Berufung der Beklagten hin das Teilurteil des Landgerichts München I vom 24.04.2017, Az. 10 HK O 13993/16, aufgehoben und insoweit der Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht München I zurückverwiesen.

II. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Das soeben verkündete Endurteil wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 2 ZPO wie folgt zu Protokoll begründet:

 

Tatbestand

Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche aus einem Kooperationsvertrag betreffend die Durchführung von Public Viewing Veranstaltungen in B. während der Fußball EM 2016 geltend.

Die Klägerin hat in erster Instanz unter Ziff. 1 die Zahlung in Höhe von EUR 29.607,82 nebst Zinsen beantragt auf der Grundlage der von der Beklagten mitgeteilten Mindestbesucherzahlen der Public Viewing Veranstaltungen in Bielefeld betreffend die Fußballspiele vom 12.06.2016 und 17.06.2016, jeweils mit türkischer Beteiligung, sowie vom 02.07.2016 und 07.07.2016, jeweils mit deutscher Beteiligung. Ferner hat sie unter Ziff. 2 lit. a bis c Auskunft über die Anzahl der tatsächlichen Besucher der Public Viewing Veranstaltungen der Fußball EM 2016 betreffend die bereits genannten Spiele sowie zusätzlich betreffend das Fußballspiel am 12.06.2016 (Deutschland - Ukraine) verlangt, sowie ggf. Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben an Eides statt, ferner die Zahlung in nach Erteilung der Auskunft zu bestimmenden Höhe.

Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO Bezug genommen wird, hat mit Teilurteil vom 24.04.2017 die Beklagte antragsgemäß verurteilt, an die Klägerin EUR 29.607,82 nebst Zinsen zu bezahlen sowie die begehrte Auskunft über die fünf näher bezeichneten Fußballspiele zu erteilen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der unstreitige Zahlungsanspruch in Höhe von EUR 29.607,82 nicht durch Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch der Beklagten erloschen sei. Die von der Beklagten behauptete Garantie von Zuschauerzahlen finde sich nicht im Kooperationsvertrag. Die darlegungs- und beweispflichtige Beklagte habe nicht schlüssig behauptet, dass die Klägerin noch im Zeitpunkt der Unterschriftsleistung hinsichtlich der Kooperationsvereinbarung zu der von der Beklagten behaupteten Garantie gestanden und diese gegenüber der Beklagten abgegeben habe. Eine Beweisaufnahme sei daher nicht erforderlich. Die Beklagte schulde ferner die begehrte Auskunft gemäß § 259 BGB i.V.m. dem Kooperationsvertrag.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung und beantragt,

das Teilurteil des Landgerichts München I, verkündet am 24.04.2017, zugestellt am 02.05.2017 (10 HK O 13993/16), wird aufgehoben, der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung an das Landgericht zurückverwiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Ergänzend wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 08.02.2017 sowie auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Berufung der Beklagten ist im Hinblick auf die Verurteilung zur Auskunft (Ziff. II des Teilurteils des Landgerichts München I vom 24.04.2017) unzulässig. Soweit die Berufung zulässig ist, ist sie begründet und führt zur Aufhebung des Teilurteils und Zurückverweisung des Verfahrens an das Landgericht, § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ZPO.

1.1. Soweit sich die Berufung gegen die Verurteilung zur Auskunft (Ziff. II des Teilurteils des Landgerichts München I vom 24.04.2017) richtet, ist sie mangels Berufungsbegründung unzulässig, § 520 Abs. 1 ZPO, und daher insoweit zu verwerfen.

Die Beklagte hat umfassend gegen das vorgenannte Teilurteil Berufung eingelegt, wie aus dem Schriftsatz vom 24.05.2017 (Bl. 74/75 d.A.) sowie der Berufungsbegründung vom 25.06.2017 (dort S. 1, 2; Bl. 81 f d.A.: "Das Teilurteil (...) wird aufgehoben", "Das Urteil wird daher in vollem Umfang der Überprüfung durch das Berufungsgericht gestellt.") hervorgeht. Hinsichtlich der von dem La...

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