Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Verjährung eines zunächst an einen Prozessfinanzierer abgetreten und später an den Geschädigten rückabgetretenen und dann von diesem gerichtlich verfolgten Schadensersatzanspruchs, wenn eine zwischenzeitlich vom Prozessfinanzierer erhobene Klage mangels Aktivlegitimation des Prozessfinanzierers rechtskräftig abgewiesen wurde. Zu den (fehlenden) Voraussetzungen des § 852 BGB im Rahmen einer Schadensersatzklage gegen den Hersteller des Motors (wie BGH VII ZR 442/21 und BGH Via ZR 441/21).

 

Normenkette

BGB §§ 31, 214, 823, 826, 852

 

Verfahrensgang

LG Paderborn (Aktenzeichen 2 O 176/21)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 30.9.2021 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn abgeändert.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern die Beklagte vor der Vollstreckung nicht Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz aufgrund des Erwerbs eines PKW Audi Q 3 am 5.12.2014, dessen von der Beklagten produzierter Motor der Baureihe EA 189 mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung in der Motorsoftware ausgestattet war.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 540 ZPO auf die Feststellungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen.

Das Landgericht hat der Klage weitgehend stattgegeben und ausgeführt:

Die Klage sei zulässig und im Wesentlichen begründet. Der Beklagten falle eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der Käufer der mit ihren Motoren ausgestatteten Fahrzeuge zur Last, weil sie arglistig im Gewinnerzielungsinteresse systematisch die Motorsteuerungssoftware so programmiert habe, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Abgaswerte nur auf dem Prüfstand eingehalten würden. Wäre dem Kläger die Manipulation bekannt gewesen, hätte er das Fahrzeug nicht erworben. Der Kläger müsse sich eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 19.399,34 Euro anrechnen lassen. Die Forderung des Klägers sei nicht verjährt, da der Ablauf der Verjährungsfrist während der Zeit der gerichtlichen Geltendmachung der Forderung durch die Fa. Z GmbH von der Einreichung ihrer Klage am 31.10.2018 bis zur Beendigung des Rechtsstreits Landgericht Ingolstadt, AZ: 41 O 1745/18, oder zumindest bis zum Zeitpunkt der Rückabtretung der Forderung seitens der Fa. Z GmbH an den Kläger am 18.10.2020 gehemmt gewesen sei. Die daher frühestens mit dem 18.6.2021 ablaufende Verjährung sei durch die vorliegende Klage, die am 25.5.2021 eingegangen und am 18.6.2021 zugestellt worden war, erneut gehemmt worden. Die Fa. Z GmbH habe die Aktivlegitimation zur Geltendmachung der Forderung besessen, nachdem der Kläger ihr die Forderung zur Geltendmachung im Rahmen eines Sammelklage-Inkassos abgetreten habe. Die Abtretung sei wirksam, weil die so erfolgte Geltendmachung der Forderung nicht gegen Vorschriften des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) verstoßen habe.

Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihre Verjährungseinrede weiter. Sie vertieft ihre Rechtsansicht, dass die Abtretung der Ansprüche durch den Kläger an die Fa. Z GmbH nichtig sei, weil diese mit der Geltendmachung gegen die Vorschriften des RDG verstoßen habe. Die Fa. Z GmbH unterliege Interessenkollisionen, welche ihre Rechtsdienstleistung gefährdet würden, weil sie nicht nur zahlreichen Auftraggebern mit unterschiedlich gelagerten Ansprüchen verpflichtet sei, sondern auch von einem gewerblichen Prozessfinanzierer, der Fa. Y, abhängig sei. Sie sei ohnehin nur zum außergerichtlichen Forderungseinzug befugt, habe ihre Geschäftstätigkeit jedoch von vornherein auf ein kommerzielles gerichtliches Masseninkasso ausgerichtet. Des Weiteren wendet sich die Beklagte gegen die zuerkannten Nebenforderungen und vertritt schließlich die Auffassung, dass die Klage wegen entgegenstehender Rechtskraft des Urteils des Landgerichts Ingolstadt vom 7.8.2020 in dem o.g. Rechtsstreit abzuweisen sei.

Die Beklagte beantragt,

das am 30.9.2021 verkündete Urteil der Einzelrichterin der2. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn teilweise abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil mit näheren Ausführungen und meint, dass sich selbst im Falle eingetretener Verjährung sein Anspruch wegen der fortbestehenden Bereicherung der Beklagten aus § 852 Satz 1 BGB ergebe.

II. Die zulässige Berufung hat Erfolg und führt zur vollständigen Klageabweisung.

Dem Kläger steht wegen des Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung in der Motorsteuerungssoftware kein durchsetzbarer Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte gemäß § 826 BGB i. V. m. § 31 BGB analog oder gemäß § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 Abs. 1 StGB zu.

1. Zu ...

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