Leitsatz (amtlich)

Befindet sich das Zeichen "Vorfahrt gewähren" (Zeichen 205) in Verbindung mit dem Zeichen "Kreisverkehr" (Zeichen 215) vor der Querungsstelle für Radfahrer, sind diese gegenüber dem einfahrenden Verkehr gleichwohl nicht vorfahrtsberechtigt, wenn durch das Zeichen "Vorfahrt gewähren" (Zeichen 205) ihrerseits aufgefordert sind, dem in den Kreisverkehr einfahrenden oder verlassenden Verkehr den Vorrang einzuräumen.

 

Normenkette

StVG § 7 Abs. 1, § 9; BGB § 254 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Münster (Urteil vom 18.11.2011; Aktenzeichen 10 O 468/09)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 18.11.2011 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des LG Münster abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Streithilfe trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten und der Streithelfer durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Vollstreckenden zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt von den Beklagten Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen eines Verkehrsunfalls, der sich am 13.6.2008 in T im Bereich der Einmündung der Straße "C" in den Kreisverkehr der S Straße ereignete und bei dem die Klägerin als Radfahrerin infolge einer Kollision mit dem Pkw der Beklagten zu 1) stürzte.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes bis zum Abschluss der ersten Instanz und der erstinstanzlich gestellten Anträge der Parteien wird gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen, mit dem das LG nach Anhörung der Klägerin und der Beklagten zu 1) sowie Einholung einer amtlichen Auskunft und eines orthopädischen Sachverständigengutachtens nebst Ergänzungsgutachten und eines radiologischen Zusatzgutachtens der Klage teilweise nach einer Haftungsquote von 2/3 stattgegeben hat. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte zu 1) treffe ein Verschulden an dem Unfall. Da sich das Zeichen "Vorfahrt gewähren" in Kombination mit dem Zeichen "Kreisverkehr" vor dem von der Klägerin befahrenen Radweg befinde, habe die Beklagte zu 1), als sie die Klägerin bemerkt habe, anhalten müssen. Aufgrund der Anordnung des kombinierten Schildes vor dem Kreisverkehr beziehe sich das Gebot, dem Kreisverkehr die Vorfahrt zu gewähren, auch auf den Radweg. Aber auch die Klägerin habe angesichts der nicht nachvollziehbaren Beschilderung besondere Vorsicht walten lassen müssen, zumal auch in ihrer Fahrtrichtung ein Schild "Vorfahrt gewähren" zu beachten sei. Durch Nichtbeachtung dieses Verkehrsschildes habe die Klägerin den Unfall mitverschuldet. Im Rahmen der Abwägung der wechselseitigen Verursachungsbeiträge ist das LG zu einer Haftungsverteilung von 1/3 zu 2/3 zu Lasten der Beklagten gelangt. Auf dieser Grundlage hat es der Klägerin ein Schmerzensgeld von 8.000 EUR sowie materiellen Schadensersatz i.H.v. insgesamt 766 EUR zugesprochen und dem Feststellungsantrag der Klägerin nach einer Haftungsquote von 2/3 stattgegeben.

Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie rügen, das LG habe verkannt, dass an der Unfallstelle eindeutig ein Vorfahrtsrecht der Beklagten zu 1) gegenüber der Klägerin bestanden habe, wie sich aus den vorgelegten Lichtbildern und der eingeholten Auskunft des Kreises C ergebe. Der Vortrag der Klägerin sei zudem widersprüchlich. Wenn die Beklagte zu 1) bei der Kollision mit der von der Klägerin behaupteten Geschwindigkeit von 70 km/h gefahren wäre, hätte diese sich weiter gehende Verletzungen zugezogen. Ferner habe die Klägerin wahrheitswidrig vorgetragen, sie sei mit der Front des Beklagtenfahrzeugs kollidiert. Zudem versuche sie, sämtliche bei ihr bestehenden, auch degenerativ bedingten Gesundheitsbeeinträchtigungen auf den streitgegenständlichen Unfall zurückzuführen. Sie habe auch widersprüchliche Angaben zum behaupteten Haushaltsführungsschaden gemacht und zu den geltend gemachten Sachschäden keine Belege vorgelegt. Ferner habe das LG zu Unrecht die Stellungnahme der Beklagten zum radiologischen Zusatzgutachten als verspätet zurückgewiesen. Ohnehin sei es verpflichtet gewesen, den Sachverständigen Prof. Dr. I anzuhören, weil dessen Feststellungen im Widerspruch zu den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. X stünden. Das vom LG zuerkannte Schmerzensgeld sei übersetzt. Allenfalls sei ein Betrag bis maximal 3.000 EUR gerechtfertigt. Rechtsfehlerhaft habe das LG auch dem Feststellungsantrag der Klägerin stattgegeben. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. X stehe nicht fest, dass mit Zukunftsschäden zu rechnen sei. Schließlich habe sich das LG über den Einwand der Beklagten hinweggesetzt, dass eine bei der Klägerin ggf. vorliegende Steißbeinfraktur von den erstbehandelnden Krankenhausärzten nicht entdeckt worden sei. Ein solcher grober Behandlungsfehler unterbreche den Kausalzus...

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