Leitsatz (amtlich)

Die mit der Ausübung der Jagd verbundenen Schussgeräusche lösen nicht ohne weiteres unter Verkehrssicherungsgesichtspunkten eine vorherige Informationspflicht des Jagdveranstalters in Bezug auf die Anlieger aus.

 

Normenkette

BGB § 823

 

Verfahrensgang

LG Münster (Urteil vom 03.04.2012; Aktenzeichen 4 O 1/08)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 3.4.2012 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des LG Münster wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch den Beklagten abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Gemäß § 540 Abs. 1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen, soweit sich aus dem Nachfolgenden nichts anderes ergibt.

Durch das angefochtene Urteil hat das LG nach der Anhörung der Parteien, der Vernehmung von Zeugen und Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens die Klage abgewiesen. Zwar treffe den Veranstalter einer Jagd unter Verkehrssicherungsaspekten die Pflicht, zumindest die in unmittelbarer Nähe des Jagdgebiets ansässigen Grundstückseigentümer und Pächter rechtzeitig von der bevorstehenden Jagdveranstaltung zu unterrichten. Der Kläger habe aber nicht bewiesen, dass die Pferde aufgrund des streitigen Jagdgeschehens am 4.12.2004 in Panik geraten seien und sich die Verletzungen zugezogen hätten.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers. Das LG habe die Frage, ob der Beklagte seiner Verpflichtung, die anliegenden Grundstückseigentümer und Pächter über die bevorstehende Jagd zu informieren, nachgekommen ist, nicht dahin gestellt bleiben lassen dürfen. Denn wenn der Beklagte die vorbezeichnete Verkehrssicherungspflicht verletzt hätte, spreche für ihn - den Kläger - der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass sich in dem Schadensfall gerade die Gefahr verwirklicht habe, der durch die Auferlegung von Verkehrssicherungspflichten entgegen gewirkt werden soll.

Auch wenn es danach darauf nicht mehr entscheidend ankomme, ob er den Beweis erbracht habe, dass die Pferde infolge des Jagdgeschehens in Panik geraten seien und sich verletzt hätten, unterliege die Beweiswürdigung des LG durchgreifenden Zweifeln. Die von dem LG herausgestellte Widersprüchlichkeit der klägerischen Angaben zu der Aussage der Zeugin M sei angesichts des Zeitablaufs überbewertet.

Der durch die Verletzung der Pferde entstandene materielle Schaden belaufe sich auf 16.300 EUR. Zuzüglich der Kosten für die Nottötung von 278,40 EUR, den Kosten der Heilbehandlung von 3.215,15 und dem entstandenen Sachschaden am Zaun i.H.v. 3.667,30 EUR betrage der durch den Vorfall entstandene Schaden 23.460,85 EUR.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an ihn 23.460,85 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 17.12.2004 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte meint, eine Pflicht, alle Anlieger über eine bevorstehende Jagd zu informieren, bestehe unter Verkehrssicherungsgesichtspunkten nicht. Im Übrigen sei die Beweiswürdigung des LG zutreffend. Schließlich berufe er sich erneut auf die Einrede der Verjährung.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst den damit überreichten Anlagen verwiesen.

II. Die Berufung des Klägers ist unbegründet.

Zu Recht hat das LG den von dem Kläger geltend gemachten Schadensersatzanspruch, der sich allein aus § 823 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten ergeben kann, als unbegründet zurückgewiesen.

Entgegen der Ansicht des LG fehlt es schon an einer bestehenden Verkehrssicherungspflicht, die von dem Beklagten im Vorfeld oder bei Durchführung der Jagd in Bezug auf die Anlieger zu beachten gewesen wäre. Insbesondere war der Beklagte nicht verpflichtet, die Anlieger (Eigentümer und Pächter) über die bevorstehende Treibjagd zu unterrichten.

Grundsätzlich ist derjenige, der eine Gefahrenlage für andere schafft, verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Daher reicht es aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise - hier der Beklagte als Ausrichter der Jagd - für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die ihm nach den Umständen zumutbar sind.

Von diesen Grundsätzen ausgehend erfor...

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