Leitsatz (amtlich)

1.

Die fehlerhafte Annahme eines Verwertungsverbotes hinsichtlich des Beweisfotos ist im Rahmen der Rechtsbeschwerde gegen ein freisprechendes Urteil als Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2; § 79 Abs. 3 OWiG) zu rügen.

2.

Die Zulässigkeit dieser Verfahrensrüge erfordert die inhaltliche Wiedergabe des Beweisfotos im Rahmen der Revisionsbegründung, entweder in Form einer Ablichtung oder in Form einer entsprechenden genauen Beschreibung.

 

Verfahrensgang

AG Herford (Aktenzeichen 11 OWi 43 Js 690/10 (318/10))

 

Tenor

1.

Die Rechtsbeschwerde wird dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit 3 Richtern zur Fortbildung des Rechts übertragen.

2.

Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.

3.

Die Kosten des Rechtsmittels einschließlich der notwendigen Auslagen

des Betroffenen werden der Staatskasse auferlegt.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Herford hat den Betroffenen durch das angefochtene Urteil vom 03. November 2010 vom Vorwurf der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gem. §§ 41 Abs. 1 i. V. m. Anlage 2, 49 StVO, 24, 25 Abs. 2 a StVG freigesprochen.

In dem Urteil hat das Amtsgericht u. a. folgendes ausgeführt:

"A.

Mit Bußgeldbescheid des Kreises I vom 24.02.2010 - Az.: ###.#####.# - wurde gegen den Betroffenen eine Geldbuße in Höhe von 105,-- € festgesetzt. Außerdem wurde ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat (unter Gewährung einer Abgabefrist für den Führerschein von vier Monaten) angeordnet. Dem Betroffenen wurde zur Last gelegt, am 15.01.2010 um 8.28 Uhr als Fahrer eines PKWs der Marke B, amtl. Kennzeichen ##-## ##, in I auf der außerorts gelegenen Umgehungsstraße B61 die durch Verkehrszeichen angeordnete Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um mindestens 27 km/h aus Fahrlässigkeit überschritten zu haben.

Die Geschwindigkeitsmessung wurde im Rahmen einer stationären Geschwindigkeitskontrolle (sogenannte "Starenkasten") festgestellt. Bei der Geschwindigkeitsmessung wurde ein Messgerät der Marke U eingesetzt. Von dem gemessenen Pkw und dem Fahrer wurde ein "Frontfoto" gefertigt. Der Pkw wurde nicht angehalten.

Im Laufe des Bußgeldverfahrens kam die Bußgeldbehörde zu dem Ergebnis, dass der Betroffene als Fahrer identifiziert werden könne.

Der Betroffene hat gegen den Bußgeldbescheid rechtzeitig Einspruch eingelegt.

Der Betroffene machte im Laufe des Bußgeldverfahren entweder keine Angaben zur Frage seiner Fahrereigenschaft oder aber er stritt seine Fahrereigenschaft ab. Im Hauptverhandlungstermin ist niemand erschienen, nachdem der Betroffene von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden worden war. In einem vorbereitenden Schriftsatz hatte der Verteidiger die Verwertbarkeit des Messfotos aus verfassungsrechtlichen Gründen gerügt.

B.

Bei dieser Sachlage war es nicht möglich, den Betroffenen als Täter der festgestellten Verkehrsordnungswidrigkeit zu identifizieren, so dass der Betroffene aus tatsächlichen Gründen freizusprechen war.

Das ergibt sich aus Folgendem:

Zum Nachweis der Fahrereigenschaft des Betroffenen stand lediglich das im Rahmen der Geschwindigkeitsmessung gefertigte "Frontfoto" zur Verfügung. Anderweitige Beweismittel waren nicht gegeben. Es kam deshalb im Rahmen der Beweiswürdigung auf die Frage an, ob die gefertigten Frontfotos von dem gemessenen Pkw-Fahrer trotz des ausdrücklichen Widerspruches des Betroffenen zu Beweiszwecken verwertet werden durften. Diese Frage hat das Gericht verneint. Für die gefertigten Frontfotos bestand nämlich ein Beweiserhebungsverbot, welches aufgrund des ausdrücklichen Widerspruchs des Betroffenen zu einem Beweisverwertungsverbot führte. Die Messfotos konnten deshalb nicht zu Lasten des Betroffenen verwertet werden."

Das Vorliegen eines Beweiserhebungsverbotes und eines daraus resultierenden Beweisverwertungsverbotes hat das Amtsgericht im Folgenden umfangreich und im wesentlichen damit begründet, dass eine gesetzliche Grundlage für die Anfertigung des durch die stationäre Verkehrsüberwachungsanlage U gefertigten Messfotos nicht bestehe. § 100 h Abs. 1 S. 1 StPO i. V. m. § 46 OWiG könne nicht (mehr) als ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die Anfertigung von Bildaufnahmen im Rahmen der Verkehrsüberwachung angesehen werden, da die Vorschrift keine Überprüfung der Zulässigkeit der Bildaufnahmen hinsichtlich des "Wie" und "Warum" ermögliche. Ausreichende Regelungen hierüber bestünden nicht. Das gem. § 47 Abs. 1 OWiG bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten der Verfolgungsbehörde eingeräumte Ermessen bedürfe der gerichtlichen Kontrolle auch im Einzelfall im Rahmen des Bußgeldverfahrens; auch müsse das Vorliegen jeweiliger "Gefahrenstellen" i. S. v. § 48 OBG NW, bei denen die Ordnungsbehörden zur Verfolgung von Geschwindigkeitsüberschreitungen befugt seien, näher geregelt und im Einzelfall zur Überprüfung gestellt werden. Es stehe nämlich zu vermuten, dass die in den letzten Jahren exzessiv angewachsene Geschwindigkeitsüberwachungspraxis der Straßenverkehrsbehörden im wesentlichen von fiskalischen Interessen motiviert (S...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge