Leitsatz (amtlich)

1. Die Einrichtung eines diskriminierungsfrei angewendeten qualitativen selektiven Vertriebssystems für den Vertrieb von Nahrungsergänzungsmitteln und Kosmetika verstößt auch dann, wenn es sich bei den vertriebenen Waren nicht um technisch hochwertige Waren und/oder Luxusgüter handelt, nicht gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV oder § 1 GWB, wenn die vertriebenen Waren von hoher Qualität sind und der Vertrieb auf begleitende Beratungs- und Betreuungsleistungen für den Kunden ausgerichtet ist, mit denen u.a. das Ziel verfolgt wird, dem Kunden ein in der Summe anspruchsvolles, qualitativ hochwertiges und höherpreisiges Endprodukt zu verdeutlichen und ein besonderes Produktimage aufzubauen oder zu erhalten.

2. Auch für den Vertrieb von Nahrungsergänzungsmitteln und Kosmetika kann es innerhalb eines selektiven Vertriebssystems zulässig sein, den Vertriebspartnern durch entsprechende Unternehmensrichtlinien den Vertrieb dieser Waren über eine bestimmte Online-Verkaufsplattform zu untersagen, um so das Produktimage und die dazu beitragende Praxis einer kundenbindenden Beratung zu wahren sowie in der Vergangenheit festgestellten und konsequent verfolgten produkt- und imageschädigenden Geschäftspraktiken einzelner Vertriebspartner vorzubeugen.

 

Normenkette

AUEV Art. 3, 101 Abs. 1; GWB §§ 1, 19-20; VO (EU) Nr. 330/2010 Art. 1 lit. e), Art. 2 Abs. 1, Art. 4 lit. c)

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 04.11.2016; Aktenzeichen 315 O 396/15)

 

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 04.11.2016 wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.

3. Das Urteil des Landgerichts und das Berufungsurteil sind jeweils ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung der Klägerin aus dem Urteil des Landgerichts wegen des Verbotes zu Ziff. 1. durch Sicherheitsleistung in Höhe EUR 34.000,00 und die Zwangsvollstreckung aus beiden Urteilen wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund der Urteile jeweils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung wegen des Unterlassungsanspruches Sicherheit in Höhe von EUR 34.000,00 und wegen der Kosten im Übrigen Sicherheit Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

 

Gründe

I. Die Klägerin, nimmt den Beklagten, ihren Vertriebspartner, auf der Grundlage u.a. ihrer Unternehmensrichtlinien auf Unterlassung der Bewerbung und des Vertriebs ihrer Nahrungsergänzungsmittel und Kosmetikprodukte auf der Internetplattform eBay in Anspruch.

Die Klägerin ist ein Tochterunternehmen der weltweit agierenden C Inc. mit Sitz in D., USA. Sie vertreibt langjährig im Rahmen eines geschlossenen Vertriebssystems über den ausschließlichen Vertriebsweg des Network Marketings sowie ergänzend über das Internet deutschlandweit Nahrungsergänzungsmittel, Kosmetika, Fitnessgetränke sowie Körperpflegeprodukte. Die Klägerin bezeichnet sich als Vorreiterin für die Nutzbarmachung der Aloe Vera Pflanze als Inhaltsstoff ihrer Produkte. Sie betreibt einen hohen Marketingaufwand und erstellt fortlaufend eigene Marketingunterlagen und Produktaussagen, die sie ihren Vertriebspartnern zur Verfügung stellt. Sie erzielt einen jährlichen Umsatz von mehr als 50 Millionen EUR. Innerhalb ihres Segments hat sie im Bereich des Vertriebs von Nahrungsergänzungsmitteln und Kosmetikprodukten über den Vertriebsweg des Network Marketings einen Marktanteil von nicht mehr als 10 % in Deutschland. In dem allgemeinen Segment des Vertriebs von Nahrungsergänzungen, Sportgetränken und Kosmetikprodukten hat die Klägerin Marktanteile in Deutschland, die deutlich unter 10 % liegen.

Der Beklagte ist Kaufmann und nach einer Schulung im Rahmen des Vertriebs des Network Marketings seit längerem Vertriebspartner der Klägerin.

Die Klägerin verwendet im Vergleich zu den Produkten anderer Wettbewerber hochwertige Rohstoffe mit einem hohen Wirk- und Reinheitsgrad und entwickelt diese ständig weiter. Die Produkte werden auch von Spitzensportlern verwendet. Aufgrund der hohen Qualität ihrer Produkte sowie des guten Markenimages hatte sich die Klägerin für das Vertriebssystem des Network Marketing entschieden. In diesem Rahmen erlaubt die Klägerin ihren Vertriebspartnern ergänzend auch den Vertrieb und die Bewerbung ihrer Produkte über das Internet. Sie bietet ihren Vertriebspartnern gegen eine Gebühr von 9,90 EUR/mtl. die Möglichkeit zur Nutzung von Internetshops ("Retail-Shops") an, die von ihr fortlaufend betreut werden. Dort stellt sie regelmäßig die erforderlichen Produktupdates sowie Produktbroschüren und -aussagen bereit. Ziel des Vertriebssystems der Klägerin ist es, den Endkunden mittels geschulter Vertriebspartner im Rahmen einer persönlichen Beratung und Betreuung für den jeweiligen Anwendungsbedarf und abgestimmt auf die persönlichen Bedürfnisse (Alter, Geschlecht, sportliche Ausrichtung, Gewichtswunsch, Krankheiten und Allergien, Lifestyle) das richtige Produkt zu empfehle...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge