Leitsatz (amtlich)

Die Substitution eines Strafgefangenen stellt keine rein ärztliche, sondern eine Maßnahme des Vollzuges dar, die sich insbesondere an den §§ 2 u. 3 StVollzG zu orientieren hat.

Die Dauersubstitution eines Strafgefangenen widerspricht in aller Regel den in den §§ 2 u. 3 StVollzG formulierten Zielen.

Ein die Gesundheit ernsthaft gefährdender "Beikonsum" zwingt die JVA zur Beendigung einer Substitution.

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Aktenzeichen 613 Vollz 188/00)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Strafvollzugsamtes wird der Beschluss des Landgerichts Hamburg - Große Strafkammer 13 - vom 4. 7. 01 aufgehoben.

Der Antrag der Beschwerdegegnerin auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdegegnerin trägt die Kosten des Verfahrens und ihre notwendigen Auslagen (§ 121 Abs. 2 Satz 1 StVollzG). Der Gegenstandswert wird auf 8. 000, - DM festgesetzt (§§ 13, 48 a GKG).

 

Gründe

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss die Frauenvollzugsanstalt Hahnöfersand, in der die jetzige Beschwerdegegnerin seit September 1999 einsitzt, verpflichtet, die Gefangene (weiter) mit Methadon zu substituieren, wobei die tägliche Methadondosis bis zum Erreichen der subjektiven Zufriedenheit der Gefangenen zu steigern sei.

Der angefochtene Beschluss teilt u. a. Folgendes mit:

Die Gefangene habe mehrere Freiheitsstrafen zu verbüßen, Strafende sei der 19. 6. 03. Sie sei seit langem schwer drogenabhängig, auch von Opiaten, es bestehe eine Hepatitisinfektion und ein Anfallsleiden, auch sei sie psychisch schwer krank. Mehrere Entgiftungen und Entwöhnungsbehandlungen seien gescheitert, seit 1994 werde sie substituiert. Nachdem der in der Anstalt für Substitutionsbehandlungen zuständige Arzt die Gefangene substituiert habe, sei sie auf Anweisung dieses Arztes ab September 2000 aus der Substitution "ausgeschlichen" worden, weil sie zuvor regelmäßigen Beikonsum von Cannabis und Benzodiazepinen gehabt habe und dieser Beikonsum nach Auffassung des Anstaltsarztes für die Gefangene extrem hohe gesundheitliche Risiken berge. Nach dem "Ausschleichen" habe sich die Gefangene innerhalb der Anstalt illegal Methadon und benzodiazepinhaltige Medikamente beschafft, um schwere Entzugserscheinungen abzumildern.

Im Oktober 2000 habe die Gefangene einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem eingangs dargestellten Ziel gestellt, diesen Antrag habe sie im Folgemonat zurückgenommen. In diesem Eilverfahren habe die Anstalt unmissverständlich erkennen lassen, dass sie dem Begehren der Gefangenen nicht stattgeben werde. Nachdem die Gefangene den gleichlautenden Antrag in der Hauptsache gestellt habe, habe das Landgericht einen Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt zur Frage der Notwendigkeit der (weiteren) Substitution bzw. zur Erforderlichkeit des Substitutionsabbruches angesichts des Beikonsums. Der Beschluss gibt dann die Äußerungen des beauftragten Sachverständigen (zusammengefasst) dahin wieder, die Gefangene sei in desolater psychischer Verfassung, ein "Ausschleichen" sei deshalb nicht zu vertreten, zumal die Gefangene alles daran setzen werde, sich illegal Methadon und andere Medikamente zu beschaffen, was in der JVA jederzeit möglich sei. Nach Darstellung des Sachverständigen bezögen sich die vom Anstaltsarzt ins Feld geführten gesundheitlichen Risiken von Methadonvergabe und Beikonsum auf Gegebenheiten, die vor der jetzigen Inhaftierung der Gefangenen gelegen hätten. Aus welchem Grund der Sachverständige diese Einschränkung vornahm und warum das Landgericht dieser Einschränkung folgt, teilt der Beschluss nicht mit. Das Landgericht führt dann weiter aus, es folge dem Sachverständigen und sei der Auffassung, eine Reduktion der Methadondosis könne bei der Gefangenen gerade zu verstärktem Beikonsum führen, wie die vergangen Monate belegten.

Das Landgericht ist der Auffassung, das an sich vorgeschriebene Widerspruchsverfahren sei entbehrlich, da sich das Begehren auf Vornahme einer Krankenbehandlung richte und die Anstalt im Eilverfahren unmissverständlich ihre Haltung habe erkennen lassen.

Das Landgericht führt aus, die Entscheidung des Anstaltsarztes entziehe sich zwar weitgehend der gerichtlichen Kontrolle, die Gefangene habe jedoch unter Zugrundelegung der überzeugenden Darstellung des Sachverständigen einen Anspruch auf Substitution. Eine Auseinandersetzung mit der o. g. Auffassung der Anstalt bzw. des Anstaltsarztes findet sich mit Ausnahme des Hinweises, die Gefahr des Beikonsums vergrößere sich bei einer Reduktion der Substitution, in dem angefochtenen Beschluss nicht.

Ausführungen zu der Frage einer "Ermessensreduzierung auf Null" enthält die landgerichtliche Entscheidung nicht.

Die Rechtsbeschwerdeführerin beantragt die Aufhebung des Beschlusses. Der ausführlichen Beschwerdebegründung ist zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin den beim Landgericht gestellten Antrag für unzulässig und unbegründet hält.

Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Rechtsbeschwerde zu verwerfen. Sie tr...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge