Leitsatz (amtlich)

›1. Ein Vollzugsplan bzw. dessen Fortschreibung sind unter zwei Gesichtspunkten gerichtlich überprüfbar:

a) Der Vollzugsplan kann insgesamt mit der Behauptung angefochten werden, das Aufstellungsverfahren sei fehlerhaft durchgeführt worden bzw. der Vollzugsplan genüge nicht den gesetzlichen Mindestanforderungen.

b) Der Vollzugsplan kann ferner angefochten werden, wenn und soweit er konkrete Regelungen im Einzelfall enthält.

2. Der Antrag auf gerichtliche Überprüfung eines Vollzugsplans erledigt sich nicht durch die Rechtshängigkeit der Klage gegen die Vollzugsplanfortschreibung. Die Fortschreibung ersetzt den Vollzugsplan nicht, sondern baut auf ihm auf und modifiziert ihn. Es handelt sich um einen identischen Streitgegenstand, über den in ein und demselben gerichtlichen Verfahren zu befinden ist.

3. Das Rechtsschutzbedürfnis zur Überprüfung der im Vollzugsplan und seinen Fortschreibungen getroffenen konkreten Maßnahmen (hier: Unterbringung im geschlossenen Vollzug, Versagung von Lockerungen, Rückstufung in die Entwicklungsgruppe) entfällt nicht dadurch, dass diese Maßnahmen bereits Gegenstand anderer gerichtlicher Verfahren sind. Die Bestimmungen über den Vollzugsplan begründen eigenständige Rechte und Pflichten, die gegenüber den einzelne Vollzugsmaßnahmen betreffenden Rechte und Pflichten verselbständigt sind (Anschluss an BVerfG, Beschl. v. 03.07.06).

4. Die Behandlungsuntersuchung erfordert nicht in jedem Fall die Mitwirkung von psychologischen Fachkräften. Vielmehr hat die Anstalt bei der Durchführung der Behandlungsuntersuchung insoweit einen Beurteilungsspielraum.

5. Zur Rüge der Verletzung des § 159 StVollzG (Aufstellung und Überprüfung des Vollzugsplans durch eine Konferenz mit an der Behandlung maßgeblich Beteiligten).

6. Zu den Anforderungen an die Begründung der Missbrauchsgefahr i.S.d. §§ 10 Abs. 1, 11 Abs. 2 StVollzG.‹

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Aktenzeichen 605 Vollz 217/05)

LG Hamburg (Aktenzeichen 605 Vollz 98/06)

LG Hamburg (Aktenzeichen 605 Vollz 246/06)

LG Hamburg (Aktenzeichen 605 Vollz 199/05)

 

Gründe

I.

Der Antragsteller/Beschwerdeführer begehrt Aufhebung und Neuerstellung seines Vollzugsplans. Am 27.11.2001 festgenommen, verbüßt er seit Februar 2002 Strafhaft in der JVA Fuhlsbüttel, und zwar zunächst den Rest einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren u.a. wegen Raubüberfällen mit Waffen, und danach eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren wegen Einbruchsdiebstahls in vier Fällen. 2/3-Zeitpunkt war der 01.03.07, Entlassungszeitpunkt ist der 02.07.08.

1. Auf seinen Antrag vom 22.03.04 erstellte die JVA, nachdem der Gefangene erfolgreich eine Vornahmeklage erhoben hatte, den Vollzugsplan vom 30.11.04. Er enthält in Teil III Buchstabe B Ausführungen zur Behandlungsbedürftigkeit des Gefangenen. So wird mitgeteilt, dass die Sozialtherapeutische Anstalt in Altengamme, in der er während der vorangegangenen Strafverbüßung eine Therapie absolviert hatte, eine erneute Aufnahme im März 2004 abgelehnt hatte, weil "die mangelnde Zusammenarbeit während ihrer Zeit in Altengamme und die schnelle Rückfälligkeit nach der Entlassungen zeigen, dass wir nicht die richtige Anstalt sind." Im Gegensatz dazu wird im Folgenden ausgeführt, der Gefangene habe nach den damaligen Beurteilungen und Berichten der Anstalt in der Sozialtherapie in Altengamme gut mitgearbeitet. Ferner heißt es im Vollzugsplan:

"Die Tatsache, dass Herr H. in der jetzigen Verbüßung anstaltsinterne Möglichkeiten zur Straftataufarbeitung nicht genutzt hat, führt - wie bereits geschehen - dazu, dass eine Missbrauchsgefahr nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden kann und dass Zweifel an einem ernsthaften Veränderungswillen aufkommen. Allerdings hat die Anstalt Herrn H. dieses Erfordernis bisher nicht deutlich gemacht. Eine Behandlungsuntersuchung erfolgte nicht und diese Vollzugsplanung ist die erste in dieser Verbüßungszeit. ...

Noch einmal: Ich halte eine Aufarbeitung der Defizite mithilfe der Sozialtherapie für erforderlich und Herrn H. für therapiewillig; eine Entlassung scheint zwischen 2/3 und Endstrafe ab August 07 möglich, sollte eine Veränderung und Erlernen von Strategien für Problemlösungen nachvollziehbar sein."

Unter Buchstabe I (Vollzugslockerungen) heißt es, die Therapie stehe im Vordergrund, eine Entscheidung über die - noch zu beantragende - Aufnahme bleibe abzuwarten.

Der Gefangene legte gegen den Vollzugsplan zunächst keinen Widerspruch ein, sondern erhob Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit, die das Landgericht mit Beschluss vom 25.05.05 als unzulässig verwarf. Am 30.05.05 beantragte er die Neuerstellung des Vollzugsplans mit der Begründung, der Vollzugsplan sei ab

"III. Maßnahmen" unvollständig und nicht nachprüfbar bzw. einseitig negativ. Dieser Antrag war zunächst bei der JVA nicht auffindbar. Nachdem ihn der Gefangene am 05.09.05 erneut eingereicht hatte, lehnte die Anstalt ihn am 12.09.05 ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 05.10.05 als un...

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