Entscheidungsstichwort (Thema)

Lebensversicherungsvertrag: Verwirkung des Widerspruchsrechts trotz fehlerhafter Widerspruchsbelehrung

 

Normenkette

BGB § 242; VVG § 5a

 

Verfahrensgang

LG Wiesbaden (Urteil vom 29.01.2021; Aktenzeichen 7 O 1540/20)

 

Tenor

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Die Berufung der Klägerin gegen das am 29. Januar 2021 verkündete Urteil des Landgerichts Wiesbaden, Az.: 7 O 1540/20, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main sind vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird festgesetzt auf:

bis zu 10.000 EUR.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um Ansprüche im Zusammenhang mit einem durch die Klägerin im Jahr 2020 erklärten Widerspruch gegen einen Lebensversicherungsvertrag, zu welchem die Parteien im Jahr 2004 Erklärungen abgaben. Nach diesen sollte Versicherungsbeginn der 1. November 2004 und Beitragszahlungsablauf der 1. November 2016 sein.

Das Policenbegleitschreiben vom 29. Oktober 2004 enthielt auf der ersten (und einzigen) Textseite im Fettdruck folgende Widerspruchsbelehrung:

Der Vertrag gilt auf der Grundlage der beigefügten Unterlagen - Versicherungsschein, Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen - als abgeschlossen, wenn Sie nicht innerhalb von 14 Tagen ab Erhalt dieser Unterlagen uns gegenüber schriftlich widersprechen. Um diese Frist zu wahren, genügt es, den Widerspruch innerhalb dieser Frist an uns abzusenden.

Im weiteren Verlauf wurden auf Antrag der Klägerin Änderungen der vertraglich vorgesehenen Vereinbarungen vorgenommen, u.a. wurde der Vertrag seit dem 1. November 2011 beitragsfrei fortgeführt. Die Klägerin wollte den Vertrag zu Ende führen, um damit in den Genuss der steuerbegünstigen Ablaufleistung zu kommen. Mit Schreiben vom 10. Dezember 2013 teilte die Klägerin der Beklagten den Wechsel ihres Finanzmaklers mit. Mit Schreiben vom 28. Juli 2016 wählte die Klägerin als Ablaufleistung eine Auszahlung als Geldleistung. Die Beklagte brachte daraufhin 40.913,47 EUR zur Auszahlung.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 24. Januar 2020 erklärte die Klägerin den Widerspruch gegen den Abschluss des Lebensversicherungsvertrages. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, nicht wirksam über ihr Widerspruchsrecht belehrt worden zu sein, da die Belehrung über die Schriftform unrichtig und die Belehrung drucktechnisch nicht hinreichend hervorgehoben worden sei.

Vor dem Landgericht hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 9.508,50 EUR nebst Verzugszinsen seit dem 28. Januar 2020 zu verurteilen und sie von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 887,03 EUR freizustellen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat gemeint, die Belehrung über Schriftform statt Textform stelle einen marginalen Fehler dar. Die Klägerin habe mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass sie den Vertrag fortführen wolle. Ein Recht zum Widerspruch sei deshalb jedenfalls verwirkt.

Das Landgericht hat die Klage mit seinem am 29. Januar 2021 verkündeten Urteil abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Widerspruchsbelehrung zwar den gesetzlichen Anforderungen nicht genüge, da über eine Erklärung in Textform zu belehren gewesen sei. Die Klägerin könne sich aber nicht auf ein möglicherweise fortbestehendes Widerspruchsrecht berufen, weil dessen Geltendmachung jedenfalls wegen widersprüchlichen Verhaltens gegen Treu und Glauben verstoße. Zwar sei der Versicherer grundsätzlich nicht schutzwürdig, wenn er den Versicherungsnehmer nicht ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt habe. In Ausnahmefällen könne dem Versicherungsnehmer die Geltendmachung seines Rückabwicklungsanspruchs aber verwehrt sein, wenn besonders gravierende Umstände vorlägen. Solche seien hier gegeben. Die Klägerin habe durch Aufforderung an die Beklagte zur Auszahlung zum Ausdruck gebracht, dass sie den Vertrag als wirksam ansehe. Mit der vollständigen Durchführung des Vertrages über eine Dauer von 12 Jahren, der Erbringung der eigenen und der Auswahl und Annahme der Gegenleistung der Beklagten habe die Klägerin unmissverständlich zu erkennen gegeben, von einem etwaigen Lösungsrecht keinen Gebrauch machen zu wollen, sondern an dem Vertrag festhalten und diesen uneingeschränkt durchführen zu wollen. Dazu stehe die Widerspruchserklärung in krassem Widerspruch. Dieser sei überdies unter Verwendung eines Textbausteins erklärt worden, da ausgeführt werde, dass weitere Beitragszahlungen nur noch unter dem Vorbehalt der Rückforderung geleistet würden. Zu diesem Zeitpunkt sei das Vertragsverhältnis bereits mehrere Jahre beendet gewesen, Beitragspflichten der Klägerin hätten wegen der Freistellung noch länger nicht mehr bestanden.

Zudem habe die Klägerin eine Belehrung über ihr Widerspruchsrecht als solches erhalten. Die Belehrung sei auch drucktechnisch hinreichend auf dem eine Seite langen Text hervorgeho...

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