Leitsatz (amtlich)

1. Zur Bindung des überlebenden Ehegatten an eine Erbeinsetzung in einem Ehegattentestament (hier der Nichten der Ehefrau nach dem Letztversterbenden) wegen Wechselbezuges

2. Aus der Bestimmung im Ehegattentestament, dass der "Überlebende ... über das gesamte Vermögen unter Lebenden (soll) frei verfügen" können, kann sich ein Indiz für einen Bindungswillen des Erblassers im Sinne einer Wechselbezüglichkeit in Bezug auf die Schlusserbeneinsetzung ergeben.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 2084, 2270 Abs. 1, § 2271 Abs. 2, §§ 2353, 2359

 

Verfahrensgang

AG Viersen (Beschluss vom 28.12.2012; Aktenzeichen 8 VI 15/12)

 

Tenor

Das Rechtsmittel wird auf Kosten der Beteiligten zu 3 zurückgewiesen.

Wert: 165.000 EUR

 

Gründe

I. Der am 24.2.1927 geborene, am 16.11.2011 verstorbene Erblasser und seine vorverstorbene Ehefrau A. hatten keine Kinder; die Beteiligten zu 1 und 2 sind die Töchter der Schwester der Ehefrau des Erblassers; die am 16.4.1980 verstorbene H. D. war die Mutter des Erblassers und ist von diesem beerbt worden. Die Beteiligte zu 3 ist die vom Erblasser adoptierte Tochter seiner Lebensgefährtin.

Die Eheleute errichteten am 25.5.1975 ein u. A. wie folgt lautendes gemeinschaftliches Testament:

"...

1.) Wir setzen uns gegenseitig zum Alleinerben ein.

Der Überlebende kann über das gesamte Vermögen unter Lebenden

frei verfügen.

2.) Nach dem Tode des Letztlebenden von uns erhält:

Frau H. D. geb. B.,... das Barvermögen (ausgestellte

Bankvollmachten).

Unsere Nichten U. K.,... und A. Kü. das Erbteil B. str. (die Häuser Nr. 138 + 144 und 1/3 Anteil der Erbengemeinschaft) je zur Hälfte.

Frau H. D. erhält das Haus in Krefeld-Forstwald, einschließlich allen Hab und Gutes.

...

4.) Zur Testamentsvollstreckerin bestimmen wir:

Frau H. D.

5.) Sollte die Testamentsvollstreckerin versterben, geht alles von uns vererbte Hab und Gut an unsere Nichten U. K. und A. K. je zur Hälfte, auch das von uns vermachte Barvermögen ..."

Nachdem seine Ehefrau 1976 an Krebs erkrankt und am 5.8.1979 verstorben war, wandte sich der Erblasser 1987 einer neuen Lebensgefährtin, der Mutter der Beteiligten zu 3, zu.

Der Erblasser errichtete zu Urk.-R.- Nr. 1339/2010 des Notars Dr. O. in Viersen vom 15.7.2010 ein Testament u. A. folgenden Wortlauts:

"... § 1 ...

1. ... Hiermit widerrufe ich alle in dem voraufgeführten Testament von mir als Längstlebenden getroffenen Verfügungen von Todes wegen.

Die in dem voraufgeführten Testament von dem Längstlebenden getroffenen Verfügungen sind nicht wechselbezüglich, sondern einseitig getroffen worden.

2. Vorsorglich widerrufe ich hiermit alle etwaigen weiteren früheren Verfügungen von Todes wegen dem gesamten Inhalt nach, soweit dies gesetzlich zulässig ist ...

§ 2 ...

1. Hiermit bestimme ich zu meinem Erben meine Tochter ... S... M ...

2. Sollte meine Tochter vor mir versterben oder sonstwie fortfallen, so bestimme ich für den Fall zum Ersatzerben

... A. P.

Sollte auch ... A. P. vor mir versterben oder sonstwie fortfallen, so bestimme ich zum weiteren Ersatzerben

... J. M.,..."

Die Beteiligte zu 1 hat unter dem 10./16.1.2012 die Unwirksamkeit des Testaments vom 11.8.2010 (richtig: 15.7.2010) reklamiert und, gestützt auf das gemeinschaftliche Testament der Eheleute vom 25.5.1975, zu Urk.-R.- Nr. 343/2012 am 1.3.2012, einen Erbschein beantragt, der als Erben nach dem Erblasser zu 1/2 Anteil sie sowie ihre Schwester, die Beteiligte zu 2, ausweist.

Die Beteiligte zu 3 ist dem entgegen getreten und hat geltend gemacht, ihre Begünstigung durch das Testament vom 15.7.2010 sei wirksam, insbesondere stehe eine die Beteiligten zu 1 und 2 als Erben begünstigende wechselbezügliche Verfügung aus dem Ehegattentestament vom 25.5.1975 nicht entgegen; es habe schon zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung eine nähere persönliche Beziehung der Eheleute zu den Beteiligten zu 1 und 2 nicht bestanden; das in den Nachlass fallende Vermögen sei nicht von der Ehefrau, sondern allein vom Erblasser erwirtschaftet worden.

Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 28.12.2012 die zur Begründung des Antrags der Beteiligten zu 1 erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet, die sofortige Wirkung des Beschlusses ausgesetzt und die Erteilung des beantragten Erbscheins bis zur Rechtskraft der Entscheidung zurückgestellt.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beteiligten zu 1 und 2 hätten den Erblasser zu jeweils 1/2 beerbt, was sich aus Ziff. 5 des Ehegattentestaments vom 25.5.1975 ergebe. Die Regelung sei dahin auszulegen, dass sie auch den hier eingetretenen Fall des Versterbens der als Testamentsvollstreckerin eingesetzten Mutter des Erblassers, Frau H. D., nach dem Erstversterbenden, aber vor dem Letztversterbenden regelt. Die Regelung sei nicht dahin zu interpretieren, dass sie nur den Fall des Todes der Testamentsvollstreckerin auch nach dem Letzt- versterbenden regelt; eine solche Einschränkung lasse sich Ziff. 5 nicht entnehmen; diese Regelung bringe nur zum Ausdruck, dass bei Versterben der Mutter des Erblassers (wann auch immer) eine "Anwa...

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