Leitsatz (amtlich)

1. Ein in Malta ansässiger Glückspielanbieter mit maltesischer Glückspiellizenz, der im Zeitraum Juni 2019 bis Mai 2020 die Teilnahme an Online-Glücksspielen in Deutschland (außerhalb von Schleswig-Holstein) angeboten hat, hat gegen § 4 Abs. 4 Glücksspielstaatsvertrag vom 15.12.2011 (GlüStV 2011) verstoßen.

2. Der zwischen einem solchen Glücksspielanbieter und einem in Sachsen/Deutschland sich aufhaltenden Spieler geschlossene Spielvertrag ist gemäß § 134 BGB nichtig wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2011.

3. Leistungen des Spielers an einen solchen Online-Glücksspielanbieter sind ohne Rechtsgrundlage erfolgt und können nach § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB zurückgefordert werden.

4. Die Kondiktionssperre des § 817 Satz 2 BGB ist in solchen Fällen nicht anwendbar wegen des Sinns und Zwecks des Verbotsgesetztes.

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Aktenzeichen 04 O 1013/21)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 24.03.2022 - 04 O 1031/21 - abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 19.250,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.07.2021 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird weiter verurteilt an die Klagepartei einen Betrag in Höhe von EUR 1.171,67 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.07.2021 zu bezahlen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens

III. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 19.250,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Der Kläger fordert von der Beklagten die Rückzahlung verlorener Glücksspieleinsätze. Auf den Tatbestand des im Tenor genannten Urteils des Landgerichts Dresden wird zunächst Bezug genommen.

Die in Malta ansässige Beklagte bietet auf der Website https://www...de virtuelle Glücksspiele an, die wie Glücksspielautomaten funktionieren sollen. Sie verfügt in Malta über eine Glücksspiel-Erlaubnis, nicht aber in Deutschland. Der Kläger hatte sich auf der Webseite des Online-Casinos der Beklagten mit Namen und Adresse angemeldet und verspielte dort zwischen dem 22.06.2019 und dem 29.05.2020 insgesamt 19.250,00 EUR, indem er 25.850,00 EUR einsetzte, aber nur 6.600,00 EUR gewann. Die Beklagte hatte auf der Webseite angegeben, dass sie über eine Lizenz zum Betrieb des Online-Casinos verfüge.

Der Kläger verlangt Rückzahlung der verlorenen Beträge. Er verweist darauf, dass nach § 4 Abs. 4 des bis 2021 geltenden Glücksspielstaatsvertrags vom 15.12.2011 (im Folgenden: GlüStV 2011) das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten gewesen und der Glücksspielvertrag nichtig sei. Er behauptet, er habe keine Kenntnis von der Illegalität des Online-Glücksspiels gehabt. Außerdem sei er spielsüchtig.

Die Beklagte stellt sich auf den Standpunkt, das von ihr angebotene Glücksspiel-Angebot im Internet sei vollkommen legal gewesen. Denn das deutsche Verbot des § 4 Abs. 4 GlüStV 2011 verstoße gegen EU-Recht (Dienstleistungsfreiheit) und sei deswegen unwirksam.

Zugleich bestreitet die Beklagte, dass der Kläger keine Kenntnis von der rechtlichen Unsicherheit bezüglich des Online-Glücksspiels gehabt habe. Sie verweist dazu auf diverse Medienberichte, die der Kläger zur Kenntnis genommen haben müsse. Er habe daher sehenden Auges in Kauf genommen, an einem möglicherweise illegalen Glücksspiel teilzunehmen und habe sich nach § 285 StGB strafbar gemacht. Jedenfalls könne er wegen der Kondiktionssperre des § 817 Satz 2 BGB und nach Treu und Glauben keine Rückzahlung verlangen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Im Ausgangspunkt habe der Kläger zwar einen Anspruch gegen die Beklagte aus ungerechtfertigter Bereicherung, § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB weil der Vertrag über die Teilnahme des Klägers an dem von der Beklagten angebotenen Online-Glücksspiel wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Gebot, nämlich § 4 Abs. 4 GlüStV 2011. gemäß § 134 BGB nichtig sei und die Beklagte deswegen die Spieleinsätze des Klägers ohne Rechtsgrund erlangt habe. Der Rückforderungsanspruch des Klägers sei aber durch die Kondiktionssperre des § 817 Satz 2 BGB ausgeschlossen, da auch dem Kläger selbst durch die Teilnahme an dem verbotenen Online-Glücksspiel ein Gesetzesverstoß zur Last liege, der den Tatbestand des § 285 StGB erfülle. Der Kläger habe zwar angegeben, er habe nicht gewusst, dass Online-Glücksspiel verboten gewesen sei, das Landgericht gehe aber davon aus, dass er sich leichtfertig der Einsicht in die Illegalität seines Handelns verschlossen habe. Denn es sei in den Medien, im Fernsehen, in großen Zeitungen und im Internet darüber berichtet worden und es sei nicht glaubwürdig, dass ein Nutzer von Online-Glücksspiel, der sowohl das Internet nutze als auch fernsehe, nicht mitbekommen habe, dass Online-Glücksspiel verboten gewesen sei. Dem Kläger sei seine verbotswidrige Handlung auch zuzurechnen, da er sich bei der Teilnahme am Glücksspiel nicht ...

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