Leitsatz (amtlich)

1. Für die Beweiserleichterung des "äußeren Bildes" eines versicherten Kfz-Diebstahls ist Voraussetzung, dass der Versicherungsnehmer sowohl das Abstellen als auch das anschließende Nichtwiederauffinden des Fahrzeuges beweist.

2. Der behauptete Diebstahl eines Kfz kann auch durch die Verwertung eines Strafurteils als Urkundenbeweis bewiesen werden.

3. Die falsche Angabe der Gesamtlaufleistung eines PKW ist unerheblich und wirkt sich nicht zum Nachteil des Versicherers aus, wenn der Versicherungsnehmer eine Neuwertentschädigung geltend macht.

 

Verfahrensgang

LG Dresden (Aktenzeichen 8 O 982/21)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.

2. Die Beklagte hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Sie sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.

3. Dem Kläger wird für das Berufungsverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... & Partner Rechtsanwälte GbR, Dresden, bewilligt.

Der Termin zur mündlichen Verhandlung am 05.07.2022 wird aufgehoben.

 

Gründe

Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung der Beklagten bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.

1. Das Landgericht hat ohne Fehler in der Beweiswürdigung gemäß § 529 ZPO angenommen, dass der Kläger den Beweis für das äußere Bild eines versicherten Diebstahls geführt hat und der Beklagten der ihr obliegende Gegenbeweis eines nur vorgetäuschten Diebstahls nicht gelungen ist.

a) Der Kläger hat zur Überzeugung des Gerichtes nachweisen können, dass ein Versicherungsfall i.S.v. Ziffer A.2.5 gemäß den zwischen den Parteien vereinbarten Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (im Folgenden: AKB) eingetreten ist. Der Kläger muss hierfür nicht den behaupteten Diebstahl an sich beweisen. Es genügt vielmehr, dass er das "äußere Bild" einer bedingungsgemäßen Entwendung nachweist. Hierfür reicht bereits der Nachweis eines Mindestmaßes an Tatsachen aus, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf die Entwendung zulassen. Zu diesem Maß an Tatsachen gehört, dass der Versicherungsnehmer nachweist, dass das versicherte Fahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt wurde und zu einem bestimmten späteren Zeitpunkt an diesem Ort nicht wieder aufgefunden werden konnte (BGHZ 130, 1,3). Erforderlich ist dabei, dass der Versicherungsnehmer die beiden unabhängig voneinander zu betrachtenden Teilakte eines Fahrzeugdiebstahls - das Abstellen und das Nichtwiederauffinden - in vollem Umfang beweist. Diesen Nachweis hat der Kläger erbracht. Er hat im Rahmen seiner Anhörung vor dem Landgericht glaubhaft und nachvollziehbar geschildert, wie er das Fahrzeug am Abend des 15.04.2019 gegenüber seinem Wohnhaus in der S... Str. in D... abgestellt und am Morgen des 16.04.2019, als er seinen Sohn gegen 7.30 Uhr zur Schule fahren wollte, nicht mehr aufgefunden habe. Der Tatsachenvortrag des Klägers wird zur Überzeugung des Senats wie auch des Landgerichts bewiesen durch die Verurteilung des Angeklagten K... wegen schweren Bandendiebstahls in neun Fällen - darunter auch der unter Tat Nr. 6 aufgeführte Diebstahl des streitgegenständlichen Fahrzeugs - mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Dresden - Große Strafkammer - vom 07.08.2020, Az 14 Kls 424 Js 34441/19. Entgegen dem Berufungsvorbringen war die Große Strafkammer des Landgerichts Dresden nicht nur wegen des erbrachten Tatnachweises mittels Mantrailer-Spürhunde davon überzeugt, dass der Angeklagte das bei der Beklagten versicherte Fahrzeug gestohlen hat. Vielmehr waren die Standortdaten eines bei dem Angeklagten aufgefundenen mobilen Navigationsgerätes für die Verurteilung entscheidend, da sie eine konkrete Verbindung zum behaupteten Zeitpunkt und Ort des Diebstahls des streitgegenständlichen Fahrzeugs hergestellt haben. Hinzu kamen die auf das konkrete Fahrzeug bezogenen Einträge in einem ebenfalls beim Angeklagten aufgefundenen Notizbuch als weiteres belastendes Indiz (vgl. S. 28 und 29 des Urteils, Anlage K2). Dagegen sind die von der Berufung geltend gemachten Zweifel an der Verurteilung nicht begründet. Zwar war der Verurteilte nur hinsichtlich eines Teils der ihm zur Last gelegten Fahrzeugdiebstähle geständig, zu denen der Diebstahl des streitgegenständlichen Fahrzeugs nicht gehörte. Dies steht aber im Zusammenhang mit dem gegen die Verwertung der beiden Beweismittel Navigationsgerät und Notizbuch von der Verteidigung eingelegten Widerspruch, der aber von der Großen Strafkammer des Landgerichts al...

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