Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Handlungen, die der abgelehnte Richter nach § 47 ZPO vornehmen darf, da sie "keinen Aufschub gestatten", gehört zwar die Aufhebung eines Termins, nicht aber die Terminsbestimmung, also auch nicht die Anberaumung eines neuen Termins.

2. Verstößt ein Richter gegen die Wartepflicht nach § 47 ZPO rechtfertigt dies - für sich gesehen - noch nicht die Besorgnis der Befangenheit, da Verfahrensverstöße im Rahmen der Prozessleitung oder fehlerhafte Entscheidungen grundsätzlich kein Ablehnungsgrund sind. Den Rückschluss auf die Befangenheit lassen Verfahrensfehler nur in besonderen Fällen zu, wofür allerdings ein - insb. wiederholter oder mit anderen Verfahrensfehlern verbundener - Verstoß gegen § 47 ZPO ausreichen kann.

 

Verfahrensgang

LG Lüneburg (Beschluss vom 31.05.2006; Aktenzeichen 3 O 282/05)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 22.6.2006 gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des LG Lüneburg vom 31.5.2006 wird zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 79.380,06 EUR.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde ist unbegründet; zu Recht hat das LG die Anträge der Beklagten vom 27.4.2006 und 2.5.2006 zurückgewiesen, da ein Grund für die Besorgnis der Befangenheit von Richter am LG ... nicht vorliegt.

Gemäß § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Dabei muss es sich um einen Grund handeln, der vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken kann, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch ggü. Nicht erforderlich ist, dass der Richter tatsächlich befangen ist. Entscheidend ist allein, ob aus der Sicht des Ablehnenden konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die auch einer um Objektivität bemühten Partei Anlass geben könnten, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln. Dies ist hier nicht der Fall.

1. Das LG hat zutreffend angenommen, dass die Verfügung von Richter am LG ... vom 26.4.2006, mit der er zum Ausdruck gebracht hat, den Termin zur Beweisaufnahme und Fortsetzung der mündlichen Verhandlung am 3.5.2006 auch im Hinblick auf die Widerklage vom 26.4.2006 nicht zu verlegen, keinen Grund für die Annahme darstellt, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen ggü..

Mit seiner Einschätzung, ob der bis dahin rechtshängige Teil der Klage nach einer Beweisaufnahme - in welche Richtung auch immer - entscheidungsreif sein könne, hat Richter am LG ... ersichtlich eine Rechtsauffassung zum Ausdruck gebracht. Abgesehen davon, dass sich Richter am LG ... nicht einmal zum Ausgang der Sache selbst geäußert hat, rechtfertigen (geäußerte) Rechtsauffassungen des Richters keine Befangenheitsbesorgnis (Zöller/Vollkommer, ZPO, § 42 Rz. 28).

Richter am LG ... hat im Übrigen nicht - wie von der Beklagten geltend gemacht wird (S. 2 des Schriftsatzes v. 27.4.2006, Bl. 12 SH) - "offensichtlich unbeachtet" gelassen, dass die Beklagte vorgetragen habe, der Kläger habe im vorliegenden Rechtsstreit den ihn treffenden Teil der vertraglichen Verpflichtungen nicht erfüllt. Insbesondere ist der Verfügung nicht zu entnehmen, dass der Richter "die von der Beklagten vorgetragenen Einwendungen und Einreden unbeachtet lassen will". Es war ersichtlich eine Beweisaufnahme über eine von der Beklagten behauptete (Teil-)Erfüllung der Klageforderung in Aussicht genommen. Dies sagt noch nichts darüber aus, wie das Gericht über mögliche Einwendungen der Beklagten entscheiden wollte, wozu sich im Übrigen der Richter auch in seiner dienstlichen Äußerung vom 1.5.2006 (Bl. 15 SH) geäußert hat, indem er auf §§ 274, 322 BGB hingewiesen hat. Sofern dazu die Beklagte mit ihrem Schriftsatz vom 12.5.2006 (Bl. 23 SH) hat anmerken lassen, dass der Richter erst dadurch zum Ausdruck gebracht hätte, er beabsichtigte im vorliegenden Rechtsstreit eine Verurteilung Zug um Zug, woran er mit Blick auf § 308 Abs. 1 S. 1 ZPO - ne ultra petita - sich nicht gehindert sehe, ist dies nicht nachzuvollziehen. Gerade der Beklagtenvertreter hatte sich in der mündlichen Verhandlung vom 15.2.2006 (Bl. 118 R. d.A.) ggü. der Klageforderung "auf die Einrede des nicht erfüllten Vertrages" berufen. Dass eine Zug-um-Zug-Verurteilung ein "Weniger" ggü. dem uneingeschränkten Klageantrag darstellt, wobei es dazu weder eines Antrages des Klägers noch des Beklagten bedarf (letzterer hat lediglich die Einrede zu erheben, was hier geschehen ist), liegt auf der Hand.

2. Auch die Verfügung von Richter am LG ... vom 28.4.2006 (Bl. 161 R. d.A.) rechtfertigt nicht die Besorgnis der Befangenheit.

Zwar liegt in der Verfügung vom 28.4.2006, mit der der Richter - im Hinblick auf das laufende Ablehnungsverfahren - den Termin vom 3.5.2006 aufgehoben und einen neuen Termin auf den 14.6.2006 unter Umladung der Zeugin und Fristsetzung zur Stellungnahme auf die Widerklage anberaumt hat, ein Verfahrensfehler, denn der abgelehnte Richter durfte nach § 47 ZPO nur solche Handlung...

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