Leitsatz (amtlich)

Keine Verletzung der Aufklärungsobliegenheiten in der Kraftfahrtversicherung durch Beihilfe zum unerlaubten Entfernen vom Unfallort durch Unterlassen, wenn der Geschäftsführer als Repräsentant der Halterin als Beifahrer des Unfallfahrzeuges die Fahrzeugführerin nicht daran hindert, sich nach dem Unfall unerlaubt vom Unfallort zu entfernen und das Fahrzeug am Unfallort verbleibt.

 

Normenkette

VVG § 6 Abs. 3; AKB § 7 Nr. 1 Abs. 2, § 12 Abs. 1, § 13 Abs. 1; StGB §§ 13, 27, 142 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Bremen (Urteil vom 05.04.2007; Aktenzeichen 6 O 1631/06)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 6. Zivilkammer des LG Bremen vom 5.4.2007 abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 64.825,06 EUR nebst Zinsen von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.1.2005 zu zahlen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten, ihrem Kaskoversicherer, Ersatz für einen an ihrem Fahrzeug entstandenen Unfallschaden.

Die Klägerin hatte ihr Kraftfahrzeug des Typs Aston Martin mit dem amtlichen Kennzeichen [...] bei der Beklagten unter Einbeziehung der Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB) mit einer Selbstbeteiligung von 500 EUR kaskoversichert. Am 30.9.2004 gegen 2:30 Uhr kam das Fahrzeug in einer Rechtskurve auf der M.-Allee in Bremen in Geradeausfahrt von der Fahrbahn ab, fuhr ca. 30 Meter in den R.-Park hinein und stieß dort gegen einen Baumstumpf. Gefahren wurde das Fahrzeug von Frau [...] (im Folgenden: Fahrzeugführerin). Beifahrer war Herr [...], einer der damals zwei Geschäftsführer der Klägerin (im Folgenden: Geschäftsführer). Nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin warteten der Geschäftsführer und die Fahrzeugführerin zunächst am Fahrbahnrand, ohne dass Fahrzeuge oder Passanten die Unfallstelle passierten. Ein Mobiltelefon wurde von beiden nicht mitgeführt. Etwa eine Stunde nach dem Unfall entfernten sich die Fahrzeuginsassen gemeinsam zu Fuß vom Unfallort und begaben sich in die nahe gelegene Wohnung des Geschäftsführers. Dieser benachrichtigte gegen 11.00 Uhr des Tages die Polizei, die sich nach Aufnahme der Ermittlungen zu diesem Zeitpunkt bereits an den anderen Geschäftsführer der Klägerin gewandt hatte. Durch den Unfall ist an den Pflanzen des R.-Parks ein Schaden von ca. 7.000 EUR entstanden. Die Reparaturkosten an dem Fahrzeug der Klägerin betragen nach einem von der Beklagten eingeholten Gutachten des Dipl.-Ing. [...] 65.325,06 EUR (netto) bei einem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs von 114.850 EUR.

Die Fahrzeugführerin wurde durch das AG Bremen rechtskräftig wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 35 EUR verurteilt (Az.: [...]).

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass eine Leistungsfreiheit der Beklagten mangels einer ihr, der Klägerin, zurechenbaren Obliegenheitspflichtverletzung nicht bestehe. Sie habe alle Anzeigepflichten ggü. der Beklagten erfüllt. Insbesondere stelle das Verhalten des Geschäftsführers keine Beihilfe zur Unfallflucht durch Unterlassen im strafrechtlichen Sinne dar.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 65.623,06 EUR nebst Zinsen von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.1.2005 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, dass der Geschäftsführer der Klägerin nicht habe zulassen dürfen, dass die Fahrzeugführerin sich unerlaubt vom Unfallort entferne. Daraus folge, dass die Klägerin durch ihren Vertreter gegen die Aufklärungsobliegenheit des § 7 Nr. 1 Abs. 2 AKB verstoßen habe und sie, die Beklagte, von ihrer Leistungspflicht befreit sei. Hinzu komme, dass weitere (näher benannte) Aufklärungspflichtverletzungen vorlägen.

Mit Urteil vom 6.4.2007 hat das LG Bremen die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die Beklagte wegen einer Obliegenheitspflichtverletzung der Klägerin nach § 7 Nr. 1 Abs. 2 AKB, § 6 Abs. 3 VVG von ihrer Leistungspflicht befreit sei. Der Geschäftsführer der Klägerin habe sich als deren Repräsentant der Beihilfe zu dem von der Fahrzeugführerin verwirklichten Straftatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort gem. §§ 142 Abs. 2, 27, 13 StGB strafbar gemacht. Entgegen seiner Pflicht als Repräsentant der Halterin des verunfallten Fahrzeugs i.S.v. § 13 StGB habe er es unterlassen sicherzustellen, dass die Fahrzeugführerin unverzüglich nach dem Unfall die Polizei benachrichtigt, etwa von seiner Wohnung aus. Damit habe der Geschäftsführer gegen die Auskunftsobliegenheit des § 7 Nr. 1 Abs. 2 AKB verstoßen. Dies müsse sich die K...

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