Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum Umfang der Verkehrssicherungspflichten einer Gemeinde zur Reinhaltung von Straßen- und Wegeflächen von Herbstlaub und zum Mitverschulden eines Verkehrsteilnehmers beim Begehen oder Befahren einer laubbedeckten Wegefläche, wenn mit Hindernissen unter dem Laub zu rechnen ist

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Gemeinde schuldet im Rahmen ihrer Verkehrssicherungspflichten nicht ein generelles ständiges Reinhalten sämtlicher Straßen- und Wegeflächen von jeglichem Laubfall.

2. Grundsätzlich ist für die Erfüllung der Verkehrssicherungspflichten einer Gemeinde zur Laubbeseitigung auf Straßen- und Wegeflächen im städtisch bebauten Bereich im Allgemeinen jedenfalls ein Reinigungsintervall von einer Woche ausreichend. Anderes gilt dann, wenn wegen einer besonderen Natur der betreffenden Verkehrsfläche, wie etwa bei Fußgängerzonen und ähnlichen Bereichen oder anderweitig besonders stark genutzten Wegen oder wegen einer besonderen durch den Laubfall geschaffenen Gefahr, wie etwa bei besonderen Mengen des Laubes oder dadurch ausgehender Rutschgefahr, nach den Umständen eine häufigere Laubbeseitigung geboten ist.

3. Wer als Verkehrsteilnehmer ohne nähere Prüfung eine laubbedeckte Fläche begeht oder befährt, statt sie zu meiden oder besondere Vorsicht walten zu lassen, beachtet nicht die im Verkehr gebotene Sorgfalt. Ist für den Verkehrsteilnehmer mit Hindernissen unter dem die Verkehrsfläche bedeckenden Laub zu rechnen, dann schließt sein Mitverschulden die Haftung des Verkehrssicherungspflichtigen aus, wenn der Verkehrsteilnehmer die Laubfläche begeht oder befährt, ohne sich über mögliche Gefahren zu vergewissern.

 

Normenkette

BGB § 254 Abs. 1, § 823 Abs. 1, § 839 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Bremen (Aktenzeichen 1 O 1702/16)

 

Tenor

I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Bremen vom 27.11.2017, Az.: 1 O 1702/16, durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

II. Dem Kläger wird Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 30.04.2018 gegeben.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz aus einer geltend gemachten Amtspflichtverletzung in Bezug auf die Verkehrssicherungspflichten der beklagten Gemeinde zur Beseitigung von Herbstlaub auf einem Radweg in Anspruch.

Der Kläger befuhr am 01.11.2015 mit seinem Fahrrad den Rad- und Gehweg der C.-Straße in B. und stürzte im Kreuzungsbereich zur D.-Straße, wobei er sich erheblich verletzte. Der Rad- und Gehweg war dort zum Unfallzeitpunkt flächendeckend mit Herbstlaub bedeckt, so dass der Kläger den Verlauf des Radweges und den angrenzenden Bordstein im Kreuzungsbereich nicht erkennen konnte. An der betreffenden Kreuzung wird der Radweg leicht versetzt geführt. Nach dem Reinigungsplan des von der Beklagten beauftragten Straßenreinigungsbetriebs war im betreffenden Straßenabschnitt zuletzt am 26.10.2015 Laub geräumt worden.

Der Kläger behauptet, er sei mit angepasster, reduzierter Geschwindigkeit bzw. vorsichtig gefahren und sei deswegen gestürzt, weil er mit seinem Fahrrad gegen den für ihn nicht erkennbaren, vom Laub bedeckten Bordstein geraten sei. Er ist der Auffassung, die Beklage habe die ihr obliegenden Verkehrssicherungspflichten schuldhaft verletzt. Eine regelmäßige Straßenreinigung sei vorliegend nicht ausreichend gewesen, da aufgrund der Wetterlage weitere, über den normalen Turnus hinausgehende Straßenreinigungen angezeigt gewesen wären. Insbesondere ergebe sich eine besondere Gefahr auch aus dem Umstand der leicht versetzten Führung des Radwegs an der betreffenden Kreuzung, aufgrund dessen sich die Bordsteinkante an der Unfallstelle auf der Flucht des Radweges auf der gegenüberliegenden Kreuzungsseite befinde.

Hinsichtlich des Tatbestandes und des weiteren Vorbringens der Parteien in erster Instanz einschließlich der dort gestellten Anträge wird Bezug genommen auf die Feststellungen im angefochtenen klagabweisenden Urteil des Landgerichts Bremen vom 27.11.2017, Az.: 1 O 1702/16 (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Mit seiner rechtzeitig eingelegten Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Klagebegehren weiter und beantragt unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils,

1. die Beklagte zu verurteilen, ein Schmerzensgeld im Ermessen des Gerichts, wenigstens jedoch EUR 4.000,00, nebst Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, Schadensersatz i.H.v. EUR 460,29 nebst Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 01.11.2015 zu ersetzen, soweit sie nicht auf den Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien in der Beruf...

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