Entscheidungsstichwort (Thema)

außerordentliche Kündigung wegen Tätlichkeit. Kündigung. Tätlichkeit. Auflösungsantrag

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Tätlichkeit gegenüber einem Arbeitskollegen ist grundsätzlich geeignet einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses darzustellen.

2. Die Verwertung von Videoaufnahmen von Arbeitnehmern am Arbeitsplatz ist aufgrund des damit verbundenen Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht nur aufgrund einer Interessenabwägung zulässig und die Videoaufzeichnung muss das praktisch allein verbleibende Mittel zur Aufklärung darstellen.

3. Die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses auf Antrag des Arbeitgebers stellt eine Ausnahme vom Bestandsschutzgedanken des Kündigungsschutzgesetzes dar, weshalb ein strenger Prüfungsmaßstab geboten ist.

 

Normenkette

BDSG § 6; BGB § 626; KSchG §§ 1, 9

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Urteil vom 20.12.2004; Aktenzeichen 10 Ca 182/04)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Mainz vom20.12.2004 – 10 Ca 182/04 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung hat die Beklagte zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 08.01.2004 sowie über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag der Beklagten.

Der Kläger (geboren am 11.01.1978, unverheiratet) ist seit dem 01.04.2003 bei der Beklagten als gastgewerblicher Mitarbeiter zu einem Stundenlohn von 6,13 EUR brutto mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden beschäftigt. Er wurde in der Firma A Filiale im Hauptbahnhof in A-Stadt eingesetzt. Die Beklagte beschäftigt mehr als 10 Arbeitnehmer im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes.

Mit Schreiben vom 28.10.2003 (in Kopie als Anlage zum Protokoll der Berufungsverhandlung) erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung. Mit Urteil vom 22.03.2004 hat das Arbeitsgericht die Klage auf Entfernung dieser Abmahnung aus der Personakte des Klägers abgewiesen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen habe, indem er am Samstag, den 18.10.2003 die Arbeitsanweisung seines Vorgesetzten, die Lobby zu säubern nicht befolgt und darüber hinaus seinen Arbeitsplatz ohne Erlaubnis vorzeitig verlassen habe.

Mit Schreiben vom 08.01.2004 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 22.01.2004 wegen eines Vorfalls am 08.01.2004. An diesem Tag war der Kläger an der Kasse damit befasst, Kunden zu bedienen. Der Zeuge VV befasste sich damit, hinter der Thekenfront den Vorrat an Soßentütchen zu vervollständigen. Es kam zu einem Wortwechsel zwischen dem Kläger, den der Aufenthalt des Zeugen in seiner unmittelbaren Nähe störte und dem Zeugen. Der Zeuge, der seine Arbeit in der Hocke verrichtete, fiel in diesem Zusammenhang nach hinten um und stieß mit Kopf und Armen gegen die Mittelkorpusfront eines Warmhaltekastens. Er suchte wegen Kopfschmerzen am gleichen Tage seine Ärztin auf, die ihm nach einem erneuten Besuch am 09.01.2004 für die Zeit vom 08. bis 10.01.2004 Arbeitsunfähigkeit attestierte.

Mit seiner am 19.01.2004 beim Arbeitsgericht eingegangener Klage wendet sich der Kläger gegen die Kündigung und trägt vor, der Zeuge VV habe genau unter der Kasse Soßentüten in einen Behälter eingeräumt, obwohl er einen Kunden, den Zeugen UU bedient habe. Der Zeuge VV habe auf seine Aufforderung, dies zu unterlassen, nicht reagiert, sondern sogar zwischen seinen Beinen weiter Tüten in den Behälter geräumt. Er habe dem Zeugen den Karton aus der Hand genommen und ihn mit einer Handbewegung „verscheucht”, ohne ihn jedoch zu berühren.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die fristlose, hilfsweise fristgerechte Kündigung der Beklagten vom 08.01.2004 aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat beantragt,

  1. die Klage abzuweisen,
  2. hilfsweise das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, die in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber 425,00 EUR nicht überschreiten soll, aufzulösen.

Sie hat vorgetragen, der Kläger habe aus nicht nachvollziehbaren Gründen den Zeugen VV, während dieser neben ihm unter der Thekenfront Soßen aufgefüllt habe, so geschubst, dass dieser rückwärtig mit Kopf und Armen gegen die Mittelkorpusfront des Warmhaltekastens gestoßen sei. Der Zeuge habe nicht nur infolge einer leichten Berührung das Gleichgewicht verloren. Unerheblich sei, wie stark der Kläger den Zeugen geschubst habe. Eine solche Handlungsweise verbiete sich in einem derart sensiblen und gefährlichen Umfeld, wie es die Theke mit ihren verschiedenen Maschinen, Ecken und Kanten aus Edelstahl sei. Der Kläger habe zumindest bedingt vorsätzlich den Eintritt des Erfolges in Kauf genommen. Er habe auf Befragen durch den Zeugen TT den Vorfall zugegeben und sich auch bei dem Zeugen VV entschuldigt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens erster...

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