Entscheidungsstichwort (Thema)

Tendenzbetriebe. Religionsgemeinschaft. Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes. Kirchliches Krankenhaus. Einflussmöglichkeiten der Kirche. Karitative Einrichtung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Dient ein vom gewählten Betriebsrat initiiertes arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren der Klärung der Frage, ob für eine karitative Einrichtung auch nach Beitritt des Arbeitgebers zum Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche weiterhin das BetrVG Anwendung findet, ist an diesem Verfahren eine nach kirchlichem Recht gewählte, parallel agierende Mitarbeitervertretung nicht im Sinne von § 83 Abs. 3 ArbGG beteiligt.

2. Zu den Anforderungen, die nach § 118 Abs. 2 BetrVG an die Einflussnahmemöglichkeiten einer Kirche auf die religiöse Tätigkeit einer karitativen Einrichtung zu stellen sind, damit diese den Charakter einer kirchlichen Einrichtung gewinnt.

 

Normenkette

ArbGG § 83 Abs. 2; BetrVG § 118 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Essen (Beschluss vom 16.02.2006; Aktenzeichen 3 BV 3/06)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Essen vom 16.02.2006 – Az. 3 BV 3/06 – abgeändert.

Es wird festgestellt, dass auf das Alfried Krupp von Bohlen und Halbach Krankenhaus in Essen das Betriebsverfassungsgesetz Anwendung findet.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

A.

Die Beteiligten streiten darüber, ob es sich bei dem von der Beteiligten zu 2) betriebenen Alfried Krupp von Bohlen und Halbach Krankenhaus in Essen um eine karitative Einrichtung einer Religionsgemeinschaft im Sinne des § 118 Abs. 2 BetrVG handelt oder ob auf den Betrieb das BetrVG anwendbar ist.

Die Beteiligte zu 2) betreibt seit 1980 das Alfried Krupp von Bohlen und Halbach Krankenhaus. Die Beteiligte zu 2) ist eine gemeinnützige GmbH, deren alleinige Gesellschafterin die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach Stiftung ist. Diese Stiftung ist etwa im Jahre 1967 gegründet worden und zwar zu dem Zweck, das Vermögen des Stifters Alfried Krupp von Bohlen und Halbach zu übernehmen und für gemeinnützige Zwecke zu verwenden. Die Stiftung ist in keiner Weise organisatorisch, rechtlich oder personell mit einer der Kirchen der Bundesrepublik verbunden. Im Kuratorium befindet sich kein Repräsentant einer Kirche, im Vorstand ebenfalls nicht. Der Arbeitgeber wurde im Sinne der Stiftungszwecke als gemeinnütziges Krankenhaus ohne jede kirchliche Bindung geführt. Im Rahmen eines Zertifikationsprozesses für Krankenhäuser im „weltlichen” Bereich hat sich der Arbeitgeber eine Zielsetzung gegeben, die ein Leitbild beinhaltete, das karitativ und weltlich war.

Der Beteiligte zu 1) ist der aus 15 Mitgliedern bestehende Betriebsrat.

Bis zum 31.12.2005 gehörte die Beteiligte zu 2) dem paritätischen Wohlfahrtsverband an. Auf ihren Antrag vom 15.12.2005 wurde sie am 20.12.2005 als Mitglied im Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche im Rheinland e. V. aufgenommen (Bl. 93 d. A.), und zwar mit Wirkung zum 01.01.2006. Auf die Satzung der Diakonie (Bl. 97 ff d. A.) wird ebenso Bezug genommen wie auf die „Bestimmungen über die Mindestanforderungen an die Satzungen und die sonstigen Ordnungen der Mitglieder des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche im Rheinland” (Bl. 311 ff d. A.).

Mit Gesellschafterbeschluss vom 15.12.2005 wurde der Gesellschaftsvertrag (Bl. 166 ff d. A.) wie folgt geändert, wobei die Änderungen kursiv gesetzt sind:

„…

§ 2

Gegenstand und Zweck des Unternehmens

(4) Hierbei hat das Unternehmen in besonderem Maße der minderbemittelten Bevölkerung zu dienen. Es wird tätig im Sinne der Diakonie als Wesens- und Lebensäußerung der Evangelischen Kirche.

(5) Die Mittel der Gesellschaft dürfen nur für die satzungsmäßigen Zwecke verwendet werden. Die Gesellschafter als solche erhalten keine Zuwendungen aus Mitteln der Gesellschaft.

(6) Die Gesellschaft ist Mitglied des als Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege anerkannten Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche im Rheinland und dadurch zugleich dem Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland angeschlossen.

§ 5

Organe der Gesellschaft

Die Organe der Gesellschaft sind

  1. die Geschäftsführung
  2. die Gesellschafterversammlung

Mitglieder der Organe und Mitarbeiter sollen einem evangelischen oder dem Bekenntnis einer Kirche angehören, die Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen ist.

§ 11

Beirat

(1) Die Gesellschafter können einen Beirat einberufen. Er berät die Organe in philanthropischen Fragen, Konfessionsfragen sowie in solchen Fragen, die das Verhältnis der Gesellschaft zu den christlichen Kirchen berühren.

(2) Dem Beirat gehören bis zu 5 Personen an. Sie werden von den Gesellschaftern berufen und abberufen. Die Berufung erfolgt für die Dauer von drei Jahren. Eine erneute Berufung ist möglich. Unter den Mitgliedern müssen mindestens zwei Mitglieder sein, die dem Bekenntnis einer Kirche angehören, die Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen ist, davon mindestens ein Mitglied, das ein Amt in Kirche und Diakonie im Rheinland ausübt.

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