Entscheidungsstichwort (Thema)

Dauerverleih. Institutioneller Rechtsmissbrauch bei konzerninterner Arbeitnehmerüberlassung. Institutioneller Rechtsmissbrauch bei dauerhafter konzerninterner Arbeitnehmerüberlassung in Klinikverbund. Bestandsklage einer Krankenschwester

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung stellt es einen institutionellen Rechtsmissbrauch dar, wenn das verleihende Konzernunternehmen nur an einen oder mehrere Konzernunternehmen Arbeitnehmer verleiht, nicht am Markt werbend tätig ist und die Einschaltung dieses verleihenden Unternehmens nur dazu dient, Lohnkosten zu senken oder kündigungsschutzrechtliche Wertungen ins Leere laufen zu lassen. Dies hat zur Folge, dass dem Scheinentleiher die Arbeitgeberstellung zukommt.

2. Für die Zeit ab dem 1. Dezember 2011 ist eine schon erteilte Erlaubnis nach § 1 AÜG auf die vorübergehende Überlassung von Arbeitnehmern beschränkt. Die Überlassung auf Dauer ist nicht (mehr) erlaubnisfähig. Erfolgt die Überlassung eines Arbeitnehmers an den Entleiher nicht nur vorübergehend, kommt nach §§ 10 I 1 2. Alt, 9 Nr. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher zu Stande.

3. Eine Überlassung von Arbeitnehmern, die auf Dauer angelegt ist, erfolgt nicht mehr vorübergehend. Dies ist der Fall, wenn die verliehenen Arbeitnehmer auf Dauerarbeitsplätzen eingesetzt werden, für die keine Stammarbeitnehmer vorhanden sind.

 

Normenkette

AÜG § 1 Abs. 1 S. 2, § 9 Nr. 1, § 10 Abs. 1 S. 1 Alt. 2, § 13; BGB §§ 242, 611 Abs. 1; ZPO § 254

 

Verfahrensgang

ArbG Brandenburg (Entscheidung vom 11.07.2012; Aktenzeichen 3 Ca 219/12)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Brandenburg an der Havel vom 11.07.2012 - 3 Ca 219/12 - teilweise abgeändert:

1. Es wird festgestellt, dass zwischen der Klägerin und der Beklagten seit dem 01.01.2010 ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht, nach welchem die Klägerin bei der Beklagten als Gesundheits- und Krankenpflegerin angestellt ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Ausgang des Rechtsstreits tatsächlich als Gesundheits- und Krankenpflegerin zu beschäftigen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin in entsprechender Anwendung des § 13 AÜG Auskunft über die wesentlichen Arbeitsbedingungen einer vergleichbaren Arbeitnehmerin zu erteilen, die in der Zeit seit Januar 2010 als Gesundheits- und Krankenpflegerin beschäftigt gewesen ist.

II. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis zu Stande gekommen ist, über einen vorläufigen Weiterbeschäftigungsanspruch und im Rahmen einer Stufenklage über Entgeltdifferenzansprüche.

Die Beklagte betreibt im Land Brandenburg in den Orten Lübben, Teupitz und Brandenburg an der Havel Krankenhäuser. Diese hatte sie im Oktober/November 2006 vom Land Brandenburg übernommen. Die Beklagte ist nicht tarifgebunden. Die arbeitsvertraglichen Regelungen sehen vor, dass der BAT-O bzw. TVL zur Anwendung kommt.

Seit dem Jahre 2007 stellt die Beklagte im Bereich der Krankenpflege - mit Ausnahme von einigen Aushilfen - ausschließlich Leiharbeitnehmer ein. Diese Arbeitnehmer entleiht sie von den Unternehmen GFB m. GmbH und PGA GmbH. Diese beiden Verleihunternehmen sind genauso wie die Beklagte hundertprozentige Töchter der A. Kliniken Verwaltungsgesellschaft mbH. Außerhalb des Konzerns sind diese Verleihunternehmen nicht am Markt tätig. Sie besitzen die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung. Die Beklagte beschäftigte am 31. Juli 2012 1.456 eigene Arbeitnehmer und 401 Leiharbeitnehmer. Die Lohnabrechnungen werden für alle Beschäftigten einheitlich von der zentralen Lohnbuchhaltung des A.-Konzerns erstellt.

Die Klägerin hatte sich bei der Beklagten beworben. An dem Bewerbungsgespräch nahmen neben der Pflegedienstleitung nur weitere Mitarbeiter der Beklagten teil. Gegen Ende des Gesprächs wurde der Klägerin eröffnet, dass der Arbeitsvertrag mit einer so genannten Personalservice-Gesellschaft zu schließen sei.

Mit Arbeitsvertrag vom 30. September 2009 begründete die Klägerin mit der GFB m. ein Arbeitsverhältnis ab 1. Januar 2010 als Gesundheits- und Krankenpflegerin. Der Arbeitsvertrag sieht u. a. vor, dass die Klägerin für den Postleitzahlenbereich bzw. den Klinikstandort Brandenburg tätig wird (§ 1 Ziff. 6). Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge des Interessenverband deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ e.V.) und den Mitgliedsgewerkschaften des DGB Anwendung (§ 2 Ziffer 3). Es wird eine außertarifliche Zulage gezahlt, wobei die Leistungsbeurteilung durch den Vorgesetzten im Entleiherbetrieb erfolgt (§ 5 Ziffer 2). Darüber hinaus ist die Klägerin in das Personalentwicklungsprogramm des Entleihers eingegliedert (§ 8 Ziff. 3).

Seit Beginn des Arbeitsverhältnisses war die Klägerin durchgängig auf der Station N 4 bei der Beklagten eingesetzt. Unter dem 13. Juli 2011 hat die Klägerin mit der Beklagten eine Weite...

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