Entscheidungsstichwort (Thema)

Fristlose Kündigung wegen unberechtigter Löschung von Arbeitgeberdaten nach erklärtem Ausscheidungswillen. Unschädliche doppelte Verlautbarung eines einzigen Kündigungsschreibens. Rechtswidriges Löschen von Daten des Arbeitgebers in erheblichem Umfang als Rechtfertigung für fristlose Kündigung. Entbehrlichkeit der Abmahnung bei Löschen von Arbeitgeberdaten in erheblichem Umfang in Schädigungsabsicht

 

Leitsatz (amtlich)

Löscht ein Arbeitnehmer im Anschluss an ein Personalgespräch, in dem der Arbeitgeber den Wunsch äußerte, sich vom Arbeitnehmer trennen zu wollen, vom Server des Arbeitgebers Daten in erheblichem Umfang (hier: 7,48 GB), nachdem er sich von einer Mitarbeiterin (Einkäuferin) mit den Worten "man sieht sich immer zweimal im Leben" verabschiedet hatte, rechtfertigt dies die außerordentlich fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157, 626

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 01.10.2019; Aktenzeichen 27 Ca 97/19)

 

Tenor

  1. Auf die Anschlussberufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart, Kammern Aalen, vom 1. Oktober 2019 - 27 Ca 97/19 - abgeändert.

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
  3. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger 90% und die Beklagte 10% zu tragen, die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
  4. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über eine außerordentlich fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

Die Beklagte produziert und vertreibt Reinigungsgeräte, insb. Staubsauger, vor allem für die Industrie und Gewerbetreibende, aber auch für Privatkunden und beschäftigt hierzu mehr als zehn Arbeitnehmer iSv. § 23 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG).

Der verheiratete und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger war bereits im Zeitraum vom 13. März 2013 bis zum 31. Mai 2015 bei der Beklagten beschäftigt, wobei das Arbeitsverhältnis auf Wunsch des Klägers endete. Zum 1. Februar 2016 trat der Kläger erneut in ein Arbeitsverhältnis zur Beklagten als Key-Account-Manager im Außendienst ein. Das Bruttoarbeitsentgelt betrug zuletzt 4.896,00 Euro monatlich.

Die von der Beklagten aufgebaute IT-Infrastruktur sieht für die Mitarbeiter vor, dass deren erstellte bzw. abgespeicherte Dateien nicht lokal, sondern auf dem Server der Beklagten zentral - unter einem den Mitarbeitern zugewiesenen Verzeichnis - abgelegt werden. Vorgesehener Speicherort für den Kläger auf dem Server war das Verzeichnis "\\A1\homes\[Nachname des Klägers]".

Mit Schreiben vom 17. Dezember 2018 (Bl. 24 d. Akte ArbG) mahnte die Beklagte den Kläger wegen Verstoßes gegen die Weisung, freitags die Wochenplanung für die folgende Woche vorzulegen, ab.

Am 5. Februar 2019 (Dienstag) fand ein Gespräch zwischen dem Geschäftsführer der Beklagten und dem Kläger statt. In diesem Gespräch erklärte der Geschäftsführer, die Beklagte wolle das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger wegen aufgetretener Spannungen beenden und bot dem Kläger den Abschluss eines Aufhebungsvertrags - Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Wahrung der vertraglichen Kündigungsfrist bei unwiderruflicher Freistellung unter Fortzahlung der Bezüge und unter Anrechnung auf Urlaubsansprüche - an. Der Kläger lehnte dies ab und forderte seinerseits eine Abfindung von sechs Monatsvergütungen, ansonsten sehe man sich vor Gericht. Der Geschäftsführer lehnte für die Beklagte die Zahlung einer Abfindung ab. Eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbarten die Parteien daraufhin nicht.

Nach Abschluss des Gesprächs verabschiedete sich der Kläger bei der Einkäuferin der Beklagten, Frau H., indem er ihr die Hand gab mit den Worten "man sieht sich immer zweimal im Leben". Der Kläger verließ sodann das Betriebsgelände.

An den folgenden Tagen (6. und 7. Februar 2019) war der Kläger weder für die Beklagte noch für Kunden erreichbar. Am 7. Februar 2019 löschte der Kläger Daten auf dem Server der Beklagten im für ihn vorgesehenen Verzeichnis. Zu den gelöschten Daten gehörten ua. "Umsatzmeldungen Handelsgruppen 2018", Vorlagen zur Preisliste (Schweiz), Auswertungen von Daten des Bundesamts für Statistik, Daten Handel-Arbeitsschutz, [Produktname] Wettbewerbsanalyse, Auswertung Analyse Key-Account und ein Excel-Kalkulationstool.

Gegen 17:00 Uhr informierte der IT-Leiter der Beklagten (Herr E.) den Geschäftsführer darüber, dass ca. 8 Gigabyte (GB) an Daten auf dem Server der Beklagten gelöscht worden seien. Eine Datenrettung konnte später erfolgreich durchgeführt werden.

Mit Schreiben vom 11. Februar 2019 hörte die Beklagte den Kläger unter Fristsetzung bis zum 19. Februar 2019 (12:00 Uhr) zu dem Verdacht, der Kläger habe nach dem Personalgespräch vom 5. Februar 2019 wegen der beabsichtigten Beendigung des Arbeitsverhältnisses betriebsnotwendige Daten und Arbeitsergebnisse im Umfang von 7,48 GB gelöscht und damit die Beklagte geschädigt, deren Interessen jedenfalls gefährdet, an. Eine Reakt...

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