Entscheidungsstichwort (Thema)

Wettbewerbswidrig zu geringe gesonderte Angabe der anfallenden Steuern und Gebühren bei Flugreisen; unzulässige AGB-Regelung zu einem Bearbeitungsentgelt für nicht angetretene oder stornierte Flüge

 

Leitsatz (amtlich)

1. Gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 3 Luftverkehrsdienste-VO sind bei einem Angebot von Flugreisen neben dem Endpreis und dem Flugpreis u.a. auch die Steuern und Gebühren gesondert auszuweisen, die unvermeidbar und im Zeitpunkt der Veröffentlichung vorhersehbar sind.

2. Dem Luftverkehrsunternehmen steht kein Wahlrecht zu, diese Steuern und Gebühren entweder schon in den Flugpreis einzurechnen oder sie neben diesem gesondert auszuweisen.

3. Art. 23 Abs. 1 Satz 3 Luftverkehrsdienste-VO ist eine Marktverhaltensregel i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG.

4. Ein in den allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Luftverkehrsunternehmens geregeltes Bearbeitungsentgelt für nicht angetretene oder stornierte Flüge ist eine gem. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der Inhaltskontrolle unterliegende Preisnebenabrede.

5. Die AGB-Regelung zu einem Bearbeitungsentgelt von 25 EUR pro Reiseteilnehmer und Buchung ist gem. § 649 Satz 2, § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unangemessen, wenn das Luftverkehrsunternehmen daneben vereinbarungsgemäß vom Reiseteilnehmer die vereinbarte Vergütung abzgl. ersparter Aufwendungen und/oder möglicher anderweitiger Verwendungen der gebuchten Leistungen fordern kann.

 

Normenkette

UWG § 4 Nr. 11; Luftverkehrsdienste-VO Art. 23 Abs. 1 S. 3; BGB § 307 Abs. 1, 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 1, § 649 Sätze 1-2; UKlaG § 4

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 29.11.2011; Aktenzeichen 15 O 395/10)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 21.04.2016; Aktenzeichen I ZR 220/14)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das am 29.11.2011 verkündete Urteil der Zivilkammer 15 des LG Berlin - 15 O 395/10 - wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung (hinsichtlich der landgerichtlichen Verurteilungen in Ziff. I 1 und I 2 i.H.v. jeweils 25.000,- Euro und im Übrigen hinsichtlich der Zahlung in Ziff. II und hinsichtlich der Kosten in Höhe des jeweils vollstreckbaren Betrages) abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit (hinsichtlich der landgerichtlichen Verurteilungen in Ziff. I 1 und I 2 i.H.v. jeweils 25.000,- Euro, im Übrigen in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages) leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Der Kläger - D.Verbraucherzentralen in den Bundesländern und weiterer 25 verbraucher- und sozialorientierter Organisationen in Deutschland - macht gegen die beklagte Fluggesellschaft Unterlassungsansprüche nach dem UWG und dem UKlaG geltend, weil die Beklagte nach seiner Auffassung in ihrem Internetauftritt bei der Buchung von Flügen zum einen anfallende Steuern und Gebühren zu gering ausweise und zum anderen die Regelung der Beklagten in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Erhebung eines Bearbeitungsentgelts von 25 EUR für die Bearbeitung und Abwicklung nicht angetretener oder stornierter Flüge im Spartarif unzulässig sei.

Der Kläger nahm am 20.6.2010 auf der Internetseite www.a.der Beklagten eine Probebuchung für einen Flug am 30.6.2010, 12:55 Uhr, von Berlin-Tegel nach Frankfurt/M. mit Rückflug am 7.7.2010, 15:25 Uhr, vor, und wählte dabei jeweils den Spartarif (Screenshots als Anlagenkonvolut K 1). Im Buchungsschritt 1 erscheint eine tabellarische Auflistung möglicher Flugverbindungen zu unterschiedlichen Preisen. Nach Anklicken der o.g. Flüge erschien unterhalb der Tabelle eine wie folgt gestaltete Rubrik:

"Flugpreis:...

Steuern und Gebühren:...

Kerosinzuschlag:...

Preis inkl. 500 topbonus Meilen:..."

Hinter "Steuern und Gebühren" erschien bei beiden Flügen ein Betrag von 1 EUR. Eine weitere Probebuchung am 26.4.2010 ergab Beträge von jeweils 3 EUR (ausschnittsweise Darstellung in der "Anlage Antrag").

Nach der ab dem 1.1.2009 gültigen Entgeltordnung des Flughafens Frankfurt/M. (Anlage K 2) werden dort Passagierentgelte erhoben. Diese betragen im innerdeutschen Verkehr für originäre Zusteiger 14,70 EUR gemäß der Regelung in 1.3.2. Das Entgelt kann sich aufgrund einer Kappungsgrenze verringern. Die Rückerstattung an die Fluggesellschaft erfolgt dann zu Beginn des jeweiligen Folgejahres; unter bestimmten Voraussetzungen wird zum Halbjahr eine Abschlagszahlung vorgenommen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Regelung in 1.3.3. (Seite 14 der Anlage K 2) verwiesen. Nach der Entgeltordnung der Berliner Flughäfen (Anlage K 3) beträgt das Passagierentgelt je Zusteiger innerhalb der Bundesrepublik Deutschland 11,75 EUR gemäß der Regelung in 1.2.1.

Die Beklagte stellt auf ihrer Internetseite die Allgemeinen Geschäftsbedingen ein, in deren Ziff. 5.2. sich folgende Regelung findet (Anlage K 4):

"Für die Bearbeitung und Abwicklung nicht angetretener oder stornierter Flüge im Spartarif (Ziff. 5.1.2. und 5.1.3.) erhebt die Fluggese...

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