Rz. 110
Fraglich ist der Einwand der fehlenden Testierfähigkeit des Erblassers. Hat der beurkundende Notar mit Zweifelsvermerk beurkundet, weil schon er sich nicht von der vollen Testierfähigkeit überzeugen konnte, kann m.E. das GBA ohne weiteres auf Vorlage des Erbscheins bestehen. Die Geschäftsfähigkeit lässt sich im nachlassgerichtlichen Verfahren einfacher und für die Beteiligten überzeugender klären. Dass beim Vollzug von sachenrechtlichen Verfügungen ggf. auch das GBA mit diesen Fragen konfrontiert wird, spricht nicht dagegen: Dort muss im Grundbuchverfahren eine Entscheidung erfolgen, weil parallele Verfahrensoptionen nicht bestehen.
Rz. 111
Ging der Notar von der vollen Testierfähigkeit aus, so ließ die ältere Rspr. eine auf fehlende Testierfähigkeit gestützte Zurückweisung nur dann zu, wenn ein erstinstanzliches Urteil ergangen ist, welches die Nichtigkeit des Testaments feststellt oder zumindest ein entsprechendes Gerichtsverfahren nachgewiesen werden kann. Das Verlangen nach einem anderweitig eingeleiteten Gerichtsverfahren ist aber zu eng. Es wäre für den Erbprätendenten auch nicht der nächstliegende Schritt. Viel näher liegt für ihn ja ein Erbscheinsantrag unter Berufung auf ein früheres Testament zu seinen Gunsten bzw. die gesetzliche Erbfolge. Andererseits kann aber nicht die bloße Behauptung der Testierunfähigkeit schon Abs. 1 S. 2 außer Kraft setzen. Richtigerweise wird man zur Erschütterung der Testierfähigkeitsvermutung sowohl einen abweichenden Erbscheinsantrag des Erbprätendenten beim Nachlassgericht verlangen müssen, sowie, vor dessen Erteilung, einen derart substantiierten Vortrag zu Tatsachen, dass das Nachlassgericht in eine vertiefte Sachprüfung (z.B. durch Gutachterauftrag) eingetreten ist.
Begründete Zweifel an der durch öffentliches Testament ausgewiesenen Erbfolge müssen sich dem GBA auch aufdrängen, wenn das Nachlassgericht mitteilt, dass nach Testamentseröffnung eine Nachlasspflegschaft angeordnet worden ist.
Rz. 112
Das GBA kann die Anerkennung des öffentlichen Testaments aber erst bei greifbaren Zweifeln an der Testierfähigkeit verweigern. Solche Zweifel sind etwa bei bereits vorliegenden fachärztlichen Gutachten begründet, die eine Testier- oder Geschäftsfähigkeit vereinen.
Rz. 113
Die Zweifel des GBA sind – im Gegenzug – überwunden, wenn ihm ein rechtskräftiges Urteil zwischen den in Betracht kommenden Prätendenten vorgelegt wird, das die Erbenstellung des testamentslegitimierten Erben feststellt. Das kann auch ein Anerkenntnis- oder ein Versäumnisurteil sein.