Rz. 476

Anders als bei einer Aktiengesellschaft können Gesellschafterbeschlüsse bei einer GmbH auch außerhalb von Gesellschafterversammlungen gefasst werden, vorausgesetzt, dass für die betreffenden Beschlüsse keine notarielle Beurkundung erforderlich ist. Einer Präsenzversammlung bedarf es nicht, wenn alle Gesellschafter – auch Gesellschafter ohne Stimmrecht – auf sie verzichten.[1] Dieser Verzicht kann auf zweierlei Weise erklärt werden: entweder durch einstimmige Zustimmung zu einer Beschlussvorlage in Textform gem. § 126b BGB (§ 48 Abs. 2 Var. 1 GmbHG), oder durch (formlose) Einverständniserklärung mit dem schriftlichen Verfahren und einer schriftlichen Stimmabgabe (§ 48 Abs. 2 Var. 2 GmbHG).[2] Beide Möglichkeiten der Abstimmung werden als Umlaufverfahren bezeichnet. Möglich ist dieses Verfahren grundsätzlich bei allen Beschlussgegenständen[3] und auch in einer mitbestimmten GmbH[4] mit obligatorischem Aufsichtsrat. Bei beiden Fällen des § 48 Abs. 2 GmbHG ist nicht nur die Zustimmung der stimmberechtigten Gesellschafter erforderlich, sondern aller (teilnahmeberechtigten) Gesellschafter.[5]

 

Rz. 477

Andere Möglichkeiten der Beschlussfassung außerhalb von Gesellschafterversammlungen, beispielsweise per Telefon- oder Videokonferenz, können in der Satzung vorgesehen werden. Ohne eine entsprechende Satzungsregelung sind entsprechend gefasste Gesellschafterbeschlüsse nichtig.[6] Dasselbe gilt für alle Formen einer kombinierten Beschlussfassung: dabei gibt ein Teil der Gesellschafter seine Stimmen im Rahmen einer Versammlung ab, während der andere Teil schriftlich, in Textform oder mündlich abstimmt. Lässt die Satzung darartige Kombinationen nicht audrücklich zu, kann man sich behelfen, indem die Gesellschafterversammlung aus dem Versammlungsraum per Telefon oder Videokonferenz übertragen wird und der physisch abwesende Gesellschafter einem dort präsenten Stimmrechtsvertreter Anweisungen per E-Mail oder per Telefon erteilt. Im Gesellschaftsvertrag können auch weitere Gestaltungsmöglichkeiten vorgesehen werden, etwa die Regelung, dass der Geschäftsführer die Gesellschaftermehrheit die Beschlussfassung außerhalb einer Gesellschafterversammlung anordnen kann oder dass das Schweigen eines Gesellschafters als Zustimmung bewertet wird.[7]

[1] Dass auch nicht stimmberechtigte Gesellschafter zustimmen müssen, folgt aus der Tatsache, dass mit der Versammlung auch die Gelegenheit zur sachlichen Aussprache entfällt; OLG Düsseldorf, Urteil v. 13.7.1989, 8 U 187/88, 8 U 31/89, GmbHR 1989 S. 468.
[2] Für die Stimmabgabe reicht wiederum die Textform gem. § 126b BGB, also eine Erklärung per E-Mail oder Telefax. Ebenso Zöllner/Noack, in Baumbach/Hueck, § 48 Rn. 37.
[3] Soweit nicht ausnahmsweise gesetzliche Regeln entgegenstehen, wie z. B. § 49 Abs. 3 und § 50 Abs. 1 GmbHG oder bei diversen Umwandlungsbeschlüssen nach §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 125 Satz 1, 193 Abs. 1 Satz 1 UmwG. Die Lit. hält auch bei beurkundungsbedürftigen Beschlüssen, insb. Satzungsänderungen, eine Versammlung für entbehrlich, statt aller Seibt, in Scholz, § 48 Rn. 55; a. A. noch KG, Beschluss v. 16.3.1959, 1 W 137/59, NJW 1959 S. 1446.
[4] So zumindest ein Großteil der Lit.: Zöllner/Noack, in Baumbach/Hueck, § 48 Rn. 29; Römermann, in Michalski, § 48 Rn. 214, Seibt, in Scholz, § 48 Rn. 56. Die Grenze wird freilich dann erreicht sein, wenn dadurch die Stellungnahme des Aufsichtsratsvorsitzenden gezielt unterlaufen werden soll.
[5] Ebenso Zöllner/Noack, in Baumbach/Hueck, § 48 Rn. 30, 33.
[6] BGH, Urteil v. 16.1.2006, II ZR 135/04, GmbHR S. 706, 707 spricht sich bzgl. der kombinierten Beschlussfassung für eine Nichtigkeit der Beschlüsse aus, sofern das Beschlussverfahren nicht statutarisch vorgesehen war. Stark kritisiert von der Lit., s. Seibt, in Scholz, § 48 Rn. 67. Die Kritik ist berechtigt: Wenn ein Alleingesellschafter jederzeit in beliebiger Form Beschlüsse fassen kann, muss dasselbe gelten, wenn mehrere Gesellschafter insoweit einig sind.
[7] S. dazu auch Liebscher in MüKo – GmbHG § 48 Rn 175 ff m. w. N.

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