Entscheidungsstichwort (Thema)

Diskriminierung wegen des Alters durch Anforderungen an das Datum des Hochschulabschlusses in einer Stellenausschreibung. Rechtsmissbräuchlichkeit einer Bewerbung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Durch eine in der Stellenausschreibung in Bezug genommenen Anforderungskriterium eines Hochschulabschlusses, der nicht länger als 1 Jahr zurückliegt oder innerhalb der nächsten Monate erfolgt, macht der AG klar, lediglich Interesse an der Gewinnung jüngerer Mitarbeiter/- innen zu haben. Dies ist aber geeignet, ältere gegenüber jüngeren Personen wegen des Alters zu benachteiligen.

2. Ein Rechtsmissbrauch im Zusammenhang einer Bewerbung einer älteren Person ist dann anzunehmen, sofern die Bewerbung nicht erfolgt ist um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern es dem Bewerber darum gegangen sein sollte, nur den formalen Status als Bewerber im Sinne von § 6 Abs. 1 S. 2 AGG zu erlangen, mit dem ausschließlichen Ziel, Ansprüche auf Entschädigung oder Schadensersatz geltend zu machen.

3. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen, die den rechtshindernden Einwand des Rechtsmissbrauchs begründen, trägt derjenige, der den Einwand geltend macht. Dabei geht es darum, ob es tatsächlich, objektive Umstände gibt, aus denen sicher angenommen werden kann, dass subjektiv nur der formale Status als Bewerber angestrebt worden ist.

4. Bleiben dann Zweifel ist der Darlegungslast nicht genügt

 

Normenkette

AGG § 15 Abs. 2, § 7 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 20.01.2011; Aktenzeichen 5 Ca 2491/09)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden - 5 Ca 2491/09 - vom 20.01.2011 abgeändert und der Tenor wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Entschädigung in Höhe von 14.000,00 EUR (in Worten: Vierzehntausend und 0/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.06.2009 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, sämtliche künftigen materielle Schäden, die dem Kläger aufgrund der unterlassenen Einstellung bei der Beklagten vom 19.04.2009 entstanden sind, zu ersetzen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt eine Entschädigung wegen einer Diskriminierung sowie Schadensersatz.

Die Beklagte, ein Versicherungsunternehmen, hat am 28.03.2009 auf ihrer Web-Site eine Stelle in einem Trainee-Programm für Absolventen verschiedener Wissenschaftsdisziplinen, darunter auch der Fachrichtung Rechtswissenschaft ausgeschrieben. Der Starttermin sollte August 2009 sein, während die Dauer für 12 Monate geplant war. Wegen der Einzelheiten dieser Ausschreibung für das Trainee-Programm 2009 wird auf die Anlage K 1 zur Klageschrift (Bl. 11 ff d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger hat sich mit Schreiben vom 25.03.2009 auf diese Stelle für das Trainee-Programm 2009 Fachrichtung: Jura beworben. Wegen der Einzelheiten und des Inhalts dieses Schreibens wird auf die Anlage B. 1 zum Schriftsatz der Beklagten vom 15.01.2010 (Bl. 55 f d.A.) verwiesen. Diesem Bewerbungsschreiben war auch der Lebenslauf des Klägers beigefügt. Wegen der Einzelheiten dieses Lebenslaufs und der einzelnen Daten und Zeiträume der Qualifkationsmaßnahmen und Abschlüsse wird auf die Anlage B 2 zum Schriftsatz der Beklagten vom 15.01.2010 (Bl. 57 d.A.) verwiesen. Das Gehalt bei der Trainee-Stelle sollte ca. 3500,00 brutto monatlich betragen.

Der Kläger hat auf sein Bewerbungsschreiben hin von der Beklagten unter dem 19.04.2009 eine Absage erhalten.

Unter Trainee wird auch bei der Beklagten ein Hochschulabsolvent verstanden, der in einem Unternehmen systematisch als vielfältig einsetzbare Nachwuchskraft aufgebaut wird, üblicherweise durch ein Traineeprogramm mit aufeinander abgestimmten Einsätzen in verschiedenen Abteilungen, Seminaren und Netzwerkveranstaltungen.

Der Kläger hat im Jahr 2001 seine zweite juristische Staatsprüfung in München abgelegt. Anschließend ist es zu einer ehrenamtlichen Mitarbeit bei einem

Projekt im XX XX/Durban/RSA durch den Kläger gekommen. Seit dem Jahr 2003 ist der Kläger als selbständiger Rechtsanwalt mit seiner Kanzlei in A und später in München zugelassen. In der Zeit vom Januar 2006 bis Juni 2007 war der Kläger leitender Angestellter bei der B. Er hatte dort Personalverantwortung für 5 Volljuristen und 3 Bürokräfte. Im Zeitraum von Januar 2008 bis Dezember 2008 hat der Kläger ein LL.M.-Studium an der University of C absolviert und dies mit dem Abschluss Master of Laws (Schwerpunkt Arbeitsrecht) beendet. Das Thema seiner Abschlussarbeit lautete: "D".

Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Kläger vor seiner Bewerbung bei der Beklagten im Ausland verbracht hat. Des Weiteren war der Kläger zum Zeitpunkt der Bewerbung bei der Beklagten arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld I.

Darüber hinaus hat der Kläger im Zeitraum vor der Bewerbung bei der Beklagten und auch nach der Bewerbung bei der Beklagt...

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