Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsfolgen der Verkennung des Betriebsbegriffs hinsichtlich der Wirksamkeit der darauf beruhenden Betriebsratswahl. Grenzen der Bildung von Betriebsräten aufgrund Tarifvertrag

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Verkennung des Betriebsbegriffs hat in der Regel nicht die Nichtigkeit, sondern nur die Anfechtbarkeit der darauf beruhenden Betriebsratswahl zur Folge. Dies gilt auch, wenn die Wahl unter Anwendung eines unwirksamen Tarifvertrags nach § 3 Absatz 1 Nr. 1-3 BetrVG erfolgte.

2. Die in einem Tarifvertrag nach § 3 Absatz 1 Nr. 3 BetrVG vereinbarte Struktur muss zur Vertretung der Arbeitnehmerinteressen „besser geeignet“ sein, als die gesetzliche. Dies ist nicht der Fall, wenn die Tarifvertragsparteien vereinbaren, dass in einem Gemeinschaftsbetrieb zwei Betriebsräte gebildet werden.

 

Normenkette

BetrVG §§ 19, 3 Abs. 1 Nr. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 11.12.2018; Aktenzeichen 25 BV 289/18)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 21.04.2020; Aktenzeichen 7 ABN 79/19)

 

Tenor

Die Beschwerden der Antragsteller zu 1-6 und der Beteiligten zu 10-12 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 11. Dezember 2018 – 25 BV 289/18 - werden zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Beschwerdeverfahren über die Nichtigkeit und Anfechtbarkeit der in der Zeit vom 23.- 27. April 2018 durchgeführten Betriebsratswahl.

Die Beteiligten zu 11, 12, 13 schlossen unter dem 20. Juni 2017 eine „Kooperationsvereinbarung zum Gemeinschaftsbetrieb“, wegen deren Inhalt im Einzelnen auf Bl. 53-57 der Akte Bezug genommen wird.

Die Antragsteller zu 1-9 sind wahlberechtigte Arbeitnehmer.

In § 2 der Landesbezirkstarifverträge Nr. 8, 8a/2016 (Bl. 259ff der Akte) ist folgendes geregelt:

Betriebsverfassungsrechtliche Trennung

(1) Im Gemeinschaftsbetrieb wird kein gemeinsamer Betriebsrat gebildet.

(2) Stattdessen vertritt die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Fraport und der FRA-VoKo einerseits und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der FraGround andererseits jeweils ein eigenständiger Betriebsrat. Auf diese Arbeitnehmervertretungen finden die Vorschriften über die Rechte und Pflichten des Betriebsrats und die Rechtsstellung seiner Mitglieder Anwendung.

(3) Im Übrigen gelten die Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes.

In der Zeit vom 23.-27. April 2018 fand die Betriebsratswahl im „Gemeinschaftsbetrieb A, B“ statt, aus der der zu 10 beteiligte Betriebsrat hervorgegangen ist. Das Wahlergebnis wurde am 27. April 2018 bekannt gegeben.

Mit einem am 8. Mai 2018 beim Arbeitsgericht eingegangenen Anwaltsschriftsatz haben die Antragsteller zu 1-6 diese Betriebsratswahl angefochten.

Die Beteiligten zu 7-9 haben die Betriebsratswahl mit einem am 9. Mai 2018 beim Arbeitsgericht eingegangen Schriftsatz angefochten.

Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten und der gestellten Anträge wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts im Beschluss unter I. (Bl. 494-502 der Akte) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Betriebsratswahl im Betrieb „Gemeinschaftsbetrieb A, B“ vom 27. April 2018 für unwirksam erklärt und den Antrag im Übrigen zurückgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Ausführungen im Beschluss unter II. (Bl. 502-514 der Akte) verwiesen.

Dieser Beschluss wurde dem Vertreter der Antragsteller zu 1-6 am 25. Januar 2019, dem Vertreter des Beteiligten zu 10 am 28. Januar 2019 und dem Vertreter der Beteiligten zu 11 und 12 am 15. Februar 2019 zugestellt. Die Beschwerden der Vertreter der Antragsteller zu 1-6 sind am 21. Februar 2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangen, die des Beteiligten zu 10 am 18. Februar 2019 und die der Beteiligten zu 11 und 12 am 27. Februar 2019. Nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist für die Antragsteller zu 1-6 bis 30. April 2019 ist die Beschwerdebegründung der Antragsteller zu 1-6 am 29. April 2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist für den Vertreter des Beteiligten zu 10 bis 18. Februar 2019 ist die Beschwerdebegründung des Beteiligten zu 10 am 18. Februar 2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist für den Vertreter der Beteiligten zu 11 und 12 bis 27. Februar 2019 ist die Beschwerdebegründung der Beteiligten zu 11 und 12 am 27. Februar 2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangen.

Die Antragsteller zu 1-6 sind der Auffassung, entgegen der Meinung des Arbeitsgerichts sei die Betriebsratswahl nichtig. Die Stimmenauszählung und Ergebnismitteilung per Computer stelle einen offensichtlichen und besonders groben Verstoß gegen Wahlvorschriften dar.

Unabhängig hiervon sei die Wahl auch deshalb nichtig, da es sich bei der (hier erfolgten) Arbeitnehmerüberlassung im Konzern um einen so genannten gewillkürten Gemeinschaftsbetrieb unter Verwendung eines Personalführungskonzepts handele. Die geänderte Struktur sei erforderlich geworden, weil ab 1. April 2017 die Überlassung von Arbeitn...

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