Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Gemeinsame Verkehrspolitik. Aussetzung der Erlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs. Führerschein, der vom Mitgliedstaat des ordentlichen Wohnsitzes im Umtausch gegen einen von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerschein ausgehändigt wird. Weigerung des ersten Mitgliedstaats, eine vom zweiten Mitgliedstaat erlassene Entscheidung über die Aussetzung der Fahrerlaubnis zu vollstrecken. Verpflichtung des zweiten Mitgliedstaats, in seinem Hoheitsgebiet die Gültigkeit eines ausgesetzten Führerscheins nicht anzuerkennen

 

Normenkette

Richtlinie 2006/126/EG Art. 11 Abs. 2, 4

 

Beteiligte

HV

HV

 

Tenor

Art. 11 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein

ist dahin auszulegen, dass

er es dem Mitgliedstaat des ordentlichen Wohnsitzes des Inhabers eines von diesem Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins auch dann erlaubt, in seinem Hoheitsgebiet eine Entscheidung über die Aussetzung der Erlaubnis, ein Kraftfahrzeug zu führen, nicht anzuerkennen und nicht zu vollstrecken, die von einem anderen Mitgliedstaat gegen diesen Führerscheininhaber wegen eines in dessen Hoheitsgebiet begangenen Verkehrsdelikts erlassen wurde, wenn dieser Führerschein im Umtausch gegen einen zuvor von dem Mitgliedstaat, in dem dieses Verkehrsdelikt begangen wurde, ausgestellten Führerschein ausgehändigt worden war.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Sofiyski gradski sad (Stadtgericht Sofia, Bulgarien) mit Entscheidung vom 26. April 2021, beim Gerichtshof eingegangen am selben Tag, in dem Strafverfahren gegen

HV,

Beteiligte:

Sofiyska gradska prokuratura,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin K. Jürimäe sowie der Richter N. Jääskinen, M. Safjan, N. Piçarra (Berichterstatter) und M. Gavalec,

Generalanwalt: J. Richard de la Tour,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller, A. Hoesch und D. Klebs als Bevollmächtigte,
  • der spanischen Regierung, vertreten durch M. J. Ruiz Sánchez als Bevollmächtigte,
  • der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér und R. Kissné Berta als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch S. Grünheid, P. Messina und I. Zaloguin als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Nr. 4 und Art. 4 Abs. 1 Buchst. d des Rahmenbeschlusses 2008/947/JI des Rates vom 27. November 2008 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Urteile und Bewährungsentscheidungen im Hinblick auf die Überwachung von Bewährungsmaßnahmen und alternativen Sanktionen (ABl. 2008, L 337, S. 102) sowie von Art. 11 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein (ABl. 2006, L 403, S. 18).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Verfahrens über die Vollstreckung einer Entscheidung in Spanien, mit der in Bulgarien die Aussetzung der Fahrerlaubnis gegen eine Person mit Wohnsitz in Spanien verhängt wurde, bei der es sich um den Inhaber eines Führerscheins handelt, der von Spanien im Umtausch gegen einen von Bulgarien ausgestellten ausgehändigt worden war.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rahmenbeschluss 2008/947

Rz. 3

Art. 1 („Ziele und Anwendungsbereich”) des Rahmenbeschlusses 2008/947 bestimmt in Abs. 2:

„Der Rahmenbeschluss gilt nur für:

  1. die Anerkennung von Urteilen und gegebenenfalls Bewährungsentscheidungen;
  2. die Übernahme der Zuständigkeit für die Überwachung von Bewährungsmaßnahmen und alternativen Sanktionen;

im Sinne dieses Rahmenbeschlusses.”

Rz. 4

In Art. 2 („Begriffsbestimmungen”) des Rahmenbeschlusses heißt es:

„Im Sinne dieses Rahmenbeschlusses bezeichnet der Ausdruck

4. ‚alternative Sanktion’ eine Sanktion, die keine Freiheitsstrafe, freiheitsentziehende Maßnahme oder Geldstrafe ist und mit der eine Auflage oder Weisung ergeht;

…”

Rz. 5

Art. 4 („Arten der Bewährungsmaßnahmen und alternativen Sanktionen”) des Rahmenbeschlusses sieht in Abs. 1 vor:

„Dieser Rahmenbeschluss gilt für folgende Bewährungsmaßnahmen und alternative Sanktionen:

d) Weisungen, die das Verhalten, den Aufenthalt, die Ausbildung und Schulung oder die Freizeitgestaltung betreffen oder die Beschränkungen oder Modalitäten der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit beinhalten;

…”

Rz. 6

Art. 6 („Verfahren für die Übermittlung eines Urteils und gegebenenfalls einer Bewährungsentscheidung”) des Rahmenbeschlusses bestimmt in Abs. 1:

„Übermittelt die zuständige Behörde des Ausstellungsstaats in Anwendung von Artikel 5 Absätze 1 oder 2 ein Urteil und gegebenenfalls eine Bewährungsentscheidung an einen anderen Mitg...

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