Leitsatz

  1. Der Rechtsnachfolger von Wohnungseigentum haftet der Gemeinschaft schuldrechtlich nicht für Hausgeldrückstände des Voreigentümers (seit Langem h.M.)
  2. Das vollstreckungsrechtliche Vorrecht der Gemeinschaft für Hausgeldrückstände in der Zwangsversteigerung (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG) begründet kein dingliches Recht der Gemeinschaft und kann nicht zu einer Erwerberhaftung für Voreigentümerschulden führen
 

Normenkette

§ 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG

 

Kommentar

  1. Ein Voreigentümer hatte Hausgeldschulden aus den abgerechneten Jahren 2009 und 2010; anschließend kam es über sein Vermögen zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Die Gemeinschaft meldete bestehende Forderungen im Insolvenzverfahren zur Tabelle an. Im Juni 2010 wurde vom Insolvenzverwalter die Wohnung veräußert; Eigentumsumschreibung auf den neuen Eigentümer erfolgte kurz darauf. Wegen bestehender Hausgeldrückstände des Voreigentümers klagte die Gemeinschaft nachfolgend auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das Wohnungseigentum, bis zum BGH allerdings ohne Erfolg.
  2. Der BGH widersprach insoweit einer weit verbreiteten Meinung in Literatur und Rechtsprechung, dass § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG über das dort geregelte Vorrecht eine allgemeine dingliche Haftung des Wohnungseigentums ähnlich wie ein eingetragenes Grundpfandrecht begründe und damit auch einen Erwerber – ohne dass dieser Hausgeldschuldner sei – im Umfang des Vorrechts zur Duldung der Zwangsvollstreckung in sein Wohnungseigentum verpflichte.

    Nach Auffassung des Senats enthält § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG lediglich eine Privilegierung schuldrechtlicher Ansprüche sowohl im Zwangsversteigerungsverfahren als auch – i.V.m. § 49 InsO – im Insolvenzverfahren. Aus dem Wortlaut des § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG ergibt sich nicht, dass insoweit ein neues dingliches Recht eingeführt werden sollte. Insoweit handelt es sich nur um eine verfahrensrechtliche Norm für das Zwangsversteigerungsverfahren mit neuer Rangklasseneinteilung in dortiger Reihenfolge. Das ZVG setzt damit eine bestehende dingliche Haftung voraus, begründet diese aber nicht für schuldrechtliche, materiell-rechtliche Zahlungsansprüche der Gemeinschaft. Der Gesetzgeber wollte allein erreichen, dass Hausgeldansprüche der Gemeinschaft "den nachfolgenden dinglich gesicherten Ansprüchen vorgehen" (BT-Drucks. 16/887, S. 43). Zu einer eigenständigen, dinglich berechtigten Gläubigerin sollte die Wohnungseigentümergemeinschaft über diese Vorrangregelung im Zwangsvollstreckungsverfahren nicht werden. Insbesondere bestand keine Absicht, einen begrenzten Haftungstatbestand des Erwerbers für rückständige Hausgelder eines Voreigentümers neu einzuführen. Im Ergebnis wollte deshalb der Gesetzgeber eine begrenzte bevorrechtigte Beteiligung der Gemeinschaft am Veräußerungserlös in der Zwangsversteigerung erreichen, wobei sich in der Insolvenz eines säumigen Eigentümers die Bevorrechtigung aus § 49 InsO i.V.m. dortiger Verweisung auf § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG ergibt. Einführung eines neuen dinglichen Rechts war dagegen gerade nicht gesetzgeberisches Ziel 2007.

  3. Überdies handelt es sich bei § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG allein um eine verfahrensrechtliche Norm (ohne entsprechende Rechtsgrundlage für eine Zahlungshaftung aus dem Wohnungseigentum). Erst im Zwangsversteigerungsverfahren konkretisiert sich der Umfang eines Vorrechts vor anderen Gläubigern. Ein Auseinanderfallen von Eigentümer- und Schuldnerstellung ist bisher gesetzlich nicht angelegt, sodass auch richterliche Rechtsfortbildung in dieser Frage ausscheidet; eine solche Entscheidung bliebe allein dem Gesetzgeber vorbehalten.
  4. Somit konnte die Gemeinschaft vorliegend nicht in das Wohnungseigentum des Beklagten (Erwerbers) vollstrecken.
 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil v. 13.9.2013, V ZR 209/12

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