Entscheidungsstichwort (Thema)

Viskosefasern für Tampons

 

Tenor

I. Das mit Schreiben vom 24. Mai 2012 angemeldete Zusammenschlussvorhaben des Erwerbs von 90 % der Kelheim Hygiene Fibres GmbH, Kelheim, durch die Lenzing AG, Lenzing, Österreich, wird untersagt.

II. Die Gebühr […] festgesetzt und der Beteiligten zu 1 auferlegt.

 

Tatbestand

A. SACHVERHALT

I. Das Vorhaben

Rz. 1

Die Beteiligte zu 1. (Lenzing) beabsichtigt, 90 % der Anteile der Beteiligten zu 2. (Kelheim) zu erwerben. Veräußerin der Anteile, die auch im Besitz der übrigen 10 % der Anteile bleiben wird, ist die Kelheim Fibres GmbH, Kelheim.

II. Die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen

1. Lenzing AG

Rz. 2

Die Lenzing AG ist die Obergesellschaft der Lenzing Gruppe, zu der zahlreiche Gesellschaften gehören, die hochwertige industriell gefertigte Cellulosefasern herstellen. Das Spektrum reicht von Faserzellstoff, Cellulose-Standard- und -Spezialfasern bis zu Kunststoff-Polymerprodukten und Engineering-Dienstleistungen. Am Standort Lenzing werden u.a. Viskosefasern für die Herstellung von Tampons produziert.

Rz. 3

Die Lenzing AG ist Teil der B&C Industrieholding GmbH, Wien, Österreich, die wiederum im Besitz der B&C Privatstiftung, Wien, Österreich, steht. Die B&C Industrieholding besitzt neben einer Beteiligung von 67,6 % an Lenzing Anteile in Höhe von 54,2 % an der Semperit Holding AG und verschiedene Minderheitsbeteiligungen. Keine der sonstigen Beteiligungen ist im Geschäftsbereich von Lenzing tätig. Die zurechenbaren Gesamtumsätze der B&C Industrieholding bzw. der B&C Privatstiftung betrugen in 2011 weltweit ca. […] Mrd. EUR, in Europa ca. […] Mrd. EUR und in Deutschland ca. […] Mio. EUR.

2. Kelheim Hygiene Fibres GmbH

Rz. 4

Kelheim betreibt das sog. Tampon-Geschäft der Kelheim-Gruppe. Dort ist das Fasermaterial zur Herstellung von Tampons zusammengefasst. Veräußerin der Anteile ist die Kelheim Fibres GmbH, Kelheim, die nach dem Zusammenschluss mit 10 % an Kelheim beteiligt bleiben wird. Die verbleibende Minderheitsbeteiligung ist nicht mit fusionskontrollrechtlich relevanten Einflussmöglichkeiten verbunden. Obergesellschaft der Kelheim Fibres GmbH ist die EQUI Fibres Beteiligungsgesellschaft mbH, Kelheim, an der Lenzing mit 45 % beteiligt ist. Kelheim erzielte lt. Anmelderangaben in 2011 Umsätze in Höhe von knapp […] Mio. EUR weltweit, ca. […] Mio. EUR in Europa und Umsätze in Höhe von […] Mio. EUR in Deutschland.[1]

III. Verfahren

Rz. 5

Mit Schreiben vom 24. Mai 2012, eingegangen am 29. Mai 2012, wurde der beabsichtigte Erwerb von 90 % der Anteile an Kelheim durch Lenzing vom Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1. und 2. im Namen von Lenzing angemeldet. Die Anmeldung wurde mit Schreiben vom 17. August 2012, eingegangen am 20. August 2012, mit Benennung der Umsatzerlöse gem. § 39 Abs. 3 Nr. 3 GWB für die der B&C Industrieholding gem. § 36 Abs. 2 GWB zurechenbaren Beteiligungsunternehmen vervollständigt.

Rz. 6

Mit Schreiben vom 28. Juni 2012, zugestellt am selben Tag, wurde dem Verfahrensbevollmächtigten der Zusammenschlussbeteiligten gem. § 40 Abs. 1 GWB mitgeteilt, dass die Beschlussabteilung in das Hauptprüfverfahren eingetreten ist.

Rz. 7

Mit Schreiben vom 27. August 2012 wurden insgesamt acht wichtige Abnehmer von Lenzing und Kelheim zu dem Zusammenschluss befragt. Es liegen die Antworten von sechs Abnehmern vor, auf die zusammen ca. 2/3 der weltweiten Absätze von Lenzing und Kelheim entfallen. Von sämtlichen im Inland belieferten Nachfragern der Zusammenschlussbeteiligten liegen die Antworten vollständig vor. Am 24. September 2012 führte die Beschlussabteilung ein Gespräch mit […], an dem jeweils ein Vertreter der lokalen Werksleitung […] als auch der zentralen Beschaffungsstelle in der Schweiz teilnahmen. Bei […] führt die zentrale Beschaffungsstelle in der Schweiz die Vertragsverhandlungen mit den Viskosefaserherstellern und die Lieferung der Viskosefasern erfolgt direkt von den Herstellern an die nationalen Werke von […]. Am 2. Oktober 2012 wurden zwei Hersteller von Tamponfasermaterial aus Baumwolle in den USA und der Türkei schriftlich zu dem Zusammenschluss befragt. Von beiden liegen Antworten vor.

Rz. 8

Dieser Anmeldung ging eine vorsorgliche Anmeldung desselben Zusammenschlusses im August 2011 voraus (B 3 – 105/11), in der die Anmelder vom Vorliegen eines Bagatellmarktes ausgingen. Diese Anmeldung wurde jedoch zurückgenommen, nachdem die Beschlussabteilung signalisiert hatte, dass nach ihrer Auffassung der von dem Zusammenschluss betroffene Markt für Tamponfasermaterial im Inland ein Marktvolumen von mehr als 15 Mio. EUR hat. In der sich daran anschließenden gerichtlichen Auseinandersetzung bestätigte das OLG Düsseldorf, dass bei Zweifeln über die Anmeldepflicht eine Anmeldung zwingend erforderlich sei, denn eine Bagatellmarktbetroffenheit sei nur im Fusionskontrollverfahren zu überprüfen.[2]

Rz. 9

Den Zusammenschlussbeteiligten und der Landeskartellbehörde Bayern wurde mit Schreiben vom 30. Oktober 2012 der Entwurf dieser Entscheidung übermittel...

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