Leitsatz (amtlich)

Gewährt ein außenstehender Dritter einem Gesellschafter der späteren Insolvenzschuldnerin und dessen Ehefrau ein Darlehen, welches der Gesellschafter zur Gewährung eines Darlehens an die Gesellschaft verwendet, ist die Rückzahlung des Darlehens an den Dritten durch die Gesellschaft dem Dritten gegenüber nicht als Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens anfechtbar.

 

Normenkette

InsO § 135 Abs. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

OLG Karlsruhe (Urteil vom 30.11.2018; Aktenzeichen 3 U 15/17)

LG Heidelberg (Urteil vom 24.05.2017; Aktenzeichen 5 O 265/16)

 

Tenor

Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden das Urteil des 3. Zivilsenats des OLG Karlsruhe vom 30.11.2018 und das Urteil der 5. Zivilkammer des LG Heidelberg vom 24.5.2017, soweit zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist, aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Aufgrund eines Darlehensvertrages vom 12.1.2012 gewährte der Beklagte den Eheleuten V. ein mit 4 vom Hundert verzinsliches Darlehen über 1.000.000 EUR. 450.000 EUR sollten spätestens am 29.2.2012 zurückgezahlt werden, 550.000 EUR sowie die bis dahin angefallenen Zinsen spätestens am 31.3.2012. Vereinbarungsgemäß sollte das Darlehen der Autohaus P. V. GmbH (fortan: Schuldnerin), deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Ehemann V. war, zur Beseitigung einer Liquiditätslücke zur Verfügung gestellt werden. Der Beklagte überwies den Betrag von 1.000.000 EUR direkt an die Schuldnerin. Zur Sicherung des Rückzahlungsanspruchs des Beklagten trat die Schuldnerin Forderungen gegen die R. AG und gegen die Erwerber von 48 Fahrzeugen an den Beklagten ab. Am 27.2.2012 zahlte die Schuldnerin einen Teilbetrag von 450.000 EUR unmittelbar an den Beklagten zurück. Am 30.3.2012 vereinbarten der Beklagte und der Ehemann V., dass die weiteren 550.000 EUR bei ansonsten gleichbleibenden Konditionen bis zum 30.9.2012 zurückgezahlt werden sollten. Den genannten Betrag überwies die Schuldnerin am 5.10.2012 an den Beklagten.

Rz. 2

Am 19.6.2013 beantragte der Ehemann V. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin. Am 27.6.2013 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. Er verlangt nunmehr die Rückgewähr von 550.000 EUR nebst Zinsen. Die Klage hatte in den Vorinstanzen bis auf einen Teil der verlangten Zinsen Erfolg. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision will der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage erreichen.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 3

Die Revision führt zur Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen und zur Abweisung der Klage.

I.

Rz. 4

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Anspruch des Klägers auf Rückgewähr von 550.000 EUR nebst Zinsen folge aus §§ 143 Abs. 1, 135 Abs. 1 Nr. 2, 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO. Das Darlehen des Beklagten habe einem Gesellschafterdarlehen gleichgestanden. Der Beklagte habe im Zusammenwirken mit dem Ehemann V. bewusst eine Konstruktion gewählt, die es der Schuldnerin habe ermöglichen sollen, das Darlehen anfechtungsfest zurückzuzahlen. Dies habe das LG nach Beweisaufnahme festgestellt. Entscheidend sei, ob die Rechtshandlung des Dritten einer Darlehensgewährung durch den Gesellschafter wirtschaftlich entspreche. Das sei insb. dann der Fall, wenn es sich um ein Darlehen aus Mitteln oder für Rechnung eines Gesellschafters oder einer gleichgestellten Person handele. Von einem Umgehen der Rechtsfolgen des § 135 InsO durch Einschaltung eines Dritten sei auszugehen, wenn das Gesellschafterdarlehen selbst kreditfinanziert gewesen und der Gesellschafter nur zur Meidung eines Anfechtungsrisikos zwischengeschaltet worden sei. Davon sei hier auszugehen. Die Rückzahlung der 550.000 EUR habe die Gläubiger der Schuldnerin benachteiligt.

II.

Rz. 5

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die für die Forderung eines Gesellschafters auf Rückgewähr eines nachrangigen Darlehens i.S.d. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO oder für eine gleichgestellte Forderung Befriedigung gewährt hat, wenn die Handlung im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist. Im Verhältnis zum Beklagten sind diese Voraussetzungen offensichtlich nicht erfüllt.

Rz. 6

1. Dem Nachrang nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO unterliegen Ansprüche auf Rückgewähr von Darlehen, die von einem Gesellschafter gewährt worden sind, der einer Gesellschaft i.S.v. § 39 Abs. 4 Satz 1 InsO angehört und der nicht dem Kleinbeteiligungsprivileg gem. § 39 Abs. 5 InsO unterfällt. Der Beklagte war und ist nicht Gesellschafter der Schuldnerin.

Rz. 7

2. Unter besonderen Voraussetzungen können auch Dritte, welche der Gesellschaft nicht als Gesellschafter angehören, dem Nachrang unterworfen sein. Finanzierungshilfen Dritter werden erfasst, wenn der Dritte bei wirtschaftlicher Betrachtung einem Gesellschafter gleichsteht. Voraussetzung ist die Rechtshandlung eines Dritten, welche der Darlehensgewährung durch einen Gesellschafter wirtschaftlich entspricht. Das gilt insb. für Darlehen verbundener Unternehmen. Die Verbindung kann - vertikal - in der Weise bestehen, dass der Dritte an einer Gesellschafterin der Schuldnergesellschaft beteiligt ist. Sie kann aber auch - horizontal - so ausgestaltet sein, dass ein Gesellschafter an beiden Gesellschaftern - der Darlehensgeberin und der Darlehensnehmerin - beteiligt ist, und zwar an der erstgenannten in maßgeblicher Weise (vgl. BGH, Urt. v. 15.11.2018 - IX ZR 39/18 WM 2019, 180 Rz. 12 ff., 14). Der Gesellschafter kann sich seiner Verantwortung nicht entziehen, indem er eine oder mehrere Gesellschaften zwischenschaltet (BGH, Urt. v. 15.11.2018, a.a.O., Rz. 15).

Rz. 8

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Bis auf den Darlehensvertrag zwischen dem Beklagten und den Eheleuten V. bestehen keinerlei rechtliche Verbindungen zwischen dem Beklagten und der Schuldnerin als Darlehensnehmerin einerseits, dem Beklagten und den Eheleuten V. in ihrer Eigenschaft als Darlehensgeber andererseits. Der Beklagte hatte keinerlei Einfluss auf die Entschließungen der Schuldnerin.

Rz. 9

3. Der Vorwurf einer Umgehung von Anfechtungstatbeständen eröffnet für sich genommen nicht den Anwendungsbereich des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Ein Anfechtungstatbestand ist grundsätzlich nur bei Vorliegen der im Gesetz genannten tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt. Der Anfechtungstatbestand des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist durch die vom Beklagten und den Eheleuten V. gewählte Konstruktion einer Darlehensgewährung an die Eheleute V. im Übrigen nicht umgangen worden. Selbst wenn der Beklagte den Darlehensvertrag unmittelbar mit der Schuldnerin geschlossen hätte, wäre die Rückzahlung des Darlehensbetrages im Jahr vor dem Eröffnungsantrag nicht nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar gewesen. Der Beklagte war und ist nicht Gesellschafter der Schuldnerin und steht einem solchen auch nicht gleich. Es stand ihm frei, den Darlehensvertrag mit der Schuldnerin, mit den Eheleuten V. oder nur mit dem Ehemann V. zu schließen oder dies zu unterlassen.

III.

Rz. 10

Das angefochtene Urteil kann deshalb keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Weil die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Der Kläger hat sich hilfsweise auch auf die Anfechtungstatbestände des § 134 Abs. 1 InsO und des § 133 Abs. 1 InsO in der bis zum 5.4.2017 geltenden Fassung (vgl. Art. 103j EGInsO) berufen. Die Voraussetzungen dieser Tatbestände sind jedoch nach dem eigenen Vortrag des Klägers nicht erfüllt.

Rz. 11

1. Nach § 134 Abs. 1 InsO ist eine unentgeltliche Leistung des Schuldners anfechtbar, die innerhalb von vier Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist. Der Kläger hält diesen Anfechtungstatbestand schon deshalb für gegeben, weil ein Darlehensvertrag nur zwischen dem Beklagten und den Eheleuten V. bestanden habe, nicht zwischen dem Beklagten und der Schuldnerin. Entgegen der Ansicht des Klägers erfolgte die Rückzahlung deshalb jedoch nicht rechtsgrundlos. Durch die Zahlung vom 5.10.2012 hat die Schuldnerin ihre Rückzahlungspflicht gegenüber den Eheleuten V. erfüllt; diese erfüllten zugleich ihre Rückzahlungspflicht aus dem Darlehensvertrag mit dem Beklagten. Mit dem Erhalt der Zahlung vom 5.10.2012 hat der Beklagte seine Forderung auf Rückzahlung der Darlehenssumme gegen die Eheleute V. verloren. Er hat die Leistung damit nicht unentgeltlich erhalten.

Rz. 12

a) In einem Zwei-Personen-Verhältnis ist eine Leistung als unentgeltlich anzusehen, wenn ihr nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts keine Leistung gegenübersteht, dem Verfügenden also keine dem von ihm aufgegebenen Vermögenswert entsprechende Gegenleistung zufließen soll. Wird eine dritte Person in den Zuwendungsvorgang eingeschaltet, kommt es hingegen nicht entscheidend darauf an, ob der Schuldner selbst einen Ausgleich für seine Verfügung erhalten hat. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Empfänger seinerseits eine Gegenleistung zu erbringen hatte. Dies entspricht der in § 134 InsO zum Ausdruck kommenden Wertung, dass der Empfänger einer Leistung dann einen geringeren Schutz verdient, wenn er keine ausgleichende Gegenleistung zu erbringen hat. Die Gegenleistung des Empfängers, dessen gegen einen Dritten gerichtete Forderung bezahlt wird, liegt in der Regel darin, dass er mit der Leistung, die er gem. § 267 Abs. 2 BGB nur bei Widerspruch seines Schuldners ablehnen kann, eine werthaltige Forderung gegen seinen Schuldner verliert. Grundsätzlich ist deshalb nicht der Leistungsempfänger, sondern dessen Schuldner der richtige Beklagte für eine Anfechtung wegen unentgeltlicher Zuwendung (BGH, Urt. v. 3.3.2005 - IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276, 279 f.; v. 16.11.2007 - IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 Rz. 8; vgl. auch HK-InsO/Thole, 9. Aufl., § 134 Rz. 8).

Rz. 13

b) Das gilt allerdings nicht, wenn die Forderung des Zuwendungsempfängers gegen seinen Schuldner im Zeitpunkt des Erhalts der Leistung wirtschaftlich wertlos war. In einem solchen Fall hat der Leistungsempfänger nichts verloren, was als Gegenleistung für die Zuwendung des Schuldners angesehen werden kann. Die Leistung auf eine fremde Schuld ist dann als unentgeltliche Verfügung anfechtbar (BGH, Urt. v. 3.3.2005, a.a.O., S. 280; vom 16.11.2007, a.a.O.; vgl. auch HK-InsO/Thole, 9. Aufl., § 134 Rz. 9 f.). Darlegungs- und beweispflichtig für eine unentgeltliche Leistung des Schuldners ist der Insolvenzverwalter (BGH, Beschl. v. 9.3.2017 - IX ZA 16/16, NZI 2017, 393 Rz. 8 m.w.N.; HK-InsO/Thole, 9. Aufl., § 134 Rz. 21). Der Kläger hat den Vortrag des Beklagten und die Aussage des als Zeugen vernommenen Ehemanns V. dazu bestritten, dass die Eheleute V. zur Rückzahlung von 550.000 EUR in der Lage gewesen wären. Tatsachen, welche den Schluss auf eine Vermögenslosigkeit der Eheleute V. und damit eine Wertlosigkeit der Darlehensforderung des Beklagten im Zeitpunkt der Rückzahlung zuließen, hat er jedoch nicht vorgetragen. Er hat auch keinen Beweis für die Richtigkeit seines nur pauschalen Bestreitens angetreten.

Rz. 14

2. Nach § 133 Abs. 1 InsO a.F. ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte.

Rz. 15

Der für die tatsächlichen Voraussetzungen auch dieses Anfechtungstatbestandes und der tatsächlichen Vermutung gem. § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO a.F. darlegungs- und beweispflichtige Kläger (vgl. BGH, Urt. v. 18.12.2008 - IX ZR 79/07 WM 2009, 615 Rz. 8 m.w.N.) hat behauptet, der Beklagte habe seine Forderung gestundet, nachdem der Ehemann V. erklärt habe, eine Zahlung zum vereinbarten Termin sei nicht möglich. Mit dem Vorhandensein anderer Gläubiger der gewerblich tätigen Schuldnerin habe der Beklagte rechnen müssen. Schließlich habe der Beklagte mit der Direktzahlung der Schuldnerin eine inkongruente Deckung erhalten. Der Beklagte hat demgegenüber behauptet, er habe die Verlängerung des Darlehens aus freien Stücken angeboten. Einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin sowie seine, des Beklagten, Kenntnis hiervon hat der Beklagte bestritten. Der vom LG als Zeuge vernommene Ehemann V. hat die Darstellung des Beklagten zu den Umständen der Verlängerung bestätigt. Das Beweisanzeichen der Inkongruenz reicht hier schon deshalb nicht aus, weil es nicht um die Frage der Zahlungsunfähigkeit der Eheleute V. als der Darlehensschuldner geht, sondern um diejenige der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin. Weiteren Vortrag zu den tatsächlichen Voraussetzungen eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes der Schuldnerin, zur Frage einer drohenden oder bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung und zu einer Kenntnis des Beklagten hiervon hat der Kläger nicht gehalten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 13765822

DStR 2020, 1449

DStR 2020, 941

NJW 2020, 9

NWB 2020, 1032

GmbH-StB 2020, 251

NJW-RR 2020, 549

EWiR 2020, 439

KTS 2020, 407

NZG 2020, 559

StuB 2020, 692

WM 2020, 694

WuB 2020, 301

ZIP 2020, 27

ZIP 2020, 723

DZWir 2020, 424

JZ 2020, 295

MDR 2020, 630

NZI 2020, 171

NZI 2020, 190

NZI 2020, 422

NZI 2020, 7

ZInsO 2020, 834

ZInsO 2021, 45

GWR 2020, 206

GmbHR 2020, 648

InsbürO 2020, 302

KSI 2020, 193

KSI 2020, 243

StX 2020, 334

GmbH-Stpr. 2020, 149

GmbH-Stpr. 2020, 284

ZRI 2020, 266

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