Leitsatz (amtlich)

Die gesamtschuldnerische Haftung einer vom Schuldner abgespaltenen Gesellschaft nach § 133 UmwG steht der gläubigerbenachteiligenden Wirkung von Zahlungen aus dem Vermögen des Schuldners nicht entgegen.

 

Normenkette

InsO § 129 Abs. 1

 

Verfahrensgang

Thüringer OLG (Urteil vom 17.08.2016; Aktenzeichen 2 U 917/15)

LG Gera (Entscheidung vom 27.11.2015; Aktenzeichen 3 O 1304/13)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 2. Zivilsenats des OLG Jena vom 17.8.2016 aufgehoben.

Die Sache wird nur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Der Kläger ist Verwalter in dem auf einen Antrag vom 6.7.2012 am 16.1.2013 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der T. mbH (fortan: Schuldnerin). Der Beklagte ist Mehrheitsgesellschafter der E. mbH. Diese beriet die Schuldnerin bei einer Abspaltung. Die Schuldnerin hatte im Jahr 2001 Grundstücke veräußert und in Höhe des erzielten Gewinns von 3,42 Mio. EUR eine steuerfreie Rücklage nach § 6b Abs. 3 EStG gebildet, die mangels Reinvestitionsmaßnahmen zum 31.12.2008 aufzulösen war. Mit Abspaltungsvertrag vom 27.8.2008 wurde von den Gesellschaftern der Schuldnerin die K. mbH gegründet. Auf diese wurden die Aktiva der Schuldnerin mit Ausnahme eines Grundstücks und eines geringen Barbestands übertragen. Die Passiva verblieben bei der Schuldnerin. In der Folgezeit löste das Finanzamt die steuerfreie Rücklage rückwirkend zum 31.12.2008 auf. Dadurch entstanden für die Schuldnerin Steuerverbindlichkeiten i.H.v. insgesamt mindestens 876.687,18 EUR, die in Teilbeträgen bis zum Jahr 2013 fällig wurden.

Rz. 2

Bereits mit Vertrag vom 15.5.2008 hatten die Schuldnerin und der Beklagte eine stille Gesellschaft betreffend ein Objekt " " gegründet. Für ihre Beteiligung als stille Gesellschafterin zahlte die Schuldnerin an den Beklagten am 2.6.2008 100.000 EUR und am 30.6.2008 65.000 EUR.

Rz. 3

Der Kläger verlangt vom Beklagten unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Vorsatzanfechtung die Rückgewähr der geleisteten Zahlungen. Die Schuldnerin und der Beklagte hätten gewusst, dass die Schuldnerin die zu erwartenden Steuerforderungen nicht würde begleichen können. Der Vertrag über die stille Beteiligung sei nur zum Schein geschlossen worden, um dem Beklagten ein Honorar oder eine Schenkung zuzuwenden. Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 4

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Rz. 5

1. Das Berufungsgericht hat gemeint, eine Insolvenzanfechtung scheide aus, weil nicht dargetan sei, dass die angefochtenen Zahlungen zu einer Benachteiligung der Gläubiger (§ 129 Abs. 1 InsO) geführt hätten. Die Klage werde darauf gestützt, dass zum Zeitpunkt der Zahlungen bereits geplant gewesen sei, eine Abspaltung vorzunehmen, das Vermögen der Schuldnerin größtenteils in die abgespaltene Gesellschaft zu transferieren und die Schuldnerin ohne ausreichendes Vermögen mit den Steuernachforderungen zu belasten. Eine Benachteiligung der Gläubiger könne mit der späteren Abspaltung jedoch nicht begründet werden, weil die abgespaltene Gesellschaft für Altverbindlichkeiten des übertragenden Rechtsträgers nach Maßgabe des § 133 UmwG gesamtschuldnerisch hafte. Die Voraussetzungen einer Haftung der abgespaltenen Gesellschaft für die Steuernachforderungen nach Auflösung der Rücklage seien gegeben. Deshalb sei nicht dargetan, dass die der Abspaltung vorhergehenden streitgegenständlichen Zahlungen gläubigerbenachteiligend gewesen seien.

Rz. 6

2. Diese Beurteilung beruht auf einem Rechtsfehler. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts haben die angefochtenen Zahlungen eine mittelbare Benachteiligung der Insolvenzgläubiger i.S.v. § 129 Abs. 1 InsO bewirkt.

Rz. 7

a) Eine Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn die angefochtene Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt hat, wenn sich also mit anderen Worten die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten (BGH, Urt. v. 15.11.2018 - IX ZR 229/17 WM 2019, 213 Rz. 11 m.w.N.; v. 18.7.2019 - IX ZR 258/18 WM 2019, 1605 Rz. 12; st.Rspr.). Der Eintritt einer Gläubigerbenachteiligung ist isoliert mit Bezug auf die konkret angefochtene Minderung des Aktivvermögens oder die Vermehrung der Passiva des Schuldners zu beurteilen. Dabei sind lediglich solche Folgen zu berücksichtigen, die an die anzufechtende Rechtshandlung selbst anknüpfen. Eine Gläubigerbenachteiligung entfällt nicht deshalb, weil die anzufechtende Rechtshandlung in Zusammenhang mit anderen Ereignissen der Insolvenzmasse auch Vorteile gebracht hat. Als Vorteil der Masse sind nur solche Folgen zu berücksichtigen, die unmittelbar mit der angefochtenen Rechtshandlung zusammenhängen (BGH, Urt. v. 28.1.2016 - IX ZR 185/13 WM 2016, 427 Rz. 17; vom 18.7.2019, a.a.O., Rz. 14; jeweils m.w.N.).

Rz. 8

b) Angefochten sind die an den Beklagten geleisteten beiden Zahlungen i.H.v. insgesamt 165.000 EUR. Die Zahlungen verkürzten die Aktivmasse und verringerten damit das den Insolvenzgläubigern haftende Vermögen der Schuldnerin. Auf die vom Berufungsgericht erörterte Frage, ob die Insolvenzgläubiger durch die im zeitlichen Zusammenhang mit den angefochtenen Zahlungen erfolgte Abspaltung der K. mbH benachteiligt wurden, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Die angefochtenen Zahlungen hätten die Gläubiger der Schuldnerin nur dann nicht benachteiligt, wenn die Masse in dem über das Vermögen der Schuldnerin eröffneten Insolvenzverfahren im Blick auf die Haftung der abgespaltenen Gesellschaft nach § 133 UmwG auch ohne die Anfechtung ausreichen würde, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen (vgl. dazu BGH, Urt. v. 20.2.2014 - IX ZR 164/13, BGHZ 200, 210 Rz. 20). Dies kann auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen aber nicht angenommen werden.

Rz. 9

3. Das Berufungsurteil ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 und 3 ZPO). Das Berufungsgericht wird die weiteren - insb. die subjektiven - Voraussetzungen eines Anspruchs nach §§ 143 Abs. 1, 133 Abs. 1 InsO zu prüfen haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 13537557

BB 2019, 2753

BB 2020, 402

DB 2019, 2574

DStR 2019, 2656

NWB 2019, 3472

NWB 2020, 985

GmbH-StB 2020, 45

NJW-RR 2019, 1519

NZG 2020, 119

StuB 2020, 207

WM 2019, 2177

WuB 2020, 157

ZAP 2020, 29

ZIP 2019, 2224

DZWir 2020, 191

JZ 2019, 858

MDR 2019, 1472

NZI 2019, 933

NZI 2020, 169

NZI 2020, 25

ZInsO 2019, 2458

GWR 2020, 80

GmbHR 2020, 23

KSI 2020, 41

NJW-Spezial 2020, 117

GmbH-Stpr. 2020, 55

ZRI 2020, 80

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