Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit der Berufung. Klageänderung

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, ob der Berufungskläger die Beseitigung einer in dem angefochtenen Urteil liegenden Beschwer erstrebt, wenn er den geltend gemachten Anspruch erstinstanzlich auf den Gewinn eines Preisausschreibens stützt und in der zweiten Instanz eine vertragliche Grundlage für seinen Anspruch annimmt.

 

Normenkette

ZPO §§ 263, 511

 

Verfahrensgang

LG Kaiserslautern (Beschluss vom 17.02.2006; Aktenzeichen 1 S 141/05)

AG Kaiserslautern (Urteil vom 02.09.2005; Aktenzeichen 1 C 601/05)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des LG Kaiserslautern vom 17.2.2006 - 1 S 141/05 - aufgehoben.

Die Sache wird zur Entscheidung über die Berufung der Klägerin an das LG zurückverwiesen.

 

Gründe

[1]I.

Die Klägerin beteiligte sich an einem von der Beklagten ausgelobten Wettbewerb, bei dem eine Gesamtpreissumme von 20.000 EUR ausgesetzt war. Nach einem Verfahren der Vorauswahl, einem Ideenwettbewerb, war sie zum Hauptwettbewerb zugelassen worden. Während die Ausschreibungsunterlagen der Beklagten vorsahen, dass sämtliche Unterlagen zu den für den Hauptwettbewerb zugelassenen Themen von den entsprechenden Teilnehmern bis zum 31.3.2004 abgegeben werden und sodann durch eine Jury beurteilt werden sollten, fand am 24.4.2004 auf Einladung der Beklagten ein Workshop statt, an dem die Klägerin und vier weitere Bewerber teilnahmen. In dem Protokoll zu dieser Veranstaltung, in dem die Bewerber als "Projektgruppe" bezeichnet werden, ist ein "vorläufiges Diskussionsergebnis als Auftrag an die Projektgruppe" festgehalten und die "Durchführung in Teamarbeit als ganzheitliches Gesamtprojekt, das die fünf unterschiedlichen Ideen der Teilnehmer weitestmöglich übernimmt und optimal integriert" vorgesehen. Am 30.6.2004 trafen sich Vertreter der Beklagten, der Jury und die fünf Bewerber zu einem zweiten Workshop. Das Protokoll enthält Feststellungen über die Herstellung eines Einvernehmens, welche von drei zuvor entwickelten Projektideen gemeinsam weiterverfolgt werden sollte; ferner ist in ihm ein Projektauftrag formuliert, der an die Teilnehmer der Projektgruppe gerichtet ist. Ein für den 31.8.2004 vorgesehener dritter Workshop fand nicht statt. In der Folgezeit lehnten die vier anderen Wettbewerber die weitere Zusammenarbeit mit der Klägerin ab, worüber sie mit Schreiben der Beklagten vom 13.10.2004 informiert wurde. In diesem Schreiben wird weiter ausgeführt, die Jurymitglieder hätten entschieden, dass die Weiterarbeit der Projektgruppe in dem verkleinerten Kreis fortgesetzt werden solle, um das Projekt zu einem erfolgreichen Ende zu bringen, und die Klägerin könne ihre Einzelleistung zur Bewertung einreichen, um ihre Chance zu wahren, an dem ausgelobten Preis zu partizipieren. Anfang 2005 wurde die aus vier Personen bestehende Gruppe mit dem Stiftungspreis ausgezeichnet und erhielt das Preisgeld von 20.000 EUR.

[2]Die Klägerin ist der Auffassung, sie habe an dem ausgesetzten Preis quotenmäßig beteiligt werden müssen. Ihre auf Zahlung von 4.000 EUR gerichtete Klage, die erstinstanzlich wesentlich auf die Erwägung gestützt war, in der Sache habe die Jury bereits am 24.4.2004 verbindlich über die Preisverleihung an die Mitglieder der Projektgruppe entschieden, hat das AG abgewiesen.

[3]Mit ihrer Berufung hat die Klägerin ihr Zahlungsbegehren als Hauptantrag weiterverfolgt und insoweit im Kern beanstandet, das AG habe übersehen, dass die aus den fünf ursprünglichen Mitbewerbern gebildete Projektgruppe als Gesellschaft bürgerlichen Rechts anzusehen sei, aus der die Klägerin nicht ausgeschieden sei. Im Anschluss an den ersten Workshop habe in der Sache kein Wettbewerb mehr stattgefunden. Die Erteilung des Projektauftrages am 30.6.2004 müsse entweder als konkludenter Abschluss eines Werkvertrags mit der Projektgruppe, der die ursprünglich als Preis ausgelobten 20.000 EUR als Entgelt vorgesehen habe, oder als eine verbindliche Entscheidung über die Preisverleihung bereits durch den Zusammenschluss der Teilnehmer betrachtet werden.

[4]Das LG hat die Berufung als unzulässig verworfen.

[5]II.

1. Die Rechtsbeschwerde ist gem. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

[6]2. Das Berufungsgericht hält die rechtzeitig eingelegte und begründete Berufung für unzulässig, weil mit dem Rechtsmittel keine Beseitigung der Beschwer aus der angefochtenen Entscheidung verfolgt werde. Auch wenn der in erster Linie formulierte Zahlungsantrag weiterverfolgt werde, liege wegen eines ausgetauschten Lebenssachverhalts ein anderer Streitgegenstand und somit eine Klageänderung vor. Während die Klägerin ihren Anspruch in erster Instanz auf eine einseitige Erklärung - nämlich die im Workshop vom 24.4.2004 verkündete, für die Beklagte verbindliche Entscheidung des Preisgerichts - gestützt habe, solle der Anspruch jetzt auf einem am 30.6.2004 zwischen der Beklagten und den Mitgliedern der Projektgruppe - einzeln oder als Gesellschaft bürgerlichen Rechts - geschlossenen Werkvertrag beruhen. Selbst wenn man hierin keine Änderung des Streitgegenstands sehen wolle, sei hier von Bedeutung, dass die Klägerin unter Ziff. III ihrer Klage weitergehende Ansprüche, die ihr aufgrund ihrer Tätigkeit nach dem 1.7.2004 und wegen möglicher Verletzung von Urheberrechten gegen die Beklagte und die weiteren Teilnehmer der Projektgruppe zustehen könnten, ausgeklammert habe. Solche mache die Klägerin aber zum Gegenstand des Berufungsverfahrens, wenn sie eine werkvertragliche Vergütung für den Fall künftiger ordnungsgemäßer Ausführung des Projektauftrages vom 30.6.2004 begehre.

[7]3. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

[8]a) Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, dass die Berufung nur dann zulässig ist, wenn der Berufungskläger mit ihr die Beseitigung einer in dem angefochtenen Urteil liegenden Beschwer erstrebt. Dies ist dann nicht der Fall, wenn er im Wege der Klageänderung einen neuen, bislang nicht geltend gemachten Anspruch zur Entscheidung stellt, ohne den in erster Instanz erhobenen Klageanspruch nicht wenigstens teilweise weiterzuverfolgen (vgl. Senatsurteil vom 30.11.1995 - III ZR 240/94 - NJW 1996, 527 f m.w.N.). Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist Streitgegenstand eines Rechtsstreits nicht ein bestimmter materiell-rechtlicher Anspruch, sondern der als Rechtsschutzbegehren oder Rechtsfolgenbehauptung verstandene, eigenständige prozessuale Anspruch, der durch den Klageantrag (Rechtsfolge) und den Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet, bestimmt wird (vgl. BGHZ 157, 47, 50; BGHZ 117, 1, 5 m.w.N.).

[9]b) Wie das Berufungsgericht im Ansatz nicht verkennt, verfolgt die Klägerin mit ihrem auf Zahlung i.H.v. 4.000 EUR gerichteten Hauptantrag dasselbe Ziel wie in erster Instanz. Da jedoch die (unterschiedliche) materiell-rechtliche Einordnung des Anspruchs, die die Klägerin in erster und zweiter Instanz vorgenommen hat, ohne Belang ist (vgl. BGH, Urt. v. 18.7.2000 - X ZR 62/98 - NJW 2000, 3492, 3493) - insoweit ist es Sache des Gerichts, den unterbreiteten Lebenssachverhalt rechtlich zu würdigen -, kommt es für die Nämlichkeit des Streitgegenstands entscheidend darauf an, ob der in zweiter Instanz vorgetragene Lebenssachverhalt mit dem in erster Instanz - im Wesentlichen - übereinstimmt. Das ist hier zu bejahen. Die Klägerin hat in beiden Rechtszügen einen Streitstoff unterbreitet, der zeitlich mit der Auslobung eines Wettbewerbs durch die Beklagte beginnt und mit der förmlichen Preisgewährung an vier Mitbewerber der Klägerin endet. Übereinstimmend in beiden Rechtszügen hat sie auf eine Besonderheit dieses Wettbewerbs aufmerksam gemacht und in den Mittelpunkt ihrer rechtlichen Überlegungen gestellt, nämlich den Umstand, dass offenbar auf Initiative der Beklagten die Vorschläge der fünf Mitbewerber des Hauptwettbewerbs in Teamarbeit zu einem gemeinsamen Gesamtprojekt zusammengeführt werden sollten, wie es in dem an die Projektgruppe gerichteten Projektauftrag beim zweiten Workshop ausformuliert worden ist. Eine nähere rechtliche Einordnung dieser offenbaren Aufhebung oder Modifizierung der ursprünglich bestehenden Konkurrenzsituation und die Frage, ob und ggf. welche Bindungen sich hieraus für die Beklagte und das Preisgericht ergeben haben, hat das AG nicht vorgenommen. Darin liegt der Kern der Beanstandungen der Klägerin in der Berufungsinstanz. Dass die Klägerin mit Rücksicht auf den von ihr geschilderten Geschehensablauf erstinstanzlich die Auffassung vertreten hat, der Sache nach habe sich die Jury schon beim ersten Workshop für eine Preisverleihung an die fünf Bewerber entschieden, während sie im zweiten Rechtszug stärker betont hat, die Beteiligten hätten einvernehmlich die Bedingungen für eine Fortführung des Projekts verändert und damit gesellschafts- und werkvertragliche Bindungen geschaffen, stellen lediglich Überlegungen und Versuche der Klägerin dar, auf Möglichkeiten der rechtlichen Einordnung des unterbreiteten Lebenssachverhalts hinzuweisen. Ein neuer Streitgegenstand wird hiermit nicht eingeführt.

[10]c) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin erstinstanzlich weitergehende Ansprüche aufgrund ihrer Tätigkeiten nach dem 1.7.2004 ausgeklammert hat. Wie sich aus der Bezugnahme des Berufungsgerichts auf S. 3 der Anlage K 14 ergibt, handelt es sich insoweit um Ansprüche, die - über den Anteil am Preisgeld hinausgehend - Leistungen betreffen, die die Klägerin namentlich im Anschluss an den zweiten Workshop erbracht hat und die nach ihrer Auffassung nach § 632 BGB angemessen zu vergüten seien. Sie sind jedoch nicht Gegenstand des in der Berufungsinstanz gestellten Hauptantrags auf quotenmäßige Beteiligung am Preisgeld.

[11]Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben und die Sache zur Entscheidung über die Berufung an das LG zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1548862

BGHR 2006, 1190

BauR 2006, 1784

EBE/BGH 2006, 1

NJW-RR 2006, 1502

JA 2006, 740

MDR 2006, 1359

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