Leitsatz

Aus der Kompetenz der Wohnungseigentümer, den Gebrauch (§ 15 WEG), die Verwaltung (§ 21 WEG) und die Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums (§ 22 WEG) durch Mehrheitsbeschluss zu regeln, folgt nicht die Befugnis, den Wohnungseigentümern außerhalb der gemeinschaftlichen Kosten und Lasten Leistungspflichten aufzuerlegen.

 

Fakten:

Einer der Wohnungseigentümer hatte seine beiden nebeneinander liegenden Tiefgaragenstellplätze mit Gitterelementen abgetrennt und jeweils ein Rolltor angebracht. Auf einer Eigentümerversammlung wurde beschlossen, den Eigentümer "gemeinschaflicherseits zum Rückbau der Garagenbox aufzufordern und zu verpflichten. Kommt er einer befristeten Rückbauanforderung der Verwaltung nicht fristgerecht nach, so soll ein Rechtsanwalt mit der Durchsetzung des gemeinschaflichen Rückbauanspruchs beaufragt werden, der diesen gegebenenfalls auch vor Gericht verfolgen und durchsetzen soll". Der Beschluss wurde bestandskräftig, die Gemeinschaft klagte auf Rückbau der baulichen Veränderung. Der Eigentümer wurde entsprechend durch die Vorinstanzen verurteilt. Die Vorinstanzen jedenfalls waren der Auffassung, dem Eigentümerbeschluss komme anspruchsbegründende Wirkung zu. Da dieser nur anfechtbar sei und der Eigentümer von der Möglichkeit der Anfechtung keinen Gebrauch gemacht habe, seien Feststellungen dazu, ob durch die Gitterboxelemente und das Rolltor die übrigen Eigentümer in einem nach § 14 Nr. 1 WEG unzulässigen Maß beeinträchtigt würden, entbehrlich.

Dem konnte sich der BGH indes nicht anschließen. Eine Leistungspflicht kann gegen den Willen des Schuldners durch einen Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer nicht konstitutiv begründet werden. Ist eine Angelegenheit weder durch das Gesetz noch durch eine Vereinbarung dem Mehrheitsprinzip unterworfen, fehlt den Eigentümern von vornherein die Beschlusskompetenz; ein gleichwohl gefasster Mehrheitsbeschluss ist nichtig. Die gesetzlichen Vorgaben können nach § 10 Abs. 2 WEG nur durch Vereinbarung aller Eigentümer, nicht aber im Beschlusswege abbedungen werden. Für Beseitigungsansprüche, mit denen die Beseitigung einer baulichen Veränderung gefordert wird, gilt nichts anderes. Insoweit können die Eigentümer durch Mehrheitsbeschluss lediglich festlegen, ob und in welchem Umfang ein ihrer Meinung nach bestehender Anspruch gerichtlich geltend gemacht und ggf. durchgesetzt werden soll. Der BGH hatte den Rechtsstreit letztlich an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Hier ist nun zu klären, ob tatsächlich eine benachteiligende bauliche Veränderung vorliegt.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 18.6.2010 – V ZR 193/09

Fazit:

Der BGH hat eines der am heftigst umstrittenen Probleme des Eigentumsrechts einer interessengerechten Lösung zugeführt und entschieden, dass den Eigentümern nicht die Kompetenz zukommt, Leistungspflichten der Eigentümer durch Mehrheitsbeschluss begründen zu können, soweit sich eine entsprechende Beschlusskompetenz nicht ausdrücklich aus dem Gesetz ergibt.

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