Das Rechtsmittel hatte in der Sache auch insoweit Erfolg, als nach Auffassung des LG die beantragte Mittelgebühr festzusetzen ist.

1. Kostenfestsetzungsantrag des Verteidigers

Der Pflichtverteidiger dürfe bei vorliegender Bevollmächtigung im Namen seines Mandanten Kostenfestsetzung nach § 464b S. 1 StPO beantragen. Der Antrag ziele dabei im Ergebnis auf die Wahlverteidigergebühren, die er nach § 52 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 RVG von seinem Mandanten beanspruchen könne, sofern dem Mandanten seinerseits ein Erstattungsanspruch gegen die Staatskasse zustehe (OLG Nürnberg, Beschl. v. 20.5.2014 – 2 Ws 225/14, RVGreport 2014, 436 = StRR 2014, 513 = Rpfleger 2014, 694 m.w.N.). Einer Doppelbelastung der Staatskasse könne dadurch begegnet werden, dass der Verteidiger – wie geschehen – seinen Verzicht auf die Pflichtverteidigervergütung erklärte (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.5.2009 – 1 BvR 2252/08, RVGreport 2009, 260 = StRR 2009, 276 = VRR 2009, 317).

2. Begründetheit der sofortigen Beschwerde / Höhe der Verfahrensgebühr

a) Bemessungskriterien

Die Verfahrensgebühr für das Berufungsverfahren bestimme sich nach Nr. 4124 VV. Mit ihr werde das Betreiben des Geschäfts vergütet (Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, Nr. 4124 VV Rn 12). Bei einem Wahlverteidiger gelte der Gebührenrahmen von 88,00 EUR bis 616,00 EUR. Der Ansatz einer Mittelgebühr von 352,00 EUR sei zutreffend.

Bei der Rahmengebühr bestimmt im Ausgangspunkt der Rechtsanwalt die Höhe der Gebühr; dies geschieht nach billigem Ermessen anhand der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG. Dazu gehören der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie die Bedeutung der Angelegenheit. Dabei ist nach Auffassung des LG zu berücksichtigten, ob die Berufung beschränkt und mit welchem Aufwand die Berufungshauptverhandlung vorzubereiten gewesen ist (Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 26. Aufl., 2023, VV 4124 Rn 10). Die Mittelgebühr werde in der Praxis angesetzt, wenn es sich um einen sog. Normalfall handelt, also die Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG einem durchschnittlichen Fall entsprechen (Gerold/Schmidt/Mayer, a.a.O., § 14 Rn 10).

b) Billiges Ermessen

Danach entsprach hier nach Auffassung des LG der Ansatz der Mittelgebühr dem billigen Ermessen. Bei einer auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Berufung sei das Berufungsgericht nicht nur nicht daran gehindert, eigene Feststellungen zu Umständen zu treffen, die den für die Rechtsfolgenentscheidung maßgebenden Schuldumfang näher bestimmen (vgl. BGH, Beschl. v. 27.4.2017 – 4 StR 547/16, BGHSt 62, 155; LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 10.8.2023 – 12 NBs 502 Js 2528/18, ZWH 2023, 242), sondern nach Lage des Falles sogar dazu verpflichtet. Nichts anderes gelte für Feststellungen, die auf der Rechtsfolgenseite für eine Strafaussetzung zur Bewährung erforderlich seien.

Der Verurteilte habe bei Tatbegehung unter laufender und einschlägiger Bewährung gestanden. Die Bewährungszeit sei im Zeitpunkt des Urteils des AG noch nicht abgelaufen gewesen. Es habe absoluten Ausnahmecharakter, in laufender Bewährung eine weitere Bewährungschance einzuräumen (BayObLG, Urt. v. 27.7.2020 – 203 StRR 210/20, StraFo 2020, 501). Die Verteidigung habe also nur erfolgversprechend sein können, wenn belegbare und gewichtige Umstände für eine trotzdem günstige Sozialprognose vorgebracht werden konnten. Die Berufungskammer habe ausweislich der Akte der Bewährungsfrage Bedeutung beigemessen. Gem. der Terminverfügung v. 20.4.2023 sei der Bewährungshelfer um Terminteilnahme oder Übersendung eines schriftlichen Berichts gebeten worden. Es sei bei der anwaltlichen Terminvorbereitung daher nicht mit einer Verhandlung zu rechnen gewesen, die sich lediglich mit der Höhe der zu verhängenden Strafe befassen würde. Die anwaltliche Tätigkeit sei danach als zumindest durchschnittlich schwierig einzuschätzen. Unerheblich sei, dass die Verteidigerin auf die eingelegte Berufung nicht schriftsätzlich reagiert habe. Die Verteidigertätigkeit könne auch darin bestehen, dass mit dem Mandanten ohne Kenntnis des Gerichts daran gearbeitet werde, vor der Hauptverhandlung eine Bewährung rechtfertigende Umstände zu schaffen (z.B. Therapie- oder Arbeitsaufnahme). Diese anwaltlichen Tätigkeiten seien vorliegend auch nicht von vornherein entbehrlich gewesen, da die Hauptverhandlung erst einen Tag vor dem Termin aufgehoben worden sei.

Ferner sei die Angelegenheit für den Verurteilten offenkundig von erheblicher Bedeutung gewesen. Er habe damit rechnen müssen, dass die Berufungskammer nicht nur die gegen ihn verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr 10 Monaten bestätigt, sondern dass die erstinstanzlich gewährte Bewährung wegfallen werde. Dies hätte weiter gerechtfertigt, die Bewährung aus seiner vorangegangenen Verurteilung zu widerrufen. Es habe ihm also insgesamt ein beträchtlicher Freiheitsentzug gedroht.

3. Keine eigene Entscheidung

Da bislang kein positiver Kostenfestsetzungsbeschluss und damit der Kammer nicht sämtliche dort einzubeziehenden Posten vorgelegen haben,...

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