Rz. 18

Vorbehaltlich einer wirksamen[54] anderweitigen Vereinbarung (Vereinbarungsvorbehalt – negative Beschaffenheitsvereinbarung)[55] entspricht eine Sache nach § 434 Abs. 3 Satz 1 BGB in Umsetzung von Art. 7 Abs. 1 WKRL (Objektive Anforderungen an die Vertragsmäßigkeit)[56] den objektiven Anforderungen, wenn eine der vier normierten Konstellationen (Gruppen) vorliegt,[57] nämlich wenn die Sache

sich für die gewöhnliche Verwendung (bei der Verwendungseignung sind bestehendes Unionsrecht, das nationale Recht, technische Normen bzw. – in Ermangelung solcher – anwendbare sektorspezifische Verhaltenskodizes zu berücksichtigen)[58] eignet (Nr. 1[59] – Eignung für die gewöhnliche Verwendung, in Umsetzung von Art. 7 Abs. 1 Buchst. a WKRL). Das Produkt muss für seine übliche Einsatzmöglichkeiten funktionen, "wobei dies objektiv nach der Art der Kaufsache und dem Verkehrskreis der angesprochenen Käufer zu bestimmen ist".[60]

Durch den Verweis in Art. 7 Abs. 1 Buchst. a WKRL in Bezug auf eine gewöhnliche Verwendungseignung auf eine Berücksichtigung des besonderen Unionsrechts und nationalen Rechts, technischer Normen oder – in Ermangelung solcher technischer Normen – anwendbarer sektorspezifischer Verhaltenskodizes gilt die bisherige Annahme fort, dass die gewöhnliche Verwendung von der durchschnittlich gebräuchlichen Verwendung einer Sache dieser Art abzuleiten ist, "die sich, wenn nichts Besonderes vereinbart ist, an der üblichen Beschaffenheit orientiert".[61]

Wenn die Sache eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen derselben Art üblich ist und die der Käufer erwarten kann[62] (Nr. 2,[63] übliche oder erwartbare Beschaffenheit, in Umsetzung von Art. 7 Abs. 1 Buchst. d WKRL).[64] Die Kauferwartung beurteilt sich dabei unter Berücksichtigung

der Art der Sache (Buchst. a) und
der öffentlichen Äußerungen,[65] die von dem Verkäufer oder einem anderen Mitglied der Vertragskette[66] oder in deren Auftrag (auch im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses), insbesondere in der Werbung[67] oder auf dem Etikett, abgegeben wurden (Buchst. b).

Dem Verkäufer eröffnet sich in Bezug auf Buchst. b "so die Möglichkeit, durch klare, nicht übertreibende Werbebotschaften, Etikettierungen etc. die objektiven Anforderungen an die Kaufsache mit zu bestimmen, d.h. gegenüber den Aussagen des Herstellers sowie der genannten Dritten auf Unternehmerseite zu relativieren".[68]

Gesetzlich vorgegebene Mindeststandards (etwa zur Produktsicherheit) bilden – ebenso wie das Datenschutzrecht (DSGVO) – immer die Untergrenze für die an ein Produkt zu stellenden objektiven Anforderungen.[69] Zur Bestimmung der berechtigten Käuferwartung im Rahmen des objektiven Fehlerbegriffs ist aber auch der Stand der Technik – einschließlich der zu seiner Bestimmung heranzuziehenden Industrienormen – zu berücksichtigen[70] (vgl. insoweit auch die nicht umgesetzte Vorgabe in Art. 7 Abs. 1 Buchst. a WKRL, wonach subsidiär sektorspezifische Verhaltenskodizes zu berücksichtigen sind).

Zur üblichen Beschaffenheit gehören nach der Klarstellung in § 434 Abs. 3 Satz 2 BGB (nachstehende Rdn 20) auch Haltbarkeit, Funktionalität, Kompatibilität und Sicherheit.

Wenn die Sache der Beschaffenheit einer Probe oder eines Musters entspricht, die oder das der Verkäufer dem Käufer vor Vertragsschluss zur Verfügung gestellt hat[71] (Nr. 3:[72] Entsprechung mit einem Muster oder einer Probe, Art. 7 Abs. 1 Buchst. b WKRL).[73]
Schließlich entspricht eine Sache – vorbehaltlich einer wirksamen anderweitigen Vereinbarung – auch dann den objektiven Anforderungen, wenn sie mit dem Zubehör (einschließlich der Verpackung, der Montage- oder Installationsanleitung sowie anderer Anleitungen) übergeben wird, deren Erhalt der Käufer (vernünftigerweise) erwarten kann[74] (Nr. 4:[75] Lieferung des erwarteten Zubehörs, in Umsetzung von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c WKRL als "Weiterentwicklung der Ikea-Klausel"[76] des § 434 Abs. 2 Satz 2 BGB alt).
 

Hinweis

Die objektiven Anforderungen, die zusätzlich zu den subjektiven Anforderungen erfüllt sein müssen, haben zur Folge, "dass eine Ware, die sich für die von den Parteien vorausgesetzte Verwendung eignet, dennoch mangelhaft sein kann, wenn sie sich nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet oder nicht die übliche Beschaffenheit aufweist".[77]

 

Rz. 19

Beachte für den Verbrauchsgüterkaufvertrag aber § 476 Abs. 1 Satz 1 BGB (vorstehend unter Rdn 9), der § 434 BGB grundsätzlich für zwingend erklärt und für eine vertragliche Abweichung von den objektiven Voraussetzungen (etwa in Gestalt einer negativen Beschaffenheitsvereinbarung, dass die Sache eine schlechtere als die übliche Beschaffenheit hat) nach § 476 Abs. 1 Satz 2 BGB eine besondere Information des Verbrauchers und eine ausdrückliche und gesonderte Vereinbarung der Parteien verlangt. In der Relation B2B ist eine negative Beschaffenheitsvereinbarung hingegen formfrei möglich.

 

Rz. 20

Die übliche Beschaffenheit nach § 434 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB umfasst jegliche Merkmale der Sache, insbesondere (...

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